Interview mit Claude Weynandt: “In meinen Augen war es kein Verstoß.”

Die 30-jährige Claude Weynandt musste wie Martin Otto die Damen-Nationalmannschaft verlassen. Im Interview spricht die Ärztin, die seit Herbst 2018 die Equipe betreute, offen über die Hintergründe und aufbauende Nachrichten aus dem Kreis der Nationalspielerinnen. 

 

Claude, warum bist du nicht mehr Teamärztin des Team Germany der Damen? 

Mir wurde das Vertrauen durch das Team entzogen. In einem Zoom-Call, an dem die Mannschaft und Martin Otto teilnahmen, wurde mir gesagt, dass ich gegen das Hygienekonzept verstoßen hätte. Es war die Sprache davon, dass sich das Team eine offenere Kommunikation wünscht.

 

Das musst du erklären. Was hast du gemacht? 

Ich habe das Camp am Sonntag verlassen, weil ich als Ärztin zu einem so nicht eingeplanten Notdienst nach Köln in meine Klinik musste.

 

Als Ärztin weißt du doch, was du tust. Besitzt entsprechende “(Corona-)Kompetenz” bzw. bist aufgeklärt, oder? 

Ja. Ich habe sechs Monate auf einer Intensivstation gearbeitet, und zwar von März bis September 2020. Ich habe auch das Hygienekonzept für das Team Germany mitentwickelt und bin die Hygienebeauftragte fürs Team.

 

Wie das? 

Die Hygienekonzepte sind auf Basis der Empfehlungen des DBS erstellt. Zudem führte ich mit unterschiedlichen Kompetenz-Inhabern bzgl. der Pandemie Gespräche, und zwar über die Sinnhaftigkeit mancher Maßnahmen. Hier als Beispiel genannt: das Gesundheitsamt oder der Pandemiebeauftragte meines Krankenhauses. Außerdem ist das Konzept in Rücksprache mit den Spielführerinnen erstellt und freigegeben worden. Hier gab es seit März sehr viele konstruktive Diskussionen. In Martin Ottos und meinen Augen hatten wir einen guten teaminternen Konsens gefunden.

 

Dass ich es besser verstehe: Hast du nun einen Verstoß gegen euer Hygienekonzept begangen, oder nicht? 

In meinen Augen war es kein Verstoß.

 

Sondern?

Ich gehe, wie viele andere übrigens auch, von Montag bis Freitag arbeiten, wie ich an besagtem Sonntag arbeiten gewesen bin. Außerdem musste ich in diesem Fall kurzfristig einspringen. Das muss einem Arzt oder einer Ärztin gewährt bleiben. Generell ist die Sicherheit im Krankenhaus sehr, sehr hoch …

 

…was jeder bzw. jedem klar sein sollte.

Richtig. Ansonsten dürfte ich bei keinem einzigen Camp dabei sein. Schließlich komme ich freitags genauso von der Arbeit und fahre direkt ins Camp. Außerdem waren auch beim letzten Camp Tagesgäste, wie Fotografin und Sportpsychologe geladen; und es wurde in der Mittagspause im Konsens mit allen z.B. Kaffee an einer Tankstelle geholt. Ferner haben sich einige Mädels, bevor sie sich auf den Nachhauseweg begeben haben, geduscht. All das sind Ausnahmen, die in meinen Augen im Rahmen des Hygienekonzepts vertretbar waren und sind. Für mich war das kurzfristige Einspringen auf der Arbeit im Rahmen des Hygienekonzepts ebenfalls vertretbar. Schließlich haben wir sehr hohe Standards in unserer Klinik und keinen einzigen Corona-Patienten.

 

Du hast gerade Duschen erwähnt. Wie wird das in eurem Hygienekonzept bewertet?

Gemäß Hygienekonzept ist es nicht erlaubt. Wir haben es jedoch auf Wunsch einiger Spielerinnen unter Beachtung der Hygieneregeln möglich gemacht, so dass sich niemand erkältet. Ich habe den Mädels das Risiko erklärt und ihnen gesagt, dass wenn sie duschen wollen, dies am besten so kurz und so kalt wie möglich halten sollen.

 

Nur nochmal für mich, dass ich das richtig einordnen kann: Dir als Teamärztin wird ein Verstoß gegen das von dir mitentwickelte Hygienekonzept vorgeworfen und das Vertrauen entzogen. Und zwar von den Menschen, für die es okay ist, dass an einer Tankstelle für sie Kaffee geholt wird. Ferner von Teammitglieder, die vor der Heimfahrt duschten. 

Korrekt.

 

Wurde denn dein vermeintlicher “Verstoß” während des letzten Lehrgangs nochmal in irgendeiner Form vom Team thematisiert? 

Leider wurde das überhaupt nicht thematisiert.

 

Jetzt wird es Dritte geben, die sagen, dass du als Teamärztin all das hättest unterbinden können und sogar müssen. Also das Duschen, das Kaffeeholen. 

Dann antworte ich, dass das mit allen Beteiligten vor Ort abgestimmt war und alles coronakonform ablief. Wir haben Masken getragen, uns die Hände desinfiziert, Abstand gehalten etc.

 

Wurde irgendwann einmal deine Leistung o. ä. kritisiert oder gerügt? Und zwar vom Verband, dem Staff oder den Spielerinnen? 

Nie, und zwar ganz eindeutig: nie. Weder vom Staff, noch vom Verband, noch von den Spielerinnen. Ich habe nach dem Zoom-Call ganz viele und sehr aufbauende WhatsApp-Nachrichten und Anrufe bekommen von Spielerinnen des Team Germany, die mir gutgetan haben.

 

Was stand in den Nachrichten? 

Das geht nur die jeweilige Spielerin und mich etwas an. Nur so viel: die Nachrichten haben mir sehr gutgetan.

 

Diese Nachrichten lassen ja vermuten, dass dein Abgang nicht alle kalt ließ. Wie passt das damit zusammen, dass das ganze Team dir das Vertrauen entzogen hat? 

Das möchte ich nicht kommentieren.

 

Lass mich formal werden: Hast du schon eine Kündigung deines Vertrages erhalten?  

Ich habe vom Verband noch nichts gehört.

 

Gibt es etwas, was du noch loswerden möchtest? 

Ich hatte über drei wundervolle Jahre beim Team Germany und bin sehr dankbar für all die Menschen, die ich kennenlernen durfte. Ich habe für meine Arbeit als Orthopädin und für mich persönlich so viel lernen dürfen. Diese Zeit wird immer ein ganz großer Teil von mir sein.

Ich danke Martin Otto für das Vertrauen, das er mir entgegengebracht hat, um diese Mannschaft betreuen zu dürfen. Martin war im Basketball und auf persönlicher Ebene stets ein Vorbild für mich. Außerdem danke ich allen Spielerinnen und dem Staff für die rasche Aufnahme im Team.

Der Rollstuhlbasketball ist eine wundervolle Sportart. Ich bin glücklich über all die Erfahrungen, die ich machen durfte. Ich hätte die Athletinnen des Team Germany gerne zu einer Goldmedaille begleitet und wünsche mir für die Zukunft, dass ich irgendwann einmal vielleicht doch noch mal mit zu den Paralympics fahren kann.

 

Claude, vielen Dank für das Interview. 

 

Interview: Martin Schenk | Foto: privat

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