Im Rahmen seiner aktuellen Jahreskampagne „Rollt. bei mir“ hat Deutschlands Rollstuhlbasketball-Magazin Rollt., den Standort München und damit die Arbeit des USC München Rollstuhlsport und der RBB München Iguanas ausgezeichnet.
In der sechsten Ausgabe des 60-Seiten-starken Magazins (März 2015) wurde Deutschlands drittgrößte Stadt unter dem Motto „Kernspaltung auf Bayrisch“ für herausragende Arbeit in Sachen Inklusion und Sport vorgestellt. Insgesamt acht Städte bzw. neun Vereine werden in 2015 durch die Redaktion der Rollt. für innovative und kreative, oder besonders fortschrittliche Vereinsarbeit gewürdigt, die als Vorbild für den Aufschwung des Rollstuhlbasketballs in Deutschland steht.
Mit dem Slogan der Kampagne „Rollt. bei mir“ nehmen die Verantwortlichen dabei das Jugendwort des Jahres 2014, „Läuft bei dir“, augenzwinkernd auf. Mit „du hast es drauf“ übersetzte die Jury die Phrase, die Jugendliche häufig dazu gebrauchen, um ein positives Gefühl, ein Lob oder einen Erfolg zu vermitteln.
„Hinter „Rollt. bei mir“ steckt sehr häufig harte Arbeit am Standort, die auf das Engagement vieler Kräfte vor und hinter den Kulissen baut. Wir möchten zum einen ein öffentliches Lob genau dafür aussprechen und zum anderen unseren Lesern an gelungenen Beispielen zeigen, wie sich der Rollstuhlbasketball in Deutschland positiv entwickelt“, kommentieren die beiden Rollt.-Geschäftsführer Martin Schenk und Sven Labenz die erstmalig durchgeführte Auszeichnung.
Neben einem Portrait in der Print- und Online-Ausgabe von Rollt., erhalten die Vereine ein öffentlichkeitswirksames Schild mit der Kampagnen-Aufschrift „Rollt. bei uns“, das beispielsweise an der Sporthalle, der Geschäftsstelle oder bei Heimspielen angebracht werden kann, um örtliche Partner und Medien auf die Auszeichnung aufmerksam zu machen. In der südlichen Metropole München würdigten die Verantwortlichen vor allem die innovative Öffentlichkeitsarbeit sowie die sportliche Konkurrenz innerhalb der Stadt, die nach einer „Kernspaltung“ zahlreiche positive Effekte auf den Standort München hatte.
Das Rollt.-Portrait über den USC München und die RBB Iguanas München (Rollt. #6)
Kernspaltung auf Bayrisch
Es gab eine Zeit, da war Rollstuhlbasketball in Deutschland ohne jede Diskussion gleichbedeutend mit dem USC München. Aber irgendwann kommt immer eine Zeit, in der die “großen alten Damen” zu Grabe getragen werden. Als 2013 der USC München seine erste Mannschaft vom Spielbetrieb zurückzog, sah es so aus, als ob die letzte Stunde einer Rollstuhlbasketballlegende geschlagen hätte. Aus der Asche des USC erhob sich kein Phönix, sondern ein Leguan, und damit beginnt die Geschichte von zwei ungleichen Geschwistern an der Isar.
Eines ist im Frühjahr 2015 eigentlich eindeutig: “Rollt. bei euch” muss auf die bayrische Landeshauptstadt blicken. Denn was als die Kernschmelze beim einst erfolgreichsten Rollstuhlbasketballverein Deutschlands begann, hat zwei der heißesten Rollstuhlbasketballprojekte der Republik entstehen lassen. Sie teilen sich eine Stadt, eine Sporthalle, spielen in einer Liga, die meisten Spieler verbindet eine gemeinsame Geschichte. Und doch scheint es, als ob sie erst wieder richtig stark geworden sind, seit sie getrennte Wege gehen.
Sie – das ist sind zum einen die RBB München Iguanas. Unter diesem Namen zog fast die komplette Münchener Bundesligamannschaft aus ihrem Stammverein aus und begann in der Regionalliga Süd ganz von vorne. Und das ist der USC München, der mit einem Riesenknall als letztes Gründungsmitglied und Rekordmeister schlagartig aus der Rollstuhlbasketball-Bundesliga verschwand und erklärte, künftig den Schwerpunkt auf die Förderung des eigenen Nachwuchses zu setzen.
