Am kommenden Wochenende steigt in der österreichischen Hauptstadt Wien der Kampf um Europas Krone im Rollstuhlbasketball. Nach zwei Jahren in dem der Wettbewerb im IWBF Champions Cup bedingt durch die weltweite Covid-19 Pandemie auf ein Finalturnier reduziert wurde, kommt es 2023 wieder zu einem regulären Modus mit Gruppenphase, Viertelfinale und Final Four. Für den RSV Lahn-Dill, der in diesem Jahr zum 20. Mal in Folge in der europäischen Königsklasse antritt, soll die Reise im Idealfall von der Gruppenphase in Wien bis zum Final Four im niederländischen Nijmegen führen.
Der Startschuss in den Wettbewerb 2023 fällt für die Wetzlarer als Gast der Interwetten Coloplast Sitting Bulls, die sich selbst als „Bullen aus Klosterneuburg“ bezeichnen. Neben dem Gastgeber und dem siebenfachen IWBF Champion aus Hessen, kämpfen an der Donau auch der spanische Rekordmeister CD Ilunion Madrid, der italienische Tabellenführer ASD Santo Stefano und der französische Traditionsverein CS Meaux um das Weiterkommen im IWBF Champions Cup.
Modus & Spielplan
Zurück zu den Wurzeln heißt das Motto nach drei Jahren corona-bedingter Einschränkungen für die IWBF Europe. Damit erlebt auch die Gruppenphase des Wettbewerbs eine Wiederauferstehung, nachdem 2021 und 2022 nur ein Finalturnier mit acht Teams stattfinden konnte. In drei Fünfergruppen, die dieses Jahr im spanischen Bilbao und auf der Ferieninsel Gran Canaria sowie im österreichischen Wien ausgetragen werden, qualifizieren sich im Duell jeder-gegen-jeden die beiden Erstplatzierten Teams jeder Gruppe für das Mitte März stattfindende Viertelfinale. Dort stoßen zu den sechs qualifizierten Mannschaften mit den Thuringia Bulls, Champion im letzten regulären Wettbewerb 2019, und dem Titelverteidiger BSR amiab Albacete aus Spanien zwei weitere Mitfavoriten hinzu. In zwei Vierergruppen qualifizieren sich dann die beiden jeweils bestplatzieren Teams für das Final Four des IWBF Champions Cup, dass Anfang Mai im niederländischen Nijmegen ausgetragen wird.
Im sportlichen Idealfall reicht die Reise auf internationaler Bühne zeitlich bis in den Mai und geographisch bis nach Nijmegen. Doch auch für die Teams, die in den drei Vorrundengruppen nicht auf den Plätzen eins und zwei landen, ist die Europapokalreise 2023 nicht automatisch beendet. So wie aus dem System der FIFA Champions League bekannt, qualifizieren sich die Drittplatzierten von Wien, Bilbao und Gran Canaria für die Endrunde im EuroCup 1, dem ehemaligen André-Vergauwen-Cup, Ende April im italienischen Cantu. Und sogar die Viertplatzierten dürfen sich auf eine weitere Dienstreise freuen, die zum Endturnier im EuroCup 2, dem ehemaligen Willi-Brinkmann-Cup.
IWBF Champions Cup 2023, Gruppenphase
Gruppe A in Bilbao, Spanien: Bidaideak Bilbao BSR (ESP), Manchester Revolution (GBR), Hornets Le Cannet (FRA), Galatasaray Istanbul (TUR), Amicacci Abruzzo (ITA).
Gruppe B auf Gran Canaria: Econy Gran Canaria (ESP), GSD Porto Torres (ITA), Ilan Spawak Ramat Gan (ISR), BG Baskets Hamburg (GER), TSK Merkezi Engelliler SK (TUR).
Gruppe C in Klosterneuburg: Interwetten Coloplast Sitting Bulls (AUT), CS Meaux (FRA), ASD Santo Stefano (ITA), CD Ilunion Madrid (ESP), RSV Lahn-Dill (GER).
