9. Juni 2021 | Nach dem Abgang von Martin Otto als Bundestrainer der Damen haben wir dem Vorstand des DRS-Fachbereichs Rollstuhlbasketball und der Kapitänin der Nationalmannschaft, Mareike Miller, Fragen zukommen lassen. Mit dem Ex-Bundestrainer haben wir ein Interview geführt.

Der Vorstand des Fachbereichs ließ uns per E-Mail wissen, dass die Zusammenarbeit mit Martin Otto stets vertrauensvoll, jedoch nur punktuell (insbesondere in personellen Angelegenheiten) war und wir unsere Fragen an den DBS als zuständigen Arbeitgeber richten mögen. Unsere Fragen haben wir am gestrigen Dienstag (8. Juni 2021) dem DBS zukommen lassen. Der Verband teilte uns daraufhin mit, dass Personalentscheidungen grundsätzlich nicht kommentiert werden. Die Fragen an den DRS resp. den DBS sind unten aufgeführt.

Mareike Miller ließ unsere Fragen unbeantwortet; ließ uns aber – in Verbindung mit einer ausführlichen Mail – ein von der gesamten Mannschaft abgestimmtes Statement zukommen. Die Fragen an die Team-Kapitänin sowie das Statement sind ebenfalls weiter unten aufgeführt

Mit Martin Otto haben wir ein Interview geführt (siehe unten).

Unser Fokus lag und liegt auf einer objektiven und sachlichen Berichterstattung. Um dies sicherzustellen, werden Statements, autorisierte Antworten und Interviews immer erst dann veröffentlichen, wenn uns alle Informationen vorliegen.

Martin Schenk

Rollt.-Herausgeber

 


 

Fragen an die DRS-Fachbereichsspitze:

  • Ist es richtig, dass es innerhalb des letzten Nationalmannschaftslehrgang der Damen einen Verstoß gegen die Corona-Auflagen bzw. das Hygienekonzept des DBS/des Verbandes gab?
  • (Wenn ja) Wie wurde dieser Verstoß festgestellt?
  • (Wenn ja) An welche verantwortliche Stelle wurde dies zuerst gemeldet?
  • Aus der Fachbereichsmitteilung, dass Martin Otto nicht mehr Bundestrainer der Damen ist, geht nicht hervor, was die Gründe der Trennung waren. Von daher die Frage: Warum ist Martin Otto nicht mehr Bundestrainer der Damen?
  • Habt ihr davon Kenntnis, dass es innerhalb der Damen-Nationalmannschaft der Damen eine Vertrauensabstimmung für bzw. gegen Martin Otto gab, wie es der Rhein-Sieg-Anzeiger vom 2. Juni 2021 beschreibt?
  • (Wenn ja) Wurden euch die Gründe vom Team oder der Kapitänin genannt?
  • Wurden euch – während eurer Amtszeit und vor dem Abgang Martin Ottos – Unzufriedenheiten mit der Arbeit Martin Ottos von Seiten der Damen-Nationalmannschaft zugetragen?
  • (Wenn ja) Gab es vor der (möglichen) Vertrauensabstimmung schon Gespräche mit Martin Otto, um „Defizite“ abzustellen oder Unzufriedenheiten innerhalb des Teams mit ihm zu besprechen?
  • Im Rhein-Sieg-Anzeiger vom 2. Juni 2021 ist zu lesen, dass Martin Otto keine Rückendeckung vom Verband bekommen hat. Was sagt ihr dazu?

Fragen an Mannschaftskapitänin Mareike Miller:

  • Ist es richtig, dass es innerhalb des letzten Nationalmannschaftslehrgang der Damen einen Verstoß gegen die Corona-Auflagen bzw. das Hygienekonzept des DBS/des Verbandes gab?
  • (Wenn ja) Wie wurde dieser Verstoß festgestellt?
  • (Wenn ja) Wurde dieser Verstoß und dessen mögliche Konsequenzen innerhalb bzw. mit der ganzen Mannschaft besprochen?
  • (Wenn ja) An welche verantwortliche Stelle wurde dieser Verstoß zuerst gemeldet?
  • Ist es richtig, dass es, wie im Rhein-Sieg-Anzeiger vom 2. Juni 2021 erwähnt, innerhalb der Mannschaft eine Vertrauensabstimmung für bzw. gegen Martin Otto gab?
  • (Wenn ja) Welche Gründe wurden dir als Kapitänin genannt?
  • (Wenn ja) Wurden diese Gründe Martin Otto vorab vorgetragen?
  • (Wenn ja) Wie viele Spielerinnen haben sich vor dieser Abstimmung bei dir über den Trainer beschwert?
  • Gab es vor der (möglichen) Vertrauensabstimmung schon Gespräche mit Martin Otto, um „Defizite“ abzustellen oder Unzufriedenheiten innerhalb des Teams mit ihm zu besprechen?
  • Im Rhein-Sieg-Anzeiger vom 2. Juni 2021 spricht Martin Otto davon, dass zwei Spielerinnen den Rest des Teams unter Druck gesetzt hätten. Was sagst du dazu?

