Seit den Veröffentlichungen des IPC und der IWBF am 31. Januar 2020 sind einige Tage ins Land gezogen. Wir haben bei Mareike Miller nachgehakt, wie die Stimmung unter den Athleten ist, was sie von der Vorab-Berichterstattung des britischen „The Telegraph“ hält und was der Sachstand in Hinblick auf eine offizielle Athletenvertretung ist.

 

Mareike, wurde seit der Veröffentlichung des IPC am 31. Januar 2020 mit dir oder dir bekannten Athleten Kontakt durch das IPC oder die IWBF aufgenommen bzw. wurdet ihr über den Status quo möglicher Gespräche unterrichtet? Was ist euer aktueller Kenntnisstand?

„Da es aktuell leider keine offizielle Athletenvertretung für die Rollstuhlbasketballerinnen und Rollstuhlbasketballer weltweit gibt, gab es in der Causa auch keine Unterrichtung oder offizielle Informationsweitergabe. Mein proaktiver Versuch, der weltweit von vielen Rollstuhlbasketball-AthletensprecherInnen unterstützt wird, vorübergehend einen besseren Austausch herzustellen, hat die IWBF netterweise akzeptiert. Sie hat uns in einem Telefonat Rede und Antwort gestanden Wir konnten so zumindest die Faktenlage sehr zeitnah, also kurz nach den Meldungen, herausfinden und uns auf das weitere Prozedere einstellen.“

 

Dann gab es ja noch euer Schreiben an das IPC?

„Das stimmt. Von Seiten des IPC wurde leider bis heute nicht auf unser Schreiben vom 1. Januar 2020, das von einer Vielzahl von Rollstuhlbasketball-Nationalspielerinnen und Nationalspielern unterschrieben wurde, geantwortet. Sprich, ein Austausch mit dem IPC wird uns nicht direkt ermöglicht. Indirekt wurden wir durch das IPC Athletes Council informiert, dass sie unser Ansprechpartner sind.“

 

Das heißt was genau?

„Na ja, wir können lediglich hoffen, dass die Informationsweitergabe, und die Zusage sich für unsere Rechte einzusetzen, tatsächlich von der entsprechenden IPC-Athletenvertretung umgesetzt wird. Wissen tun wir das jedoch nicht.“

 

Die IWBF sprach im Rollt.-Interview davon, dass eine Athleten-Kommission in Arbeit ist. Wie bewertest du diese Aussage?

„Es ist sehr enttäuschend, dass bis dato sehr wenig passiert ist, da die grundsätzliche Entscheidung schon seit Längerem gefallen ist. Ich möchte den Verantwortlichen jedoch glauben, wenn gesagt wird, dass dies nun wirklich mit einer entsprechenden Dringlichkeit umgesetzt werden soll. Letztendlich ist es jedoch erneut ein Punkt, bei dem wir nichts Konkretes wissen, sondern nur hoffen können.“

 

Wie wurden die IPC- und IWBF-Antworten auf den Fragenkatalog der Fans und der Rollt. von den Athleten aufgenommen? Gab es diesbezüglich Rückmeldungen an dich bzw. euch?

„Bisher gab es dazu kaum einen Austausch. Ich vermute aktuell, dass alle mit Klärung der Sachlage ein wenig überfordert sind.“

 

Wie ist die aktuelle Stimmungslage im Kreis der Rollstuhlbasketball-Nationalspieler in Deutschland sowie international?

„Ich denke, die meisten von uns sind einfach ernüchtert. Die Euphorie für den Sport wurde etwas gedämpft, und zwar durch diesen Streit und die Art der Kommunikation.“

 

Was sagen die Spielerinnen und Spieler?

Viele sind immer noch ziemlich ratlos und haben vor allem viele Fragen zu den Details der Situation. Viele Fragen sind nach wie vor offen und unbeantwortet.“

 

Lass mich kurz das Thema wechseln: Wie bewertest du es, dass “The Telegraph” am 30. Januar, also noch vor Veröffentlichung der offiziellen IPC-Mitteilung am 31. Januar, über den möglichen Paralympics-Ausschluss des Rollstuhlbasketballs berichtet hat? Also die Athleten sozusagen aus der Presse erfahren haben, dass die Paralympics-Teilnahme auf der Kippe steht und Dritte – noch vor den Betroffenen – mit Informationen versorgt wurden.

„Die Athleten hätten auch ohne den Telegraph die Informationen zu allererst aus den Pressemitteilungen der Verbände erfahren. Ob es nun deren Websites oder ein Medienbericht ist, finde ich relativ egal. Umso mehr ist es jedoch eine gute Frage, wie es sein kann, dass eine solche Information zunächst an die Presse und nicht an die nationalen Verbände, Athleten oder gar den Sportfachverband kommuniziert wird.“

 

Wird die Athletenvertretung diesen Sachverhalt auf der nächsten Sitzung mit den IPC-Entscheidungsträgern thematisieren? Oder ist das kein großes Thema?

„Da wir keinen Zugang zu den IPC-Entscheidungsträgern haben und erhalten, ist es uns aktuell nicht möglich, außerhalb der bereits am 1. Januar 2020 geforderten Berücksichtigung der Athleten-Standpunkte und -Sichtweisen, viel zu tun. Eine traurige Erkenntnis, die für eingefahrenen Strukturen innerhalb der Sportpolitik spricht.“

 

Was stimmt dich optimistisch, dass wir Rollstuhlbasketball in Tokio und in Paris 2024 sehen werden?

„Eigentlich ist mir kaum nach Optimismus zumute …“

 

Weil?

„Die Art und Weise des Zwists einfach so enttäuschend ist. Ich denke aber, dass am Ende beide Organisationen gerne Rollstuhlbasketball bei den Paralympics sehen wollen. Nur jeweils unter ihren eigenen Bedingungen. Ich kann nur hoffen, dass sie am Ende eine Lösung finden. Letztendlich mag es sein, dass die IWBF sich einfach dem IPC beugen muss. Aber ich bin mir sicher, dass sie das tun werden, bevor Rollstuhlbasketball gar nicht dabei sind wird.“

 

Mareike, vielen Dank für das kurze Update.

 

 

 

Interview: Martin Schenk | Foto: Steffie Wunderl

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