In Wien wartet auf den RSV Lahn-Dill ein intensives Programm mit vier Spielen binnen kürzester Zeit. Los geht es für den siebenfachen europäischen Champion mit dem Duell gegen den CF Meaux, der am Freitag um 13:30 Uhr im 2014 erbauten Sportkomplex Happyland vor den Toren der Hauptstadt wartet. Es folgen die Duelle mit dem Gastgeber Sitting Bulls (Fr., 18:00 Uhr), die Partie gegen den spanischen Rekordmeister CD Ilunion Madrid (Sa., 09:00 Uhr) und zum Abschluss das Match gegen ASD Santo Stefano (Sa., 13:30 Uhr).
Konkurrenz
Von den drei Fünfer-Gruppen, die AnfangDill und CD Ilunion Madrid zwei der Top-Four Teams des Kontinents in der Gruppenphase gegenüber. Und selbst Santo Stefano, aktueller Tabellenführer in Italiens Serie A, sowie der dreifache europäische Champion Meaux gehören seit vielen Jahren zur zumindest zweiten Garde Europas. Lediglich Gastgeber Interwetten Coloplast Sitting Bulls ist in der Gruppe C als Außenseiter auszumachen. Für alle teilnehmenden Klubs gilt, ein Ausrutscher und das Abenteuer Königsklasse kann beendet sein, bevor es so richtig begonnen hat.
CD Ilunion Madrid
Der dreifache Champions League Sieger und 16-malige Meister Spaniens, ist einer der klangvollsten Namen im gesamten Teilnehmerfeld und seit Jahren sportlich eng mit dem RSV Lahn-Dill verbunden und befreundet. Beide Klubs gelten europaweit auch sport-politisch als Vorreiter in ihrer Sportart und zogen in der Vergangenheit am gleichen Strang. Zu dem eingespielten Kader, zudem die beiden britischen Weltmeister Terry Bywater und Gregg Warburton ebenso gehören wie das, mit dem Australier Bill Latham, dem Mexikaner Luis Jasso und dem Spanier Amadou Diallo, vielleicht physischste Center-Trio der gesamten Königsklasse. Die Madrilenen haben in den vergangenen acht Jahren sechsmal das Endspiel erreicht und dabei zweimal den Titel in Spaniens Hauptstadt bringen können. Dreizehnmal standen sich der RSV und Madrid seit 2004 in der gemeinsamen Geschichte dieses Wettbewerbes gegenüber – 2005, 2015 und 2016 davon im Endspiel der Königsklasse. Siebenmal rollten die Hessen, sechsmal die Spanier als Sieger vom Parkett.
Interwetten Coloplast Sitting Bulls
Der Gastgeber ist trotz des Heimvorteils Landsleuten Jan Herman und Ondra Pliska sowie dem Iraker Faisal Naqqash hat Trainer Andy Zankl ein Team zusammen, dass versuchen wird der Konkurrenz das Leben so schwer wie möglich zu machen.
ASD Santo Stefano
Auch die Norditaliener dürften sich eine realistische Chance auf das Weiterkommen ausrechnen, hierzu müsste dem Team um Routinier Fabio Raimondi allerdings ein Überraschungscoup gegen Lahn-Dill oder Madrid gelingen. Doch Santo Stefano kommt mit breiter Brust nach Wien, haben sie doch erst vor Wochenfrist die Hauptrunde in der italienischen Serie A als Tabellenführer abgeschlossen und gehen nun ungeschlagen ins Playoff-Viertelfinale. Im Duell gegen die nicht zu unterschätzenden Italiener kommt es auch zu einem Wiedersehen mit dem US-Amerikaner Tommy Lee Gray, der bereits zwei Engagements bei den Rhine River Rhinos aus Wiesbaden hinter sich hat und damit auch den RSV Lahn-Dill bestens kennt. Weitere internationale Spieler im Kader sind der Brite Oliver Griffith-Shalter und die Brasilianerin Maxcileide de Reus Ramos. Das bisher einzige Duell gewann Santo Stefano im Mai 2013 im spanischen Valladolid hauchdünn mit 72:68 gegen die Wetzlarer, die sich in Wien nur zu gerne revanchieren würden.
