Die Kapitänin des Team Germany, Mareike Miller, spricht im Interview über ihre Rolle als Athletensprecherin im DBS, die Förderung Paralympischer Athleten sowie den strukturellen und finanziellen Nachholbedarf des Rollstuhlbasketballs hierzulande. Und sie berichtet, was ihrer Meinung nach richtig gut läuft in Rollstuhlbasketball-Deutschland.
Mareike, du bist nicht nur Rollstuhlbasketballspielerin, sondern auch Athletensprecherin im DBS. Was genau macht eigentlich eine Athletensprecherin?
„Als Athletensprecherin setzt man sich im Rahmen diverser Themen für alle Athleten, die man vertritt, ein. Als Aktivensprecherin der Rollstuhlbasketball-Damen bin ich wiederum im Rahmen der jährlichen Aktivensprecher-Versammlung im Austausch mit unserem Gesamtaktivensprecher zu aktuellen Themen. Außerdem erhalte ich bei konkreten Anlässen Anfragen oder kann mit den Verantwortlichen in Kontakt treten, um Probleme oder Anliegen anzusprechen. Zudem wurde ich 2017 auch in den Gesamtaktivensprecher-Beirat gewählt und kümmere mich seitdem vorwiegend um den Bereich Athletenförderung und nehme an vielen weiteren Sitzungen und Diskussionen teil. Die Einbindung unserer Stimme durch den Gesamtaktivensprecher sowie unseren Beirat läuft sehr gut. Die Möglichkeit vor Entscheidungen unsere Bedürfnisse, etwaige Probleme und Gegenvorschläge, insbesondere bei Besprechungen des Vorstands Leistungssport des DBS, einbringen zu dürfen, macht nicht nur Spaß, sondern konnte auch schon zu vielen guten Ergebnissen führen.“
Du warst jüngst in den USA beim IPC Athletes’ Forum, also der globalen IPC Athletenvertreter-Versammlung. Kannst du in Kürze die wichtigsten Topics nennen, die ihr dort besprochen habt und die für die hiesige Community besonders interessant sind zu wissen?
„Gern. Die Veranstaltung hat uns die Möglichkeit gegeben, die internationalen Strukturen und Verantwortlichkeiten des paralympischen Sports besser kennen zu lernen. Wir wissen jetzt noch besser, bei welchen Themen wir uns an wen wenden können, um bei auftauchenden Fragen gezielter in einen produktiven Austausch zu gehen. Zudem konnte man sich mit der IPC-Athletenkommission und den Offiziellen des IPCs über kontrovers diskutierte Themen offen austauschen. Für den Verband war es somit möglich, einen guten globalen Eindruck der aktuellen Meinungen einzusammeln, während wir wissen, dass unsere Interessen auch gehört und wahrgenommen werden.“
Wenn Fans die Sozialen Medien verfolgen, bekommen sie z. B. mit, dass die Damen des Team GB mal eben in die USA reisen, um dort gegen College-Teams zu spielen. Oder die GB-Herren alle paar Wochen zurück auf die Insel fliegen, um dort zusammen zu trainieren. Wo siehst du persönlich den größten strukturellen und finanziellen Nachholbedarf als Nationalspielerin und Athletensprecherin gegenüber anderen Ländern?
„Ich finde unser Konstrukt, mit unterschiedlichen Trainern und Mitspielern auf höchstem Niveau spielen zu können, ebenfalls sehr gut.“
Was fehlt dann deiner Meinung nach?
„Ich glaube, was uns am meisten fehlt, ist eine größere Anzahl gut ausgebildeter Trainer, die den Sportlern in der Anfangsphase eine bessere Grundausbildung bieten können. Man merkt insbesondere bei den Damen immer wieder, dass der Nachwuchs meist direkt aus der Regionalliga oder ähnliches zum ersten Selection Camp kommt. Und dann wird festgestellt, dass nur selten Detailwissen über Basketball, die verschiedenen Grundstrategien oder gut ausgebildete Techniken und Fertigkeiten vorhanden sind. Der Schritt bis zur Weltklassespielerin ist dann immer noch riesig. Und wenn es nicht genügend Trainer gibt, die in dieser Phase mehr vermitteln und fördern können und wollen, muss es alternativ, oder im besten Falle unterstützend, noch mehr Förderung geben. Gerade im Damenbereich, in dem viele Spielerinnen sinnvollerweise in der zweiten Liga spielen, um umfangreichere Spielpraxis zu sammeln, gibt es dann meist wenig finanzielle Unterstützung durch die Klubs. Gerade dort wäre bzw. ist es nur mit einer entsprechenden Athletenförderung möglich, einen intensives Trainingspensum zu gewährleisten.“
Was muss getan werden, dass der deutsche Rollstuhlbasketball aktiv und dauerhaft um Titel mitspielen kann?
