Hannover: „So viel habe ich noch nie zu Hause trainiert”

Vor kurzem hat Mariska Beijer ihren Vertrag bei Rollstuhlbasketball-Bundesligist Hannover United um ein Jahr verlängert. Im Interview spricht die 30 Jahre alte Welt- und Europameisterin über ihr persönliches Pandemie-Jahr, die Vorbereitung auf die Paralympischen Spiele mit Team Niederlande und ihren United-Moment.

Hallo Mariska, herzlichen Glückwunsch nachträglich zum 30. Geburtstag. Wie geht es Dir und was machst Du gerade?
Vielen Dank. Mir geht es ganz gut, würde ich sagen. Im Moment liege ich etwas müde auf meiner Couch. Wir trainieren Vollzeit im Olympiastützpunkt Papendal. Nächste Woche haben wir ein Turnier, The Dutch Bubble. Danach geht es nach Köln zum Nations Cup mit Spielen gegen Spanien und Deutschland. Es ist aktuell wirklich schwer, Teams zu finden, gegen die man spielen kann. Jedes Spiel, das wir spielen können, ist also gut für die Vorbereitung auf Tokio.

Doorwerth im Osten der Niederlande ist seit mehr als einem Jahr Dein neues Zuhause. Wie wohnst Du dort?
Doorwerth ist ein kleines Dorf mitten im Wald, es liegt an einem kleinen Fluss. Mein Wohnhaus steht ganz oben auf einem kleinen Hügel. Wenn man sich umschaut, ist alles sehr grün. Wir haben viele Fahrradstraßen. Die Leute sind sehr freundlich – und ein bisschen komisch, aber ich bin es auch. (lacht) Wenn ich nach Deutschland fahre, bin ich in etwa fünf Minuten auf einer Autobahn. Für die Fahrt nach Hannover brauche ich etwa 3 Stunden und 10 Minuten.

Du hast die RBBL-Saison wegen des hohen Risikos mit Corona ausfallen lassen. Wie hast Du Dich während der Pandemie fit gehalten für Deinen Traum – die Paralympische Goldmedaille?
Ich war Teil der sogenannten Dutch Bubble. Das waren Spielerinnen und Spieler, die in Papendal trainiert haben. Wir waren quasi in einer Art Halbquarantäne, was bedeutet hat, dass wir den Kontakt zu anderen Menschen extrem eingeschränkt haben. Ich habe viel zu Hause trainiert, Krafttraining zum Beispiel. So viel wie im vergangenen Jahr habe ich noch nie zu Hause trainiert. Und natürlich bin ich viel Handbike gefahren.

Wie hast Du Dich in dieser schwierigen Zeit motiviert? Welche Unterstützung hast Du bekommen?
Das ist eine gute Frage (lacht). Ich war in der Zeit nicht immer motiviert. Aber wenn ich hart trainiere, fühle ich mich danach viel besser. Natürlich macht es definitiv mehr Spaß, wenn ich mit meiner Mannschaft trainiere. Aber wir haben uns in dieser Zeit im Team gegenseitig unterstützt. Außerdem haben wir einen wirklich guten Trainer, der uns Zeitpläne und Trainingsprogramme zugeschickt und uns sehr gut vorbereitet hat.

Deine Familie und vor allem Deine Schwester Linda sind für Dich immer eine wichtige Stütze. Wie seid Ihr in Kontakt geblieben?
Wir haben vor allem unfassbar viele WhatsApps geschrieben. Das war nicht perfekt, aber es war wenigstens etwas. Wir haben uns in der Zeit zweimal getroffen, das war hart. Jetzt fällt es mir etwas leichter, da ich vollständig geimpft bin. Vielleicht können wir uns für ein Wochenende treffen, bevor ich nach Tokio fahre.

Du hast Dich aus nachvollziehbaren Gründen entschieden, in der vergangenen Saison nicht für Hannover United zu spielen. Aber Du hast das Team aus der Ferne unterstützt. Was hast Du am meisten vermisst in der Phase?
Diese Zeit war sehr hart für mich. Wir haben uns gegenseitig viele Nachrichten geschrieben und ich habe mir jedes einzelne Spiel von Hannover United im Livestream angeschaut. Meine Highlights waren der Sieg gegen Thüringen Bulls und das erneute Erreichen der Playoffs – das hat mich sehr stolz gemacht. Aber ich habe die gemeinsamen Spiele vermisst, die Busfahrten, auch die Tage, an denen man spät abends trainiert und sich nach sechs Stunden Schlaf wieder trifft (lacht). Es war herzerwärmend, als ich etwas in den sozialen Medien gepostet habe und die Jungs aus Hannover – Freiwillige, Fans und Teamkollegen – geantwortet haben. Ich kann nur sagen: Ich vermisse euch, Leute.

Trotz der United-Pause hast Du Deinen Vertrag vor wenigen Wochen verlängert. Teammanager Udo Schulz hat damals gesagt, dass es kurze Verhandlungen gegeben habe. Warum hast Du Dich schnell entschieden, in Hannover zu bleiben?
Ich liebe das Team und das Management. Das Umfeld in Hannover ist sehr professionell. Und das ist alles, was man braucht, um erfolgreich zu sein. Darum ist es mir leicht gefallen, einen neuen Vertrag zu unterschreiben.

London, Rio, Tokio – die Paralympischen Spiele, Deine dritten, stehen vor der Tür. Welche Mannschaften sind aus Deiner Sicht Favoriten?
Wir (lacht). Im Ernst, Team Niederlande, Großbritannien, Kanada und China sind meine persönlichen Top-Four für dieses Turnier. Und ich denke, wir werden es am Ende schaffen.

Mit der niederländischen Nationalmannschaft treffen Sie bei den Paralympics auf China, USA, Spanien und Algerien – eine machbare Gruppe?
Ich denke, China ist der härteste Gegner. Aber wir wollen jedes einzelne Spiel gewinnen – und das ist möglich. Es macht Spaß, gegen Team USA zu starten, das ist der Gold-Gewinner von Rio de Janeiro 2016. Ich erwarte einen Sieg. Da wir ein so breites Team haben. Wir können unterschiedliche Setups durchführen und die unterschiedlichen Stärken unseres Teams nutzen. Außerdem sind wir ziemlich schnell und stark.

Nach den Paralympischen Spielen bleibt nicht viel Zeit zum Entspannen. Wann bist Du wieder in Hannover?
Ich denke, zehn Tage bis zwei Wochen nach Tokio werde ich wieder in Hannover sein. Ich freue mich riesig, wieder bei meinen Mannschaftskameraden zusammen zu sein.

PM: Hannover United | Foto: Maike Lobback

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