Knapp zwei Jahre später gehen beide Münchener Clubs in der 2. Bundesliga Süd auf die Zielgerade: Die Iguanas nach einer durchwachsenen Saison, aber mit hervorragenden Nachwuchsspielern wie Massimo Weirather oder Florian Mach – und der neu aufgestellte USC, der als international besetztes Projekt noch ungeschlagen die Liga anführt. Ein wenig bizarr wirkt es schon, dass beide Teams im wöchentlichen Wechsel an der Säbener Straße zum Heimspiel laden und schließlich je einmal als Gast in der eigenen Heimspielhalle antreten. Doch der Bruderzwist hat die alte Diva USC neu belebt und gleichzeitig ein spannendes neues Projekt geboren. Allein das rechtfertig, gleich in der ersten Auflage von “Rollt. bei euch” nach München zu schauen.
Einer der wichtigsten Köpfe in der Geschichte ist U19-Nationaltrainer Benjamin Ryklin – einst als Spielertrainer mit dem USC im Playoff-Finale, heute Mastermind der Münchener Leguane. Kaum ein nichtbehinderter Spieler hat den Rollstuhlbasketball in Deutschland so beinflusst wie der erst 28-jährige, und mit Florian Mach und Gabriel Robl hat Ryklin zwei starke Nachwuchscenter ausgebildet. Dazu kommen mit Laura Fürst und Massimo Weirather zwei junge Talente, die bei den Iguanas einen riesigen Schritt nach vorne gemacht haben und dem Chef-Leguan ein erstklassiges Zeugnis ausstellen. In Sachen Personen und Nachwuchsarbeit gehen die Punkte also recht eindeutig an die “kleinen Iguanas”. Der große Nachbar hat zwar mehr Teams im Spielbetrieb und rühmt sich mit Scouting und Nachwuchsarbeit. Doch bei genauem Blick wird der Raum für junge deutsche Talente im USC-Kader stetig enger, und das gelobte Scouring hat zwar David Ion und Ebrahim Ahmadi nach Deutschland gelockt, doch Spieler wie Nu Nguyen, Ben Döring und Suad Sutic fallen eher in die Kategorie Routiniers. Und mit der Entdeckung von Kim Robins oder Brad Baugh für die RBBL dürfen sich eher die Dolphins aus Trier rühmen.
Im Marketing, Strukturen und den Finanzen hingegen überstrahlt der USC an Aktivität und Innovation fast alle Clubs in Deutschland: Mancher Erstligist wäre froh, so gut aufgestellt zu sein wie der deutsche Rekordmeister – auch wenn der Promotionmotor beim USC gelegentlich überdreht. Die Gratulation an den 19-jährigen Center David Ion zur Geburt seiner Tochter dürfte zur Legende werden, hieß es dort doch ganz unverblümt, dass der junge Schotte gleich seinen ersten Schuss verwandelt habe. Aber auch wenn der Stil gelegentlich etwas auf der Strecke bleibt, läuft die PR-Maschine beim USC rund: Mit den Basketball-Stars des FC Bayern gab es bereits mehrere Aktionen, und intensive Kontakte in die Mode- und Modellingwelt bringen dem Münchener Rollstuhlbasketball ordentlich frischen Wind. Was noch vor zwei Jahren einer der letzten altmodischen Amateur-Standorte der Bundesliga war und vorübergehend von der Landkarte verschwand, kehrt als vibrierender, gelegentlich lärmender, aber frischer Aufsteiger ins Oberhaus zurück. Punkt für den USC, und wenn man berücksichtigt, dass im Gefolge der PR-Maschine der Laden auch wirtschaftlich brummt, ist das ein Big Point.
Klingt nach einem Unentschieden? Jein. Der USC startet sein RBBL-Comeback und hat damit auf dem Papier “gewonnen”. Doch der eigentliche Gewinn für den Rollstuhlbasketball war die unglaubliche Beschleunigung, die der Standort München durch die Gründung der Iguanas erfahren hat. Im Prinzip also eine Kernspaltung – mit nachfolgender Kettenreaktion, die scheinbar grenzenlos Energie freisetzt.