Rollenwechsel #8: Der Rollstuhlbasketball Junioren-Länderpokal (JLP) in Bonn 2014 – ein geiles Ding!

Schön war‘s beim JLP in Bonn. Und dies schreib ich jetzt nicht, um den Veranstaltern und Protagonisten am Rhein nach dem Mund zu reden oder die Rollt. und unsere Arbeit noch weiter in den Fokus zu rücken -schließlich wissen ja eh schon alle, dass wir das geilste Magazin für und über den Rollstuhlbasketball sind.

Hinfallen, aufstehen & weiterrollen ...

Hinfallen, aufstehen & weiterrollen …

Ich schreibe diese Zeilen, weil es so ist bzw. war. Weil ich tolle Menschen kennen gelernt habe, fantastischen Sport miterleben durfte und für mich mal wieder erkannt habe, was diesen Sport und seine Akteure auszeichnet: Authentizität, Ehrlichkeit und Wertschätzung. Wenn die Mutter von Nationalspieler Thomas Becker Kuchen verkauft, Mama Gerber mit Hingabe Fotos schießt, die ASV-Verantwortlichen über alte Erfolge berichten und gleichzeitig über die Nicht-Anwesenheit des WDR schimpfen, die Kapitänin des Team Germany in der Halle ist, Fotos schießt und mit den Jugendlichen spricht oder Mütter von Junioren-Nationalspielern bei mir ein Rollt.-Abo abschließen, dann ist das ganz großer Sport. Es sind diese kleinen Momente, die solch eine Veranstaltung zu einem tollen „Event“ machen. Stunden, an die der Besucher gerne zurückdenkt. Zwar musste ich mich um 5.00 Uhr morgens aus dem Bett quälen, um zeitig in Bonn zu sein, was jedoch durch hervorragenden Sport und dahin rasende und ereignisreiche Stunden versüßt wurde.

Kämpfendes Team: die Equipe aus Schleswig-Holstein.

Kämpfendes Team: die Equipe aus Schleswig-Holstein.

Nun bin ich nicht wirklich der Rollibasketball-Profi, um die gezeigte Leistung auf dem Court entsprechend würdigen zu können, was ich jedoch zu beurteilen vermag, ist die gezeigte Einsatz- und Leistungsbereitschaft. Jetzt mögen sich die Psychologen und Gelehrten darüber streiten, ob es für die Entwicklung junger Sportler aus Schleswig-Holstein gut ist, dass sie eine derbe Klatsche nach der anderen kassieren. Ich für meinen Teil ziehe den Hut vor den Spielerinnen und Spielern aus dem hohen Norden. Trotz körperlicher (und evtl. altersmäßiger) Unterlegenheit hab ich keinen Spieler lamentieren hören! Keiner hat sich beschwert oder auf die Größenvorteile des Gegners geschimpft. Nein, es wurde nicht mit den Umständen gehadert, sondern die Truppe hat sich reingehängt. Ich für meinen Teil denke, dass solche Momente und Spiele sehr prägend sind. Und zwar nicht im negativen Sinne. Denn nur wer sich mit den Großen misst, wächst auch mit den Aufgaben. Aus diesem Grund ziehe ich meinen Hut vor dem Team Schleswig-Holstein. Ihr wart anwesend und habt euch gestellt! Andere Landesverbände wohl nicht. – Natürlich waren auch die anderen Mannschaften klasse. Das steht außer Frage. Wenn der neutrale Zuschauer – während des Endspiels – dann auch noch den verbalen Schlagabtausch emotionaler Eltern und Fans auf der Tribüne mitbekommt, zeigt dies, dass alle mit Leidenschaft dabei sind.

Lasst mich hier kurz „eingrätschen“.

Dürfen SpielerInnen in diesem Alter von der gegnerischen Anhängerschaft beim Freiwurf durch das laute Reinbrüllen von Nettigkeiten abgelenkt werden? Was meint ihr? Ich für meinen Teil sage: Warum denn nicht? Das ist das Leben, ihr Leut. Die Zeit der elterlichen Fürsorge und Schutzhaltung ist vorbei. Wie soll das erst werden, wenn die jungen Herrschaften um die Deutsche Meisterschaft spielen? Dürfen die gegnerischen Fans dann auch nichts reinbrüllen? Ich ziehe für mich ganz klar eine Grenze, und zwar wenn Spieler persönlich beleidigt werden. Das geht für mich so gar nicht, sagt dies doch auch mehr über den Sender der Botschaft aus, als über den Akteur an der Freiwurflinie. Sei’s drum, mir hat’s gezeigt, dass die Anhänger richtig mit gefiebert haben. Und jeder mag eine andere Meinung dazu vertreten.

Die Sieger des JLP 2014: das Team NRW.

Die Sieger des JLP 2014: das Team NRW.

Lasst mich zu guter Letzt noch ein paar Worte über die Organisation und den Zuschauerzuspruch loswerden. Ich schätze, dass das Finale von knapp 100 Schaulustigen, Fans und Eltern besucht war. Ist dies schlecht? Ist das gut? Was sagt uns diese Größe/“Kennzahl“ überhaupt? Ist sie Gradmesser für die Anziehungskraft der Sportart, des Events oder die Leitungsbereitschaft der Sportler? Was, wenn 1000 Zuschauer in der Halle gewesen wären? Ich muss gestehen, ich mag solche familiären und behaglichen Sportveranstaltung wie in Bonn, weil ich mich dort wohlfühle. Ich war letztens bei Eintracht Frankfurt vs. Bayer Leverkusen. Dort waren über 50.000 Fans. Zum Glück war ich eingeladen, da ich für meinen Teil nicht bereit bin, so viel Geld für  eine Großveranstaltung auszugeben. Überteuertes Bier, Bezahlen für den Parkplatz, Electronic Cash statt Bargeld, Schlange stehen fürs Essen. Aushilfen an der Kasse, die einen nicht kennen. Nein, das ist nicht mein Ding. Lieber selbst gebackener Kuchen, ein netter Plausch und Spekulationen über Thomas Beckers Rolli-Basketball-Zukunft mit seiner Mutter an der Verkaufstheke oder die Frotzeleien mit Mama Gerber am Pressetisch. Wichtig ist doch die Wertschätzung, die den jungen Sportlern widerfährt, oder? Dann doch lieber 100 aufrichtige Zuschauer und Interessierte, statt tausend Schönwetter- und Event-Fans.  Was das mediale Drumherum betrifft, so muss ich gestehen, war das Turnier richtig gut aufgestellt. Eine eigene Homepage, Spielberichte, die sofort online waren, ein Facebook-Account, Vorab-Pressemeldungen über die Teams, ein eigenes Hallenheft, aktuelle und unaufdringliche Hallendurchsagen. Was ein bisschen schade war, letztlich aber auch den Anreisewegen der jungen Athleten geschuldet, war die zweigeteilte Siegerehrung, das Aufrufen jedes einzelnen Spielers und das (nicht böse gemeinte) Vergessen/Auslassen einiger Junioren. Dies sind aber Kleinigkeiten bzw. die Kirsche auf der Sahne.

Alles in allem war der JLP ein tolle Veranstaltung mit leidenschaftlichen Junioren und Juniorinnen und große Werbung für diese Sportart. Einfach ein geiles Ding!

Text: Martin Schenk | Fotos: Ingrid Gerber

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