Es muss Anfang Juli gewesen sein, als bei 99ers-Center Thomas Reier das Handy klingelte und sich Bundestrainer Nicolai Zeltinger am anderen Ende der Leitung zu Wort meldete. Was folgte, war die Einladung des 22-Jährigen zur Australien-Reise des Team Germany, die aufgrund einiger Coronafälle Ende Juli frühzeitig abgebrochen werden musste. Unabhängig davon nahm sich der 4,5-Punkte-Mann – zwischen Kofferpacken, Flugzeugbesteigen, Hotel-Check-in und Training – die Zeit, uns einige Fragen zu beantworten.
Thomas, herzlichen Glückwunsch nachträglich zur Berufung in den Nationalkader für die Dienstreise nach Australien. Wie hast du von der Nominierung erfahren? Und was wurde dir gesagt?
Vielen Dank! Nicolai Zeltinger hat mich an dem Abend angerufen, als wir mit der U23-Nationalmannschaft aus Israel gekommen sind. Er sagte mir, dass er mich gerne bei der Länderspielreise dabeihätte.
Was waren deine ersten Gedanken?
Ich war superglücklich und fühle mich gleichzeitig absolut für diesen großen Schritt bereit.
Und mit wem hast du deine Freude geteilt?
Ich habe das sofort meiner Familie, meiner Freundin und meinen Bros erzählt. Sie haben sich alle sehr gefreut und sind stolz auf mich.
Hol uns kurz ab: Wie bist du zum Rollstuhlbasketball gekommen?
Das erste Mal Kontakt zum Rollstuhlbasketball hatte ich bei den Rollikids in Bonn mit Ute Herzog. Danach bin ich über die Rollstuhlbasketball AG der LVR Anna-Freud-Schule in Köln zu den RBC Köln 99ers gekommen. Mein Coach damals war Herr Zelinski.
Was fasziniert dich an dieser Sportart?
Teamgeist, Speed, Taktik und es ist halt einfach Basketball – der beste Sport der Welt.
Wie sieht eine normale “Thomas-Reier-Woche” aus? Wie müssen sich die Fans deine Trainingswoche vorstellen?
Aktuell in der vorlesungsfreien Zeit habe ich von Montag bis Freitag jeweils vormittags 2 Stunden Individualtraining. Dienstags, mittwochs und freitags habe ich abends 2 bis 3 Stunden Teamtraining. Dazu gehe ich nachmittags oder abends viermal pro Woche ins Gym.
Wenn du dich selbst als Spieler beschreiben müsstest, welches Bild würdest du zeichnen?
Junger, talentierter und ehrgeiziger Spieler, der sich weiterentwickeln will.
Was ist deine absolute Stärke auf dem Court?
Shooting, Vision, Speed & Passing.
Zu guter Letzt: Welche drei Gegenstände, neben den Dingen des täglichen Bedarfs, wie Zahnbürste, Klamotten & Co., waren in deinem “Australien-Koffer” zu finden?
Jordans, Beats & Supplements.
Danke dir, Thomas.
Im Mai 2020 ordneten Sedat Özbicerler, Thorsten Schmid und Martin Kluck den 4,5-Punkte-Mann – im Rollt. Rookie-Report – wie folgt ein:
Sedat Özbicerler (Manager RBC Köln 99ers): „Thomas ist ein sehr ehrgeiziges junges Talent, der ein sehr feines Händchen hat und schon mit einer beachtlichen Treffsicherheit aufwarten kann. Gerade in dieser Saison hat ihn seine Verletzung ziemlich mitgenommen. Umso mehr hat er alles dafür getan, möglichst schnell wieder fit zu werden, um wieder ins Mannschaftstraining einsteigen zu können. Seine sportliche Zukunft hängt sicher auch von vielen äußeren Faktoren ab, aber wenn er sich in dem Maße weiterentwickelt wie bisher, sollten ihm alle Türen offenstehen.“
Thorsten Schmid (Headcoach Ulm): „Ein unfassbarer guter Spieler mit einem super Wurf und enormen Speed. Er kann eine Mannschaft besser machen und spiele entscheiden. Er ist ein Scorer und guter Verteidiger. Er hat Ecken und Kanten, womit er schon mal innerhalb einer Gruppe polarisiert. Aber ich weiß, dass er an sich arbeitet und hoffentlich seine positive Entwicklung in den letzten Monaten beibehält und fortsetzt.“
Martin Kluck (Ex-U19-Nationaltrainer): „Thomas verfolge bzw. begleite ich schon einige Jahre. Er ist eines der größten Talente in seiner Klassifizierung und seinem Alter in Deutschland. Manchmal gehen mit ihm die Pferde etwas durch. Er muss lernen an seiner Selbstorganisation und Disziplin zu arbeiten. Talent und Körper bringt er jede Menge mit, um irgendwann in der Bundesliga für Furore zu sorgen. Klasse Wurf, gutes Rollstuhlhandling. An den Basics arbeitet er in Köln zusammen mit Matt und bei der U19 weiter intensiv.“
Interview: Martin Schenk | Foto: Uli Gasper