Fragen an den DBS:

  • Ist es richtig, dass es innerhalb des letzten Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaftslehrgang der Damen – unter der Ägide Martin Ottos – einen Verstoß gegen die Corona-Auflagen bzw. das Hygienekonzept des DBS gab?
  • (Wenn ja) Wie wurde dieser Verstoß festgestellt? 
  • Aus der mit dem DBS abgestimmten DRS-Fachbereichsmitteilung, dass Martin Otto nicht mehr Bundestrainer der Damen ist, geht nicht hervor, was die Gründe der Trennung waren. Von daher die Frage: Warum ist Martin Otto nicht mehr Bundestrainer der Damen? 
  • Hat der DBS davon Kenntnis, dass es innerhalb der Damen-Nationalmannschaft eine Vertrauensabstimmung für bzw. gegen Martin Otto gab, wie es der Rhein-Sieg-Anzeiger vom 2. Juni 2021 beschreibt? 
  • (Wenn ja) Wurden dem DBS die Gründe vom Team oder der Kapitänin genannt? 
  • Wurden dem Verband – während der Amtszeit Martin Ottos – Unzufriedenheiten mit der Arbeit des Bundestrainers von Seiten der Damen-Nationalmannschaft oder anderer Seite offiziell zugetragen? 
  • (Wenn ja) Gab es Gespräche mit Martin Otto, um „Defizite“ abzustellen oder Unzufriedenheiten mit ihm zu besprechen? 
  • Im Rhein-Sieg-Anzeiger vom 2. Juni 2021 ist zu lesen, dass Martin Otto keine Rückendeckung vom Verband bekommen hat. Was sagt der DBS dazu? 

 


 

Abgestimmtes Statement der Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft der Damen:

„Wir danken Martin für sein 5-jähriges Engagement in dem er uns gefördert und unterstützt hat. Sein Wissen und seine Erfahrung hat uns stark verbessert. Nichts desto trotz haben sich leider Unstimmigkeiten gehäuft, wir können uns keinen gemeinsamen Weg nach Tokio mehr vorstellen. Dies war und ist eine schwere und emotionale Situation für uns, und wir hoffen, dass sowohl er und seine Familie als auch wir als Team nach vorne blicken und mit voller Kraft in alles was nun kommt stürzen können.“

 


 

Interview mit Ex-Bundestrainer Martin Otto

 

„Es ist traurig, dass es dazu kommen konnte.“

Martin Otto äußert sich nach seinem Abgang als Nationaltrainer der Damen über Gründe für die Trennung von der Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft, die mangelnde Unterstützung des Verbandes, die erzielten Ergebnisse in den letzten Jahren und seinen Abschied vom Rollstuhlbasketball  

  

Martin, Hand aufs Herz, wie fühlst du dich gerade?  

Ich fühle mich jetzt besser, Danke.  

 

Tokio steht vor der Tür, die Mannschaft wurde von dir zusammengestellt und plötzlich bist du nicht mehr Trainer des Team Germany …  

Für mich fühlt es sich wie ein Kollateralschaden der Corona-Pandemie an. Es gab Probleme wegen des Hygienekonzepts. Am Ende des letzten Lehrgangs wurde ich von einer der Kapitäninnen auf das Hygienekonzept beim Lehrgang angesprochen. Und nach dem Gespräch war ich davon ausgegangen, dass es geklärt war – da es auch bei dem Lehrgang nicht mehr thematisiert wurde. Offensichtlich hat sich dann eine Eigendynamik bei den Spielerinnen entwickelt – auch durch internen Druck. Was folgte war ein Mannschaftsbeschluss, dass die Mannschaft aufgrund dessen kein Vertrauen mehr habe, der mir und unserer Teamärztin Claude Weynandt per Zoom-Meeting vergangenen Sonntag (30. Mai, Anm. d. Red.) mitgeteilt wurde. Leider wurde uns zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit gegeben, mit dem ganzen Team über die Probleme wegen des Coronakonzepts zu reden. Es ist traurig, dass es dazu kommen konnte. 

  

Dies hatte zur Folge …  

Dass unter diesen Voraussetzungen auch von meiner Seite aueine weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich war.  

   

Was hättest du dir in den letzten Tagen und Wochen gewünscht, und zwar vom DRS, vom Team und vom DBS?  

