Interview mit Britt Dillmann: „Es ist meine größte Leidenschaft.“ | Britt Dillmann ist nach der vergangenen Saison zu ASD Polisportiva Disabile Vicenza nach Italien gewechselt. Die fröhliche Lowpointerin hat sich mit uns über emotionale Italiener, bunte Sprachen und ihre Erwartungen an die Weltmeisterschaften in Hamburg unterhalten.

Britt, du spielst seit dieser Saison in Italien. Was hat dich dorthin verschlagen? Wie gefällt es Dir dort?

Wahrscheinlich bin ich die älteste Spielerin der Welt. Viele fragen sich, warum ich mir das überhaupt antue. Ich liebe diesen Sport. Es ist meine größte Leidenschaft. Warum sollten man aufhören, wenn man sportlich noch fit ist? Ich habe sportlich so ziemlich alles erlebt und in jeder Liga gespielt. Ich bin aber immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Daher war für mich der nächste Schritt, ins Ausland zu gehen. Ich hatte drei Angebote, davon eins aus Frankreich und zwei aus Italien. Italien gefällt mir besonders gut. Ich konnte die Sprache nicht sprechen, doch das war auch nur eine weitere attraktive Herausforderung für mich. (lacht)

Sprichst du denn mittlerweile Italienisch?

Nicht perfekt, aber die Verständigung klappt gut. Das Training wird auf Italienisch abgehalten. Das verstehe ich gut. Es macht auf jeden Fall enorm viel Spaß. Es ist eine sehr bunte und emotionale Sprache. Ich wohne jetzt in Vicenza. Das ist eine wunderschöne Stadt und für mich als Kunsthistorikerin eine wahre Schönheit.

Was ist der Unterschied zwischen der italienischen Liga und der deutschen RBBL? 

Es gibt keinen großen Unterschied zwischen der deutschen und der italienischen Liga. Einer, der jedoch nur noch in dieser Saison besteht, ist dass Frauen mit -2 Punkten anstatt mit -1,5 Punkten spielen. Das ist nun aufgehoben und wird ab nächster Saison ebenfalls auf die -1,5 Punkte angepasst. Ich spiele in der Serie B. Das habe ich mir auch ganz bewusst so ausgesucht, da für mich klar ist, dass ich nicht auf der Bank sitzen möchte. Ich will spielen und mich immer weiterentwickeln. Aktuell stehen wir mit unserem Team an der Tabellenspitze, müssen aber noch konzentriert in die nächsten Spiele gehen und die auch gewinnen, um den Aufstieg in die Serie A zu sichern. Mein Teamkollege Pellegrini hat mir vor einiger Zeit den Tipp gegeben, wie ein Mann zu spielen. Das ist vielleicht auch noch ein Unterschied zu Deutschland. Ich möchte niemandem in Deutschland zu nahetreten. Es ist schwierig, das zu beschreiben. Die Entwicklung der Spielerinnen innerhalb der Teams in Deutschland ist deutlich vorangeschritten, aber die Punkte machen zum großen Teil die Männer. Frauen nehmen sich eher noch etwas zurück auf dem Spielfeld. Ich kann in Italien nur von meiner Mannschaft sprechen, aber hier werde ich voll eingesetzt und es wird sogar gefordert, dass ich z. B. auch Schüsse von außen nehme. Da ist es nicht unüblich, dass mir ein 4-Punkte-Mann einen Schirm stellt. Das gibt mir ein ganz anderes Selbstbewusstsein.

Und wie ist die Atmosphäre in den Hallen?

Zu der Atmosphäre kann ich sagen, dass die Italiener sehr bunt sind. Das gefällt mir unglaublich gut. In der Serie B sind nicht sehr viele Zuschauer, aber die die da sind, sind sehr emotional und gehen richtig mit. Die Mannschaft auf der Bank ist auch immer lautstark dabei. Das gibt einem einen enormen Schub. Jeder Korb wird gefeiert.

