Es ist eine Minute vor Zwölf. Es muss etwas passieren! Der Live-Ticker der Rollstuhlbasketball-Bundesliga ist ein trauriges Beispiel dafür, dass unser geliebter Sport noch weit hinter seinen großen Brüdern zurück hängt. Das Schlimmste: Klare Konzepte und Visionen sind nicht erkennbar, vielmehr betreiben die Beteiligten Finger-Pointing und verstecken sich hinter den Argumenten einer Randsportart, statt mit klaren Standards die Professionalisierung voranzutreiben.
Es ist rund ein Jahr vergangenen, als Rollt. mit einem Blog-Beitrag unter der Überschrift „Stell dir vor, es sind Playoffs – und alle wollen es sehen!“ jede Menge Hohn und Kritik aus den Reihen der Liga erntete, ja belächelt wurde. Zu diesem Zeitpunkt freuten wir uns über das große Interesse an der Sportart Rollstuhlbasketball, prangerten aber gleichzeitig die fehlenden Ergebnismeldungen zu den spannenden Playoff-Partien zwischen Trier, Lahn-Dill, Thüringen und Zwickau an. Weder auf der Liga-Homepage, dem Live-Portal Keyscout noch auf diversen Social Media auch nur ein Endergebnis zu den Halbfinal-Partien zu finden. Erst am nächsten Tag zur Mittagszeit hatten es die beteiligten Teams geschafft, ein Ergebnis auf Facebook zu teilen. Playoff-Halbfinale. Deutsche Meisterschaft. Bundesliga.
Auch rund 365 Tage später begleitet das Thema Informationsservice und Ergebnismeldung die Rollstuhlbasketball-Bundesliga auf Schritt und Tritt. Keine Frage, die Öffentlichkeitsarbeit der Vereine verbessert sich stetig – im Mittelpunkt steht das Online-Portal Keyscout und die Nutzung durch die Clubs. Fan-Umfragen machten bereits im November deutlich, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht: 73 Prozent aller Rollt.-Leser beurteilten Keyscout und die Nutzung mit der Note ausreichend und schlechter. 40 Prozent beziffern die miserable Qualität der Ergebnismeldung als Enttäuschung der Spielzeit 2014/15.
Professionalisierung erreicht man durch Standards
Die Grundlagen: Das Live-Scouting über den Partner Keyscout ist in der RBBL und der 2. RBBL-Süd verpflichtend – in der 2. RBBL-Nord dagegen nicht. Über die Notwendigkeit einer einheitlichen Professionalisierung durch Standardisierung ließen sich ganze Bücher schreiben. Warum sich die Vereine in der Nord-Staffel, anders als die Süd-Staffel entscheiden (dürfen), steht auf einem anderen, ebenso indiskutablem, Blatt Papier. Notwendig für das Live-Scouting sind ein Rechner, ein Internet-Anschluss und ein FTP-Server, der allerdings auch kostenfrei über Keyscout zur Verfügung steht. „Wir bieten den Vereinen zusätzlich eine Tastatur an, um das Handling beim Live-Ticker zu vereinfachen“, erklärt Johannes Weber, Geschäftsführer der GinITa mbH. Weber und sein Team betreiben seit 1996 Live-Scouting, haben Erfahrung aus der Basketball-Bundesliga und in der Zusammenarbeit mit Clubs wie ALBA Berlin oder Bayer 04 Leverkusen. „Sollte es technische Probleme geben, können die Vereine auch den SMS-Service nutzen und so das Ergebnis und die Zwischenstände übermitteln.“ Der Dienst lässt sogar eine minütliche Ergebnismeldung an den Anbieter zu, ein kostenfreier E-Mail-Support steht ebenfalls zur Verfügung.
Amateurhaftes Verhalten
Die traurige Wahrheit: In der Hauptrunde der Saison 2014/15 vergeht kein Spieltag, an dem alle Ergebnisse online gemeldet werden. Das bedeutet, dass der Rollstuhlbasketball-Fan zwar theoretisch die Möglichkeit hat, Ergebnisse der Liga von überall einzusehen, diese aber lückenhaft ist. Sich darüber auszulassen, dass selbst die eingepflegten Scoutings vor Fehlern nur so strotzen und eine einfache Internet-Ergebnismeldung in jeder Bananenliga seit vielen Jahren Standard ist und längst von modernen und neuen Kommunikationswegen flankiert wird, kommt für die RBBL (leider) drei Schritte zu früh. Angebotene Schulungen werden durch die Vereine entweder nicht angenommen oder sind für die ehrenamtlichen Helfer zeitlich nicht durchführbar. Fans die es werden wollen, werden bereits hier mit der Amateurhaftigkeit der Liga konfrontiert. „Keyscout ist ein zentrales Element, um die Sportart Rollstuhlbasketball in der Öffentlichkeit zu verankern“, weiß Weber, der übrigens durchaus selbstkritisch ist und Fehler eingesteht. „Verbesserungspotential gibt es auch bei uns immer.“
Eine Grauzone bei Regelverstößen hilft keinem
Doch warum werden hier seitens der Liga keine Pflöcke in den Boden gerammt? Bei der Nicht-Nutzung von Keyscout verhängt die RBBL eine Strafe von 50,00 Euro im Wiederholungsfall erhöht sich diese um jeweils 25,00 Euro Eigentlich. Denn bei der Begründung, warum Keyscout nicht genutzt wird, bewegen sich Liga und Vereine in einer Grauzone. „Bei Strafen gehört ein gewisses Fingerspitzengefühl dazu“, kommentiert Tanja Feddersen, Geschäftsführerin der RBBL AG. „Aber veräppeln lassen wir uns nicht.“ 50,00 Euro seien für die Vereine bereits ein hartes Brot, an vielen Stellen seien die Positionen ehrenamtlich besetzt, Geld fehle. Ein Club kann der Strafe u.a. entgehen, wenn er auf technische Probleme oder einen krankheitsbedingten Ausfall seiner Scouter hinweist. Klare Regelungen und Konsequenzen? Fehlanzeige.
Richtig deutlich wird wohl nicht, wer hier mit dem Finger auf wen zeigt. Der Live-Ticker scheint nur die Spitze des Eisberges. Dem Fan und auch dem potentiellen Sponsor wird es egal sein – dort interessieren all die fadenscheinigen Begründungen herzlich wenig. Am Ende tragen sie wohl alle Schuld am Phänomen Keyscout: Betreiber, Clubs und Liga. Fest steht: Sie alle haben die Verantwortung, die Sportart nach vorne zu bringen und schließlich für Sponsoren, Medien und Fans interessant zu machen. Schließlich wird sich an allen Ecken und Enden auch über fehlendes Geld und fehlende Aufmerksamkeit beklagt.
Der Liga fehlen Visionen und klare Standards
Die Hauptschuld trägt allerdings Liga selbst. Sie muss mit Visionen, Ideen und klaren Regelungen voran gehen. Sie muss ihr Erscheinungsbild, ihr Image, pflegen und den Vereinen Richtlinien und Hilfestellungen an die Hand geben. Wer nicht in der Lage ist, diese Standards zu erfüllen, gehört nicht in die Bundesliga. Dazu gehört im ersten Schritt, sich an die Spielordnung und demokratisch beschlossene Fakten zu halten. Ob diese basisdemokratische Grundhaltung allerdings für Spitzensport langfristig tragbar ist, bleibt mehr als nur abzuwarten.
Text: Sven Labenz | Grafik: Rollt.