Eine gemeinsame Besprechung mit der gesamten Mannschaft und Staff, um alle Themen und interne Probleme zu besprechen, hat nicht stattgefunden. Natürlich habe ich im Anschluss mit den Mitgliedern des Staffs gesprochen, sie sind ebenfalls fassungslos. Eine Unterstützung vom Verband habe ich nicht erfahren.  

 

Gib uns doch einen kurzen persönlichen Rückblick auf deine Zeit als Trainer der Damen. Coaches werden ja immer an Ergebnissen gemessen. Wie fällt dein persönliches Fazit aus?  

Nur die kühnsten Optimisten hätten nach dem gewaltigen Umbruch nach 2016 damit gerechnet, dass mein Team die Erfolgsgeschichte ohne Einbruch fortsetzten würde. Bei den letzten drei großen Events, der EM 2017 in Teneriffa, der WM 2018 in Hamburg und der EM 2019 in Rotterdam, haben wir jedes Mal eine Medaille gewonnen. Schon im Vorfeld der Paralympics in diesem Jahr habe ich gesagt, dass die Mannschaft um die Goldmedaille spielen kann. Und ich bin davon überzeugt, dass sie auf jeden Fall eine Medaille holen wird. Alle Voraussetzungen wurden dafür von mir im Vorfeld geschaffen.  

 

Was noch?  

Ich habe dafür gesorgt, dass die Mannschaft mit EMS Suits (Elektrostimulationsgeräte bzw. -anzüge, Anm. d. Red.) und regelmäßigem Training versorgt wird. Weiterhin wurden Handbikes und spezielle Bemer-Matten zur Regeneration angeschafft. Das Team befindet sich auf einem innovativen und dem modernsten Stand. Es gibt nun keine Sorge mehr eines vermeintlichen athletischen Nachteils gegenüber anderen Nationen. 

  

Und auf dem Court?  

Auch im taktischen Bereich wurden bei den letzten beiden Lehrgängen die Weichen für einen neuen Weg in Hinblick auf Tokio gestellt, dass z. B. mit einer deutschen Damennationalmannschaft selbst aktiv Presse gespielt werden wird. Ich habe bewusst mit unterschiedlichen Line-ups darauf hingearbeitet und nicht andere Inhalte in den Vordergrund gestellt, z. B. wie wir uns gegen eine Presse verteidigen. Somit sollte die Mannschaft unberechenbarer werden. Die ersten beiden Lehrgänge waren auf einem Topniveau, wie ich es vorher noch in keinem Lehrgang gesehen habe. Das ist unter anderem auch der Entwicklung einer Katharina Lang, einer Svenja Meyer und einer Catharina Weiß zu verdanken; der neu heranwachsenden, talentierten Garde. Ich bin stolz darauf, dass wir als gesamtes Team, all das nach dem Umbruch so aufbauen konnten. Ich danke ganz besonders Janet McLachlan als Co-Trainerin, die aus familiären Gründen im Frühjahr das Team verlassen hat. Auch Claude Weynandt, einer tollen Ärztin und sehr wertvollen Person, möchte ich ausdrücklich für ihr Engagement bei den Klassifizierungen danken; sie war eine unglaubliche Bereicherung für das Team – mit all ihrem Wissen, aber ganz besonders auch durch ihre Empathie und Wärme. Natürlich möchte ich allen weiteren Personen aus meinem Staff für die gute gemeinsame Arbeit danken, ohne die diese Erfolge nie möglich gewesen wären.  

   

“Seit 1987 ist Martin Otto auch im Rollstuhlbasketball aktiv”, heißt es auf Wikipedia. Mit dir verliert der Rollstuhlbasketball folglich einen langjährigen Baustein. Wo und wie siehst du deine basketballerische Zukunft?  

Nach einer sehr erfolgreichen Zeit als Spieler und Trainer mit gefeierten Meisterschaften und Pokalerfolgen im Rollstuhlbasketball, werden mir ganz besonders die beiden traumhaften Erlebnisse als Spieler bei den Paralympics in Sydney und Athen in Erinnerung bleiben. Die Eröffnungsfeier mit über 100.000 fröhlichen Zuschauern in Australien wird unvergessen bleiben. Nun werde ich dem Rollstuhlbasketball den Rücken kehren und freue mich auf einen freien Sommer mit meiner Familie und Freunden.  

 

Gibt etwas, dass du noch loswerden möchtest gegenüber den Fans bzw. der Community?  

Es gibt sehr viele wertvolle Menschen, die ich im Rollstuhlbasketball kennen lernen durfte. Diese Freundschaften werde ich weiterhin pflegen.  

  

Martin, ich danke dir.

 

Interview: Martin Schenk | Foto: Uli Gasper

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