Im Rollt.-Interview spricht Ulf Mehrens, Vorsitzender des Fachausschusses Rollstuhlbasketball, über die zurückliegende WM in Hamburg, das Abschneiden der deutschen Mannschaften und den Status quo in puncto Fachbereichs-Vorsitz.
Herr Mehrens, wie fällt ihr persönliches und sportliches WM-Fazit als Vorsitzender des Fachausschusses Rollstuhlbasketball aus?
Die WM in Hamburg war in der Außenwirkung ein riesiger Erfolg. Das Gesamtkonzept der Veranstaltung ist aufgegangen, hier kann man den Verantwortlichen in Hamburg nur danken und gratulieren. Die Messlatte für solch internationalen Veranstaltungen liegt nun für zukünftige Ausrichter sehr hoch. Gerade die Erwartungen in Sachen Zuschauerinteresse sind deutlich gestiegen. Sportlich haben die Damen ihr Soll mehr als erfüllt. Ich sehe noch viel Potential, gerade bei den jüngeren Spielerinnen. Trotzdem ist dieser Erfolg nicht selbstverständlich, sondern ist hart erarbeitet. Kompliment an das ganze Team. Das Abschneiden der Herren ist vollkommen unbefriedigend. Platz 13 bei einer Heim WM ist nicht akzeptabel.
Die beiden A-Bundestrainer haben nach der WM in Hamburg auf die unterschiedlichen Voraussetzungen bzw. Systeme hingewiesen, die zwischen Deutschland und z. B. den Niederlanden und England herrschen. Wie sehen Sie das?
Ich weiß, dass Martin Otto in Interviews und in seiner Sachanalyse darauf hingewiesen hat. Bis heute gibt es dazu keinen Dialog mit Nicolai Zeltinger. Die unterschiedlichen Voraussetzungen gibt es seit Jahren, hier ist es auch in Zukunft nicht möglich, diese Systeme zu übertragen. Der Fachausschuss wartet seit geraumer Zeit auf ein Strukturkonzept Leistungssport. Hier darf man nun gespannt sein, wie man sich vorstellt, die Zukunft zu gestalten. Gerade im Herrenbereich sind Nationen vor uns platziert, die deutlich schlechtere Trainingsvoraussetzungen haben.
Martin Otto und Nicolai Zeltinger haben nach Hamburg die Athletik zum Thema gemacht. Jan Haller sprach jüngst im Rollt.-Interview davon, dass andere Nation über einen längeren Zeitraum zusammen trainieren können und, um es in meinen Worten zu formulieren, an den Basics wie Korbleger, Würfen und Pässen gearbeitet werden muss. Was ist ihre Meinung zum Thema Athletik, Basics und längere Trainingszeiträume?
Ich kann mich nur wiederholen: Viele Nationen haben deutlich schlechtere Trainings- und Vorbereitungsmöglichkeiten als wir. Sicher wird man auf die Vereine zugehen müssen, um Basics weiter zu schulen. Wir sind unlängst Vize–Europameister im Juniorenbereich geworden. Warum sind wir in diesem Altersbereich erfolgreich und warum können wir diesen Erfolg nicht in das A-Team überführen?
Was muss ihrer Meinung nach passieren, dass die deutschen A-Nationalmannschaften zukünftig wieder um Titel spielen?
Die Damen sind in der Weltspitze, hier muss man akzeptieren, dass diese Spitze enger zusammengerückt ist. Martin Otto hat in Absprache mit den Spielleitern Möglichkeiten für weitere nationale Damenwettkämpfe geschaffen. Im Herrenbereich sind viele Spieler auf dem Feld überfordert, da sie in ihren nationalen Teams kaum oder nur wenig zum Einsatz kommen. Hier wird man sicherlich ansetzen müssen, um den Anschluss wieder herzustellen.
Sie hatten seiner Zeit angekündigt, nicht mehr für den Kommissionsvorsitz zu kandidieren. Können Sie uns kurz abholen was den Status quo betrifft und wie es in den kommenden Monaten an der Spitze des Fachbereichs weitergehen wird?
Bis zum 31.12.2018 habe ich die Leitung des Fachausschusses Rollstuhlbasketball. Bereits ausgeschieden sind Norbert Kucera und Günther Vogel. Peter Richarz übergibt die Lehre auch zum Ende des Jahres. Meine Wunschvorstellung ist eine erfahrene Person, die langjährig in unseren Strukturen des DBS und DRS Erfahrung gesammelt hat. Dazu führen wir Gespräche.
Was Ihre Erwartungshaltung an ihren Nachfolger bzw. Ihre Nachfolgerin?
Der Fachausschuss Rollstuhlbasketball hat verdienstvolle Arbeit geleistet. Es gelingt aber kaum, weiterhin durch das Hinzuführen von ehrenamtlichen Personen, auch Qualität zu erzeugen. Die Nachfolger in der Führungsspitze werden sich dieses Themas annehmen müssen
Abschlussfrage: Wo sehen Sie den deutschen Rollstuhlbasketball 2020 und darüber hinaus?
Zunächst gilt es für beide Mannschaften, sich für Tokio zu qualifizieren. Das wird schwer genug. Sollte möglicherweise 3×3 in Paris paralympisch werden, kommen schwere Zeit auf uns zu.
Herr Mehrens, vielen Dank für Ihre Zeit.
Interview: Martin Schenk | Foto: Steffie Wunderl