Rollt.-Herausgeber Martin Schenk über die Ernennung Michael Engels zum neuen Herren-Bundestrainer.

Eine stimmige Wahl

Michael Engel heißt der neue Bundestrainer der Herren. Wer mich kennt, der weiß, dass ich Sympathien für den ehemaligen Bulls-Trainer hege. Von daher ist meine Sichtweise auf diese Personalentscheidung leicht eingefärbt. Meine Sympathien haben einen einfachen Grund: Micha ist ein Player’s Coach. Ein Trainer, der den Athleten hinter die Stirn schaut, ihnen zuhört, zwischen den Zeilen liest, auf deren Gefühlswelt achtet und unterschiedliche, situationsbezogene Ansprachen findet, um das Beste fürs Team und aus dem Spieler herauszuholen. Diese empathischen Attribute benötigt ein Leader heutzutage, um eine Mannschaft und Individuen zusammenzuschweißen und anzuführen. Er muss “Einzelteile” zu einer funktionierenden Einheit formen. Taktisches Verständnis, Analysefähigkeit und das Spiel lesen können, gehören zum selbstverständlichen Rüstzeug und Standard-Werkzeugkasten eines guten Coaches. Engel wird in den kommenden Wochen und Monaten beweisen müssen, was er im Stande ist, an der Seitenline und Off-court, zu leisten. Er wird dies, so wie ich ihn einschätze, sportlich nehmen und als Chance sehen, mit seinem Stab – und darüber hinaus – Neues zu implementieren. Neues heißt vor allem Kommunikation auf Augenhöhe – mit den Spielern, dem Verband, den Vereinen, den Landestrainern und allen anderen Stakeholdern. Eine austarierte und ehrliche Kommunikation ist das A und O, um Ziele zu erreichen und Menschen abzuholen.

In Thüringen, so kritische Vorab-Stimmen, wäre mit dem vorhandenen Spielermaterial jeder Trainer Meister geworden. Das mag sein. Aber auch ein gutes Orchester muss dirigiert, zusammengestellt und bei Laune gehalten werden. Das ist die hohe Kunst bzw. Königsdisziplin des Coachings und der “Menschenführung”. Und dass Engel nie selbst Rollstuhlbasketball gespielt und – wie schon sein Vorgänger – Fußgänger und kein Rollifahrer ist, mag den ein oder anderen “Rollstuhl-Blick” verbauen, hat aber in einer Welt, in der das Thema “Inklusion” dauerproklamiert wird, nur bedingt Strahlkraft.

Dass sich der Familienvater mit Seb Wolk den aktuellen U19-Natio-Trainer zur Seite holt und Martin Kluck weiter mit Regie führt, macht Sinn. Der ruhige, korrekte und analytische Füchse-Coach bildet einen sachlichen und gut vernetzten Gegenpol zum eher emotionalen Duo Engel und Wolk. Das könnte, wenn alle an einem Strang ziehen, sehr gut passen.

Einige Fans haben sich auch einen Trainer aus dem Ausland gewünscht – einen “Systemfremden” sozusagen. Auch das hätte Charme gehabt, wäre aber – so meine Meinung – in der Kürze der Zeit nicht zu realisieren gewesen. Aus dieser, wie auch aus sportlicher, strategischer und menschlicher Sicht, ist die Personalie Michael Engel stimmig. Die Community darf gespannt sein, wie sich Engel schlägt und welch kurz- und langfristigen Impulse er auf und abseits des Parketts setzen wird. Denn wie steht’s schon in der Bibel: “An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!”

Text: Martin Schenk | Foto: Franziska Möller

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