CS Meaux
Die Franzosen sind auf der Bühne Europapokal ein alter Bekannter des RSV Lahn-Dill, bereits sechsmal standen sich beide Seiten seit dem Jahr 2007 in der europäischen Königsklasse gegenüber. Und auch im Aufeinandertreffen 2023 in Wien möchten die Wetzlarer im siebten Duell ihre weiße Weste gegen Meaux gerne behalten. Bekannte Gesichter im Team sind Routinier Audrey Carol oder der australische Nationalspieler Luke Pople. Aber auch der dreifache Champions League Sieger aus dem Großraum Paris wartet mit ehemaligen RBBL-Akteuren auf. So zum Beispiel mit dem Niederländer Patrick de Boer, der in Deutschland bereits das Trikot des RSC Osnabrück und der Wiesbadener getragen hat, oder dem zweiten Australier Jontee Brown, der schon einmal bei den Köln 99ers unter Vertrag stand.
Sportliche Ziele
Ein Club, der in seiner 20. Saison in Folge in der europäischen Königsklasse steht, der in 19 Jahren 18-mal unter den Top Four stand, elfmal ins Endspiel einzog und sieben Mal den Titel nach Mittelhessen bringen konnte, hat in der Definition seiner sportlichen Ziele wenig Spielraum. Natürlich wollen Tommy Böhme & Co. eine Runde weiterkommen und ebenso natürlich ist das Fernziel Nijmegen. Alles andere wäre wenig glaubhaft für den Rekord-Champion, der auch in der RBBL den Platz an der Sonne behauptet. Doch die Nuancen, die den Ausschlag geben, ob man in Wien bereits einen achten Titelgewinn abschreiben muss oder man später das Ticket für das Final Four 2023 buchen kann, sind auf diesem Niveau minimal. Insbesondere, die sich beim RSV seit Oktober durchziehenden Ausfälle durch Verletzungen und Erkrankungen, können hier ein Zünglein an der Waage sein. Was in der RBBL Woche für Woche noch zu kompensieren scheint, kann am kommenden intensiven Wochenende schon zur alles entscheidenden Stolperfalle werden. Umso wichtiger, dass der RSV Lahn-Dill besonnen und konzentriert an die Aufgabe herangeht und sich seine Kräfte gut einteilt.
Aktuelle Lage
Schon heute ist allerdings klar, dassguten Nachrichten für Cheftrainerin Janet Zeltinger und ihren „Co“ Günther Mayer. Auch Physiotherapeut Daniel Schmidt und Geschäftsführer Andreas Joneck müssen für die Dienstreise an die Donau passen, die beiden Wetzlarer haben sich zuletzt einen Kreuzbandriss bzw. einen Fußbruch zugezogen und werden die Spiele via Livestream von zuhause aus verfolgen müssen.
Unabhängig davon ist der RSV Lahn-Dill in Wien gut aufgestellt und für alle Notfälle gewappnet. Insgesamt besteht die Delegation der Hessen aus 20 Personen und neben Spielern und Trainerstab aus Techniker Holger Wagner, Physiotherapeut Philip Schmitz, Teambetreuerin Larissa Klaas, Fotograf Armin Diekmann sowie im organisatorischen Bereich aus den Geschäftsstellen-Mitarbeitern Lisa Keiner und Niclas Schubert sowie Michael Krayl. Auch Management-Mitglied Sven Köppe wird in Wien vor Ort das Abschneiden des RSV Lahn-Dill live verfolgen.
Historie
Die europäische Königsklasse, gestartet 1976 als West European Cup, geht in diesem Jahr in ihre 48. Spielzeit. Bisher konnten sich 18 verschiedene Teams in die Siegerlisten eintragen, angefangen vom Premieren-Champion ISA Amsterdam bis zum Titelträger des Vorjahres, dem spanischen Erstligisten BSR Amiab Albacate. Je fünfmal triumphierten der BC Verkerk Zwijendrecht und Galatasaray Istanbul, der Rekordsieger ist mit inzwischen sieben Titeln seit dem Jahr 2015 aber der RSV Lahn-Dill. Die Wetzlarer Rollis zogen erstmals 2004, als damals erstes deutsches Team überhaupt, in ein Finale ein und bestiegen dabei im Endspiel von Madrid den Thron. Insgesamt bestritt der RSV Lahn-Dill bis heute 143 internationale Pflichtspiele gegen Teams aus 18 Nationen und allen Kontinentalverbänden der IWBF. Stolze 108 dieser Partien beendete die Mittelhessen als Sieger, nur 35 gingen verloren, darunter jedoch auch vier Champions League Endspiele.
PM: RSV Lahn-Dill | Foto: Armin Diekmann