Der RSV Lahn-Dill hat am Samstagabend ein emotionales Wiedersehen mit seinen Fans gefeiert, die erstmals seit 588 Tagen wieder ein Heimspiel der Wetzlarer Rollis besuchen konnten. Der hart erkämpfte 68:53-Arbeitssieg (14:13/24:24/45:40) über den RBC Köln 99ers geriet dabei fast zu einer Randnotiz, was nicht am Gast aus dem Rheinland lag, der mit einem starken Auftritt in Mittelhessen zu überzeugen wusste.
Elf Sekunden vor der Schlusssirene avancierte dabei eine Szene sinnbildlich zu der des Abends, als Kapitän Simon Brown anstatt den letzten Angriff zu initiieren Richtung Fanblock rollte und mit seinen Händen ein Herz formte. Die 564 Besucher in der Rittal Arena hatten sich, wie vor der Corona-Pandemie traditionell, zu diesem Zeitpunkt längst von ihren Sitzen erhoben, um die letzte Spielminute mit Standing-Ovations noch einmal besonders zu zelebrieren. Sie feierten sich und die Mannschaft, weniger aufgrund der sportlichen Performance an diesem Abend, sondern um der emotionalen Bindung zwischen Fans und Mannschaft nach einer über 17 monatigen Zwangs-Abstinenz Ausdruck zu verleihen.
Ihren ersten Höhepunkt hatte die Partie gegen den Aufsteiger dabei bereits vor Beginn, als Oberbürgermeister Manfred Wagner die insgesamt elf anwesenden Paralympics-Teilnehmer zu ehren, darunter auch die beiden Kölner Lisa Bergenthal und Joe Bestwick sowie die beiden Unparteiischen Dr. Erik Etzelmüller aus Gießen und Carsten Rehling. Zu den zu ehrenden Sportlern gehörte auch Felix Streng vom Sprintteam Wetzlar, der in Tokio Gold und Silber über 100m und 200m in der Leichtathletik holte und seine Medaille, wie auch Brian Bell, Reo Fujimoto und Hiroaki Kozai, stolz präsentierte.
Was folgte war dann sportlich vor allem beim Gastgeber in der Offensive zunächst noch deutlich ausbaufähig, ein 2:8 (4.) und 6:11 (7.) die logische Konsequenz. Man merkte den Hausherren an, dass sie nach den späten Paralympischen Spiel erst wenige Trainingseinheiten gemeinsam absolvieren konnten und noch längst nicht den gewohnten Rhythmus gefunden haben. Erst das 8:11 (8.) durch den japanischen Neuzugang Reo Fujimoto ließ die Mittelhessen in der Folge besser ins Spiel kommen, ehe es wenige Sekunden vor der Halbzeitpause Nationalspieler Thomas Böhme war, der mit einem Dreier zumindest das Unentschieden beim Kabinengang bescherte.
Nach dem Seitenwechsel kam dann ein deutlich entschlossener Hausherr zurück auf das Parkett der Rittal Arena, auch wenn der Gast um Rückkehrer Joe Bestwick weiterhin auf Augenhöhe operieren konnte. Während der ehemalige RSV-Center mit am Ende 15 Punkten, elf Rebounds und zehn Assists zur zentralen Figur der 99ers avancierte, machte es vor allem Spaß dem erst 21-jährigen Thomas Reier zuzuschauen, der am Ende auf unbekümmerte 14 Zähler kam. Dagegen hatte die RSV-Defensive den türkischen Center-Hünen Bulut Kordal von Beginn an gut unter Kontrolle.
So dauerte es bis zur 27. Spielminute, als der niederländische Neuzugang Quinten Zantinge mit dem 36:36 die Wende einläutete. So leuchtete nach einem Drei-Punkte-Spiel von Simon Brown zunächst ein 50:42 (32.) und wenig später ein 60:47 (36.) von der Anzeigentafel. Alleine Hiroaki Kozai steuerte in dieser Schlussphase der Partie des zweiten Spieltages in der RBBL zwölf seiner insgesamt 17 Punkte bei und wurde so zum Topscorer des RSV Lahn-Dill in diesem Duell. Mit Thomas Böhme, Reo Fujimoto sowie Brian Bell und Quinten Zantinge konnten sich gleich vier weitere RSV-Akteure zweistellig in die Scorerliste eintragen.
Trotz des verdienten sportlichen Happyends war das Schönste an der Partie zweifelsfrei die knapp 600 Zuschauer als erster Schritt zurück in die Normalität. Mit rund 50 Prozent der durchschnittlichen Besucherzahl vor der Krise, hat der RSV Lahn-Dill dabei einen guten Anfang gemacht, auch im Vergleich zu anderen Sportarten in der Region und darüber hinaus, auf dem sich nun aufbauen lässt. Nach einem spielfreien kommenden Wochenende, steigt bereits am 16. Oktober in der Rittal Arena das nächste Heimspiel. Zu Gast dann der letztjährige Playoff-Teilnehmer Hannover United mit Ex-RSV-Spieler Jan Haller.
Lahn-Dill: Hiroaki Kozai (17), Thomas Böhme (16/2 Dreier), Reo Fujimoto (12), Brian Bell (10), Quinten Zantinge (10), Simon Brown (3), Jannik Blair, Dominik Mosler, Catharina Weiß, Mark Beissert (n.e.), Peyman Mizan (n.e.).
Köln: Joe Bestwick (15), Thomas Reier (14), Timo Bergenthal (10), Alexander Keiser (6), Bulut Kodal (4), Umut Akbay (2), Paul Jachmich (2), Lisa Bergenthal, Hillevi Hannson, Ryan Wright.
PM: RSV Lahn-Dill | Foto: Armin Diekmann