Mit innerer Balance zu 100 Prozent | Kim Robins ist einer, der das Leben verstanden hat. Der nie müde wird, über sich selbst hinauszuwachsen.
Der australische Nationalspieler ist ein Mann in seinen besten Jahren. Das Jahr 2020 hat sein Glück mit der Geburt seines kleinen Sohnes vollkommen gemacht. Das Strahlen auf dem Gesicht des 32-Jährigen ist so groß, dass es nicht einmal von den Umständen der Corona-Pandemie getrübt werden kann. Als er mit dem Rollstuhlbasketball beginnt, ist er gerade mal sechs Jahre alt. Seine Eltern hatten einen Sportclub für Rollstuhlfahrer in Robins´ australischer Heimat Perth gefunden, und der junge Australier probiert nahezu alles aus, was der Club an Sport zu bieten hat: Vom Basketball über Athletik bis hin zum Tennis. Vor allem Tennis und Basketball haben es ihm angetan – beide Sportarten betreibt er im Alter von 18 Jahren professionell. Doch an den Rollstuhlbasketball hat Kim Robins sein Herz verloren, also beginnt er, sich ausschließlich darauf zu konzentrieren und darin die beste Version seiner selbst zu werden. Seine Voraussetzungen sind gut: Australien hat eine starke Liga, mit vielen ausgezeichneten Spielern.
Robins will Erfahrungen sammeln. Er will reisen, neue Länder kennenlernen und von den unterschiedlichsten Coaches lernen.
Also geht der 3 Punkte Spieler 2009 für ein Jahr nach Italien – das Land hatte in diesem Jahr eine starke Saison und gewann nahezu alles, was es zu gewinnen gab. Von 2010 bis 2011 zieht es Robins weiter zum FC Barcelona in Spanien. Nach einem Jahr Pause, das er seinem Studium an der australischen Edith Cowan University widmet, verschlägt es den Nationalspieler von 2012 bis 2013 erstmals nach Deutschland zu den Dolphins in Trier. Erneut nimmt er sich danach ein Jahr Auszeit vom Basketball, um seinen Bachelor abzuschließen. Es ist das letzte Jahr in dem er keinen Rollstuhlbasketball spielt, denn seit 2014 ist er – wortwörtlich – am Ball geblieben. „2014 hat es mich nach München zum USC gezogen“, erzählt Robins. Drei Jahre bleibt er dort, bis er 2017 zu den Münchner Iguanas wechselt. Bis heute spielt er mit ihnen in der Bundesliga.
Allerdings wäre Kim Robins nicht er selbst, wenn er damit bereits ausgelastet wäre. Parallel ist er nämlich noch immer in seiner Heimat Australien als Nationalspieler aktiv. „Wenn die Saison in Europa zu Ende ist, fliege ich normalerweise für vier Monate nach Hause, um dort einige Spiele in meinem alten Team zu spielen oder an Terminen mit der australischen Nationalmannschaft teilzunehmen.“ Kim Robins ist ein Spieler auf zwei Kontinenten. Fast pausenlos geht er das ganze Jahr über seiner Leidenschaft nach. Das Leben, das er führt, ist ein zeitlicher Balanceakt: „Wenn du deine innere Balance gefunden hast und deine Zeit sinnvoll investierst, bist du in der Lage, in jedem Lebensbereich, der wirklich für dich zählt, 100 Prozent zu geben.“
Das Wissen über den Rollstuhlbasketball, das er sich auf diese Weise über Jahre angeeignet hat, hat Robins letztendlich zu dem Top-Spieler gemacht, der er heute ist. Sein Stil auf dem Feld ist geprägt von Coaches aus Australien, Italien, Spanien und Deutschland. „Der größte Unterschied, den es beim Rollstuhlbasketball zwischen diesen Nationen gibt, ist der Stil des Spiels“, erklärt der 32-Jährige. „Italien und Spanien spielen eher High-Point, während Deutschland mehr den hybriden Midpoint-Style verfolgt“, fährt er fort. Ein besser oder schlechter gäbe es in seinen Augen aber nicht – alle drei Länder haben starke Ligen mit einer hohen Qualität. „Europa ist eine starke Rollstuhlbasketballnation und mir gefällt die Internationalität innerhalb der Mannschaften sehr. In den Teams sind Spieler aus den USA, Großbritannien, Kanada und Australien“, klärt Robins auf. In seinen Augen liegt ein Strahlen, wenn er von seiner Lieblingssportart spricht. „Rollstuhlbasketball ist meine Leidenschaft, und am Meisten liebe ich den Wettkampf. Er ist das, was mich antreibt“, erzählt er. Seine Worte sind voller Dankbarkeit: „Der Rollstuhlbasketball hat mir unzählige Möglichkeiten geschenkt und meinen Lebensweg stark geprägt. Durch den Sport habe ich in verschiedenen Ländern gelebt, habe die Welt bereist, hatte die großartige Möglichkeit zu studieren und durfte viele einzigartige Menschen kennenlernen.“
Einer der einzigartigen Menschen, die Kim Robins durch den Rollstuhlbasketball kennengelernt hat, ist seine große Liebe
An den Tag, an dem der australische Nationalspieler seine Frau Jess Robins zum ersten Mal gesehen hat, erinnert er sich noch ganz genau: „Es war in meiner ersten Saison in München. Sie kam während einem Spiel in die Halle, und als ich sie vom Feld aus gesehen habe, war mein erster Gedanke: Diese Frau will ich kennenlernen!“ In Robins‘ Gesicht liegt ein verliebtes Lächeln, während er davon erzählt. Die Sache hatte nur einen Haken: Jess Robins war zu diesem Zeitpunkt noch in einer Beziehung. Aber sie und Kim Robins freundeten sich an. „Einmal pro Jahr kam ich in die Schule, an der sie unterrichtet hat, und habe mit den Schülern über Rollstuhlbasketball, Behinderung und Inklusion gesprochen. Und zwei oder drei Jahre nach unserer ersten Begegnung war sie Single. Also habe ich sie gefragt, ob sie mit mir einen Kaffee trinken gehen will“, erzählt Robins glücklich. Die beiden verlieben sich ineinander, heiraten und gründen mit der Geburt ihres Sohnes 2020 eine kleine Familie. „Mit Jess an meiner Seite ist Deutschland zu meiner zweiten Heimat geworden“, sagt der frisch gebackene Familienvater.