Verfolgst du noch die Spiele in der RBBL?

Selbstverständlich verfolge ich die Spiele. Ich bin froh, dass es die Livestreams gibt. Ich düse nach unseren Spielen immer sofort nach Hause, damit ich den Livestream einschalten kann. Meine Teamkollegen lachen immer über mich. Ich sehe mir die Spiele oft eher analytisch an. Daraus kann man viel lernen und für sich mitnehmen. Die Ausgeglichenheit in der Liga finde ich toll. Es macht Spaß zu sehen, wie sich die Sportler und auch die Trainer entwickeln. Der neue Headcoach in Lahn-Dill hat sich zum Beispiel kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert. Sowas ist sehr schön zu sehen.

Was denkst du über die Entwicklung der Liga in dieser Saison?

Sicher könnte in der Liga noch ein wenig mehr für die deutschen Spieler getan werden. Es ist ein heikles Thema, aber aus meiner Sicht wäre eine Ausländerquote wünschenswert, damit die deutschen Nationalspieler mehr gefördert werden und mehr Spielzeiten bekommen. Wenn beispielsweise maximal zwei Ausländer auf dem Feld stehen dürfen, wäre das ein guter Ansatz.

Was erwartest du von der kommenden Rollstuhlbasketball-Weltmeisterschaft in Hamburg 2018? 

Ich erwarte sehr spannende Spiele. Bei den Männern ist das gesamte Feld sehr ausgeglichen. Der Ausgang ist offen. Bei den Frauen finde ich sehr interessant und gut, dass Martin Otto auf eine junge Mannschaft setzt. Einige Jahre wurde zu wenig für die jungen Spielerinnen getan. Die Niederländerinnen, US-Amerikanerinnen und Kanadierinnen haben in den letzten Jahren eine deutlich intensivere Nachwuchsarbeit betrieben. Das wird sicher nicht leicht.

Wirst du dir auch einige Partien ansehen?

Ich werde mir auf jeden Fall Spiele ansehen. Ich bin einfach Basketball-süchtig. Ich mag aber auch gerne andere Sportarten. Da stehen z. B. auch die Paralympischen Winterspiele auf dem Programm. Es ist einfach toll, die Leistungen zu sehen. Alle arbeiten klar an einem Ziel. Das ist sehr schön anzusehen.

Was sind die besten Momente aus deiner Nationalmannschaftskarriere, an die du dich zurückerinnerst?

Das ist schwer zu beantworten. Man hat ganz viele „beste“ Momente. Das kann einfach nicht auf einen Moment reduziert werden. Der beste Moment ist die Gesamtheit. Der Weg, das gemeinsame Arbeiten, das gemeinsame gewinnen und auch verlieren. Mich reizt das Gesamte.

Nun noch eine abschließende Frage: Was sind deine Pläne für die nahe Zukunft? Wirst du weiterhin auf internationalen Bühnen zu sehen sein oder ist es denkbar für dich, wieder in Deutschland auf Korbjagd zu gehen?

Ich plane eigentlich immer nur von Saison zu Saison. Aktuell habe ich Angebote aus Deutschland, Italien und Spanien vorliegen. Auf jeden Fall werde ich weiterspielen. Man lernt immer wieder dazu, das nährt den Hunger nach mehr. Als ich vor vielen Jahren nach meiner ca. 20-jährigen Pause wieder angefangen habe zu spielen, habe ich sehr viel Kritik dafür bekommen, aufgrund meines Alters. In der Zeit, als ich wieder angefangen habe, habe ich von einem 100-Jährigen gelesen, der einen Marathon gelaufen ist. Da dachte ich mir, dann kann ich auch noch Basketball spielen. (lacht) Das trägt mich durch jede Saison und ich spiele weiter. Am Ende muss die Mannschaft und der Trainer zu mir passen, ob Deutschland oder Italien.

Britt, vielen Dank für deine Zeit!

Interview: Annika Aul | Foto: Uli Gasper (www.uliphoto.de)

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