„Die Grundausbildung und der Übergang zur Weltspitze muss vereinfacht und verbessert werden. Erst wenn die Konkurrenz für Talente da ist, werden alle Talente noch härter an sich arbeiten. Dadurch wird die Spitze immer besser werden.“
Es hat sich jüngst auch ein bisschen was getan in puncto finanzieller Förderung Paralympischer Athleten. Kannst du anreißen, welche Förderung zum Beispiel du oder andere Nationalspielerinnen bekommen haben und wie es sich ab 2020 gestalten wird? Also ein “Vorher-Nachher-Vergleich”?
„Zu Beginn meiner Karriere war eine Athletenförderung kaum vorhanden. Eine monatliche Unterstützung von ca. 120 bis 150 € brutto war ein besseres Taschengeld. Die Zeit, die wir uns regelmäßig frei nehmen müssen und mussten, konnte das nicht annähernd kompensieren. Seit 2019 ist dank des BMI (Anm. d. Red.: Das Bundesministerium des Innern), Athleten Deutschland e.V. und Deutsche Sporthilfe Positives passiert.
Was genau?
„Die Grundförderung wurde in Kooperation mit dem DBS und seinen Partnern auf bis zu 800 € brutto bei den erfolgreichsten Athleten angehoben. Die Veröffentlichungen hierzu sind jedoch immer mit Vorsicht zu genießen, da die Beschreibung meist vor allem die Lage im olympischen Sport schildert und manchmal auch den paralympischen Bereich darstellt, allerdings nicht immer alles identisch ist. Die alte Bekanntgabe des BMIs inkl. der Beschreibung, dass es zuvor 300 € im Olympischen Bereich gab, kann im Internet nachgelesen werden (Anm. d. Red. Den Artikel gibt es hier: Klick!)
Gibt es weiteren Support?
„Ja, neben der Grundförderung gibt es weitere Unterstützung. Für Studenten existiert ein Stipendium der Deutschen Sporthilfe und der Deutschen Bank. Für Schüler und Studenten gibt‘s eine hohe Förderung von Nachhilfekosten. Zudem sind mittlerweile alle über die Sporthilfe gemeldeten Kaderathleten über die Allianz grundversichert, z. B. mit einer Auslands-, Rechtschutz-, Haftpflicht- oder Kfz-Versicherung und bekommen andere Hilfestellungen, die uns als Sportler die Sorgen nehmen. Neben den vielen Bereichen in denen wir Möglichkeiten über die Deutsche Sporthilfe bekommen, werden wir teilweise auch durch Landesverbände, regionale Stiftungen oder Olympiastützpunkte zusätzlich betreut. In manchen Fällen kann dies eine finanzielle Förderung sein, in anderen vielleicht auch “nur” eine Unterstützung des Trainings.“
Zum Beispiel?
„Der Zugang zu einem Kraftraum, zur Physiotherapie, zur Ernährungsberatung etc. sowie Unterstützung im Bereich der persönlichen Entwicklung. Die schwierigste Lücke, die wir hier versuchen zu schließen, ist der ausbaubare Informationsstand. Viele Athleten wissen gar nicht, was alles möglich ist, so dass die Vernetzung untereinander sehr hilfreich ist, um allen die bestmögliche Unterstützung zu gewährleisten.“
Was läuft deiner Meinung nach im Rollstuhlbasketball hierzulande richtig gut?
„Meiner Meinung nach ist unser Sport strukturell und finanziell grundsätzlich gut aufgestellt, um professionelle Bedingungen zu ermöglichen. Unser Ligensystem, von der Profiliga über den Anfängerbereich bis hin zum Hobbysportler, bietet jedem die Möglichkeit, unserem Sport nachzugehen. Man kann immer an allem etwas Schlechtes finden, aber wenn genau hingeschaut wird, haben wir es in Summe in sehr vielen Bereichen richtig gut. Das zu erkennen, ist auch ein wichtiger Schritt, um an den richtigen Ecken und Kanten für den Feinschliff zu sorgen.“
Zu guter Letzt: Mit Christoph Küffner und Laura Löffler wurde jüngst eine neue Fachbereichs-Doppelspitze installiert. Was ist deine persönliche Erwartungshaltung an das Duo, das ja einiges an Erfahrung in der Basketball-Szene vorweisen kann?
„Ich denke, dass beide sehr viel Erfahrung und Wissen, aber insbesondere auch Lust und Motivation für unseren Sport und das Amt mitbringen. Ich bin mir sicher, dass sie fachlich und strukturell vieles voranbringen können. Ich freue mich darauf, die Wirkungen zu spüren und erste Resultate zu sehen.“
Mareike, lieben Dank für deine Zeit.
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Interview: Martin Schenk | Foto: Steffie Wunderl