Mein erstes Mal … | Mein erstes Länderspiel

Vor vier, fünf Jahren haben wir uns für unsere Printausgabe in regelmäßigen Abständen bei den Rollstuhlbasketball-Protagonisten über ihr erstes Mal erkundigt. Wie Heike Friedrich, Nicolai Zeltinger, Urs Rechtsteiner, Luca Fischer und Tarik Cajo ihr Länderspiel-Debüt erlebt haben, haben uns die Damen und Herren im Juni 2016 für unser Baby Nummer elf verraten.

 

Urs Rechtsteiner (SABRES Ulm)

Mein erstes Länderspiel … in der U22-Nationalmannschaft war gegen das Jugendteam Frankreichs bei einem gemeinsamen Trainingslager der beiden Nationen 2016. Als wir die Halle betraten war sie recht voll – und der Lärmpegel entsprechend hoch. Die Kulisse war für mich sehr beeindruckend, da ich nie zuvor vor so vielen Menschen gespielt hatte. Ich spürte die Nervosität deutlich in mir. Der erste richtige Gänsehautmoment war, als die Anfangstöne der deutschen Nationalhymne erklungen. Es wurde mir deutlich bewusst, dass ich im Auftrag Deutschlands auf dem Feld „stehe“. Der nächste Adrenalinschub erreichte meinen Körper, als mir gesagt wurde, dass ich jetzt eingewechselt werden würde. Diesen Schub konnte ich glücklicherweise nach kurzer Zeit auf dem Feld in positive Energie umwandeln. Ab diesem Moment wusste ich, dass sich die harte Arbeit gelohnt hatte, um ab sofort für die U22-Nationalmannschaft zu spielen.“

 

Heike Friedrich (Mainhatten Skywheelers)

Mein erstes Länderspiel … war gegen die Niederlande 2009. Mir ist besonders in Erinnerung geblieben, dass man Gegner einfach fliegen lassen kann ohne etwas gemacht oder darauf Einfluss genommen zu haben. Gedanklich haften geblieben ist auch mein erster Block und Korb im Deutschland-Jersey. Sehr wichtig war auch, tolle Mitspieler zu haben, die mich sofort integriert und unterstützt bzw. im Match geschickt haben. Einem Länderspiel-Frischling würde ich für das erste Mal raten: Höre auf die Hilfen deiner Mannschaftskameraden, vertraue dir und dem Team. Genieße die Atmosphäre und versuche ruhig zu bleiben.“

 

Nicolai Zeltinger (Bundestrainer Herren)

Mein erstes Länderspiel … hatte ich als Assistant Coach mit der kanadischen Nationalmannschaft gegen die USA in Lakeshore. Aber das erste Länderspiel, das ich als Bundestrainer für Deutschland bestreiten durfte, ist weiterhin einer der größten Momente in meiner sportlichen Karriere. Ich war tatsächlich sehr aufgeregt, obwohl ich kurz zuvor aus einer Saison mit über 50 Spielen gekommen war. Anlässlich des Hessentages haben wir am 18. Juni 2011 vor einer stattlichen Zuschauerkulisse gegen starke Türken gespielt. Ich erinnere mich, wie wir uns in den vielen Trainingsstunden von März bis Juni auf unsere Defense eingeschworen haben. Intelligent, aber physisch. Und ich denke gerne daran zurück,  wie viel Spaß wir als Team mit unserer Verteidigung hatten und den Türken lediglich 54 Punkte gestatteten. Das war ein gelungener Auftakt, zumal alle unsere Spieler – bis auf Björn Lohmann – scoren konnten. 63 Punkte in Summe. Ich erinnere mich gerne zurück an Sebastian Wolk, der als Kapitän dieses 2011er Team immer so wunderbar leidenschaftlich und humorvoll geführt hat. Dennoch war ich so nervös, dass ich unsere Nationalhymne nicht wirklich genießen konnte, wie ich es mir vorher ausgemalt hatte. Ich war unentwegt am prüfen, ob für das erste Spiel alles korrekt vorbereitet war. Angefangen von der anständigen Aufstellung der Spieler bei der Hymne bis dahin, dass jeder sein richtiges Trikot hatte. – Einem Länderspiel-Rookie rate ich, zu genießen.

 

Luca Fischer (RSV Bayreuth)

Mein erstes Länderspiel … habe ich 2011 in Kanada im Zuge der U25 Weltmeisterschaft bestritten. Der Gegner hieß Japan. Ich hatte damals keinen  Heimatverein und wurde zur Nationalmannschaft eingeladen. Das war absolutes Neuland für mich. Vor allem weil ich als 13-Jährige ohne meine Eltern nach Kanada geflogen bin. Ich wurde sogar eingewechselt. Dabei ist mir ein Augenblick ganz besonders in Erinnerung geblieben, und zwar ein getroffener Freiwurf. Das war etwas Besonderes, da ich vorher noch nie einen Freiwurf versenkt hatte.“

 

Tarik Cajo (Baskets 96 Rahden)

Mein erstes Länderspiel … war gegen Großbritannien  beim VisaCup 2005 in Manchester. Dabei ist mir ganz besonders das Gänsehautgefühl bei der deutschen Nationalhymne in Erinnerung geblieben. Es spielte sich ein kleiner Film in meinem Kopf ab „Ich, der Tarik, der als 14-jähriger Junge mit einer Rückenverletzung aus dem Bosnienkrieg 1993 nach Deutschland kam, ist jetzt hier und darf das Trikot seines neuen Heimatlandes tragen!“. Mein Herz war erfüllt mit Stolz. Der Brite Terry Bywater war damals schon ein Star, ein Spieler, der jederzeit ein Match entscheiden konnte. Früher gab es sehr wenig gut ausgebildete Trainer im Rollstuhlbasketball, was dazu führte, dass viele Spieler nicht einmal die Basics beherrschten. Das war für mich der Anlass, Trainer zu werden, um meine Erfahrung an die jungen Nachwuchsspieler weiterzugeben. Ich würde einer „Länderspiel-Jungfrau“ raten, sich kleine und realistische Ziele zu setzen und diese konsequent  zu verfolgen.“

 

Text: Martin Schenk | Foto: Steffie Wunderl

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