Wie sich die Manager, Trainer und Veranstalter im deutschsprachigen Raum nach der Absage der Euro- und Champions-League-Wettbewerbe fühlen und welche Sichtweise sie teilen, haben wir bei den betroffenen Klubs in Erfahrung gebracht:
Mirko Korder (Rhine River Rhinos)
„Gestern um die Mittagszeit erhielten wir eine Mail von der Internationalen Spielleitung mit der Information, dass alle Euro- und Champions-League-Vorrunden im März gecancelt wurden – inklusive der zugehörigen Pressemitteilung von IWBF Europe Präsident Walter Pfaller. Hieraus wurde ersichtlich, dass die IWBF Europe diese schwere Entscheidung aufgrund der aktuellen Corona-Virus-Entwicklungen und den daraus resultierenden Sicherheitsbedenken in Absprache mit den entsprechenden Verbänden und unter Berücksichtigung der jeweiligen Situationen in den einzelnen teilnehmenden Ländern zum Schutz der Athleten, der Offiziellen und der Basketball Community insgesamt, getroffen hat. Wenngleich wir die Folgen sehr bedauern, sind wir natürlich sicher, dass diese Entscheidung nicht leichtfertig, sondern wohl überlegt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände getroffen wurde und die genannten Gründe zutreffend sind. Der IWBF Europe ist hier definitiv kein Vorwurf zu machen, denn sie sind hier, meiner persönlichen Einschätzung nach, lediglich ihrer Verantwortung nachgekommen. Erschwerend hinzu kommt, dass so ein Szenario sicher nicht tagtäglich für die betreffenden Entscheidern ist und man auch nicht für alle Eventualitäten einen passenden Plan B in der Schublade haben kann. Es gibt wohl kein gutes Timing für solch ein Ereignis. Allerdings ist das für die Rhinos jetzt besonders bitter, da wir gerade in der aktuellen Saison über eine sehr leistungsfähige Mannschaft verfügen, alle hochmotiviert sind und an das Erreichen einer Finalrunde fest geglaubt haben. Aber nun warten wir erstmal ab, denn so wie aus der Pressemitteilung zu entnehmen war, ist – zumindest vorerst – nicht das ganze Turnier abgesagt. Wir hoffen, dass sich in den nächsten Tagen eine Lösung finden lässt.“
Josef Jaglowski (Baskets 96 Rahden)
„Ich denke, dass diese Entscheidung entsprechenden Mut erfordert hat. Natürlich müssen die Verantwortlichen die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln beurteilen. Die Hauptsache ist jedoch, dass die Gesundheit und nicht die persönlichen Ziele im Vordergrund stehen. Wir in Rahden haben uns hervorragend auf die Euro League vorbereitet, und plötzlich ist alles auf null zurückgesetzt. Wir hoffen, dass sich die aktuellen Umstände möglichst schnell ändern und wir bald auf der europäischen Bühne werden spielen können.“
Nicolas Hausammann (Pilatus Dragons)
„Ich kann die Entscheidung durchaus verstehen. Diese hätte jedoch bereits vor mindestens einer Woche getroffen werden müssen. Für uns als Ausrichter zu diesem Zeitpunkt, nachdem es mehrmals hieß, „proceed with your preparations“, eine bittere Pille! Wir haben beispielsweise das ganze Turnier aus der Rehaklinik Nottwil in eine andere Sportstätte umzuplanen begonnen. Andererseits schaue ich gerade DFB-Pokal vor vollen Rängen.“
Matthias Wastian (Interwetten/Coloplast Sitting Bulls)
„Die Interwetten/Coloplast Sitting Bulls sind sehr, sehr traurig über die Absage sämtlicher Europacup-Vorrunden im März, wir hatten uns schon sehr auf einen tollen sportlichen Wettkampf zuhause in Österreich gefreut. Die IWBF Europe hat sich die Entscheidung sicherlich nicht leicht gemacht, und man muss respektieren, dass die große Anzahl der einflussnehmenden Player diese Entscheidung definitiv sehr komplex gemacht hat. Kollegen meiner Arbeitsgruppe beschäftigen sich sehr aktiv mit Analysen und Szenarien der Ausbreitung des Coronavirus [1]. Und auch wenn aus wissenschaftlicher Sicht wohl lediglich die Teilnahme von Padova, einer deutlich betroffenen Stadt, in Nottwil, wo die EuroLeague in einem Krankenhaus mit vielen Risikopersonen und potentiellen Superspreadern stattfinden hätte sollen, als kritisch zu bewerten ist, so muss man auch Folgendes berücksichtigen: Einzelne Teams hätten wohl von sich aus so oder so aus Angst von einer Teilnahme abgesehen, andere Teams hätten aufgrund massiver Reisebeschränkungen wohl nicht teilnehmen können, wie beispielsweise die restriktiven heute in Israel beschlossenen Bestimmungen belegen. Lauter Vorrundengruppen mit 2 bis 4 Teams wären unserer transeuropäischen Bewerbe auch nicht würdig. Es bleibt zu hoffen, dass es in Europa gelingt Infektionen bei Kranken und Alten möglichst zu verhindern und auch nicht zu vergessen, dass die Grippe jedes Jahr weitaus mehr Todesopfer in Europa fordert als bisher COVID-19 bei gleichzeitig deutlich weniger Panik. Für uns wie für alle andere Rollstuhlbasketballvereine in Europa gilt es jetzt trotzdem positiv nach vorne zu sehen, Alternativlösungen für die Europacupbewerbe zu evaluieren, den wirtschaftlichen Schaden zu minimieren und weiterhin Spaß an unserem Sport zu haben.“
[1] https://www.derstandard.at/story/2000115331525/computermodell-simuliert-corona-ausbreitung-in-oesterreich
Foto: Steffie Wunderl