Anfang des Jahres fängt Robins außerdem in München bei Microsoft einen Vollzeitjob an. Die flexiblen Arbeitszeiten ermöglichen es ihm, Beruf und sportliche Karriere unter einen Hut zu bekommen. Seine Trainings baut der Nationalspieler geschickt um seine Arbeitszeit herum: „Vor der Arbeit habe ich zwei Mal die Woche meinen Wurf trainiert und drei Mal die Woche trainiere ich abends für jeweils 3 Stunden mit den Iguanas im Team“, beschreibt er seinen Alltag. Das Wochenende ist meist komplett den Auswärtsspielen gewidmet. Der Job ist sein Ausgleich und gehört für ihn zu den Dingen, die ihn mental gesund halten. „Ich bin dankbar, neben dem Sport einen Beruf ausüben zu können, in den ich meine Zeit, Energie und Konzentration stecken kann“, erzäher.
Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat den Alltag des 32-Jährigen entschleunigt. Er arbeitet im Homeoffice und findet Wege, sein Training zu Hause fortzusetzen.
„Glücklicherweise leben wir auf dem Land und ich habe viele Möglichkeiten draußen zu trainieren“, sagt der Australier. Mit seiner Mannschaft bleibt er über Videoanrufe in Kontakt und das Nationalteam stellt sicher, dass seine Athleten weiterhin einer Routine nachgehen und ihr Fitnesslevel auf unverändertem Niveau halten können. Der Familienvater gewöhnt sich schon bald an diese neue Situation: „Ich glaube, wenn du mit einer Behinderung aufwächst, Sport machst und viel reist, lernst du, dich schnell an neue Gegebenheiten anzupassen. Und ich finde, Jess und ich haben einen guten Job darin gemacht, für uns das neue Normal herauszufinden und das Beste aus der Situation zu machen.“ Die beiden genießen es, wieder mehr Zeit füreinander zu haben und mit ihrer neuen Rolle als Eltern vertraut zu werden.
„Ich glaube, das Schlimmste am Lockdown ist, dass den Menschen von heute auf morgen die Dinge genommen wurden, die sie für selbstverständlich halten. Damit meine ich Dinge wie Reisen, auszugehen oder sich mit Freunden zu treffen. Das alles ging so schnell, dass sich niemand darauf vorbereiten konnte, und deshalb stellt Corona für so viele eine unglaubliche Herausforderung dar“, sagt Kim Robins. Er selbst vermisst am meisten den Kontakt und die Trainings mit seinem Team. Als das nach Monaten zum ersten Mal wieder möglich ist, ist das Gefühl unbeschreiblich: „Wir waren alle ganz aufgeregt, uns zu erzählen, was wir voneinander verpasst hatten und was nun unsere Pläne sind“, erzählt der Nationalspieler. Und lachend fügt er hinzu: „Das erste, was ich nach dem Lockdown gemacht habe, war, mit meinen Freunden in den Biergarten zu gehen!“
Wie die kommende Saison verlaufen wird, kann Robins nicht sagen: „Die Situation verändert sich so schnell, und es ist extrem herausfordernd für die Bundesliga und die Teams, unter diesen Voraussetzungen zu planen. Aus Spielerperspektive ist es zu schwer, zum jetzigen Zeitpunkt große Erwartungen an die neue Saison zu haben“, gibt der Australier zu.
Bis sich alles normalisiert, genießt Robins die Zeit mit seiner Frau und seinem Neugeborenen.
„Für meinen Sohn wünsche ich mir, dass er eines Tages eine Passion findet, in die er genauso viel Leidenschaft steckt, wie ich in den Rollstuhlbasketball“, sagt der Familienvater mit liebevollem Blick. „Jess und ich werden ihn auf seinem Weg immer unterstützen – egal ob er ihn im Sport, der Musik oder einer anderen Richtung geht. Ich bin einfach super gespannt, worin er seine Leidenschaft finden wird!“ Und ergänzend sagt Robins: „Solange er liebt was er tut, und nie aufhören will zu lernen, bin ich glücklich.“
Diese Aufgabe hat sich der Australier auch selbst zu Herzen genommen: „Für mich kommt es darauf an, hart zu arbeiten, stetig zu lernen und nie damit aufzuhören, über mich selbst hinauszuwachsen. Der Basketball hat mir beigebracht, nach diesen Werten zu leben, und sie lassen sich auch wunderbar auf meinen Beruf oder meine neue Rolle als Familienvater übertragen.“
Text: Jana Rudolf | Foto: Steffie Wunderl