Im Frühling 2021 wurde der damaligen Teamärztin des Team Germany, Claude Weynandt, von der Damen-Nationalmannschaft das Vertrauen entzogen. Die 32-Jährige musste, wie auch Ex-Bundestrainer Martin Otto, kurz vor den Paralympics in Japan die Segel streichen. Knapp 1,5 Jahre nach ihrer Demission spricht die Ärztin offen und ehrlich über bereichernde Learnings und Einsichten, das wertvolle und knappe Gut „Zeit“ sowie ihr aktuelles Leben als Oberärztin und „Hobby-Traurednerin“.
Claude, was machst du aktuell?
Ich bin (Funktions-)Oberärztin im Krankenhaus der Augustinerinnen in Köln und arbeite in einem sehr netten Team. Ich bin hauptsächlich im Enoprothetik-Team tätig. Das heißt, ich setze Patienten künstliche Hüft- und Kniegelenke ein, was schon seit langem, neben der Sportmedizin und dem Sport, meine absolute Passion ist.
Was noch?
Nun, ich darf zwischendurch auch die Para-Schwimmer und die Para-Radfahrer, die im Umkreis von Köln wohnen, mit Klassifizierungsuntersuchungen unterstützen. Der DBS-Community bin ich also im Hintergrund erhalten geblieben.
Und privat?
Privat lerne ich aktuell Spanisch – oder versuche es zumindest (lacht). Ferner treibe ich regelmäßig Sport und nutze jede Gelegenheit, um viel freie Zeit mit wundervollen Menschen in meiner Umgebung zu verbringen.
Klingt spannend.
In der Tat. Ich hatte 2022 das Glück, zwei meiner besten Freunde bei einer freien Zeremonie verheiraten zu dürfen. Das war ein absolutes Highlight. Ich habe das noch nie gemacht. Die beiden haben mich gefragt, ob ich Lust hätte, die komplette Zeremonie für Sie zu leiten.
Ich höre förmlich die Hochzeitsglocken.
(lacht) Es gab keine Grenzen und keine großen Rahmenbedingungen. Außer dass noch drei gute Freunde ein Teil der Zeremonie sein sollten. Im Nachhinein habe ich dann viel positives Echo bekommen. Alle fanden es sehr persönlich und schön. Das war schon ein außergewöhnliches Gefühl. Vielleicht werde ich in meinem zweiten Leben nochmal professionelle Traurednerin (grinst). Ansonsten wohne ich in Köln und versuche viel Zeit in Berlin bei Freunden und in Luxemburg bei meiner Familie zu verbringen. Letztes Jahr wurden auch viele Hochzeiten gefeiert, ich habe meine Promotion abgeschlossen, bin Fachärztin geworden und bin dann noch Funktionsoberärztin geworden. Das war schon ein richtig gutes Jahr.
Da war einiges los im Hause Weynandt.
Auf jeden Fall.
“Ich habe mit der Situation schnell meinen Frieden geschlossen.”
Lass uns zum Rollstuhlbasketball kommen. Dein ungewollter Abschied aus dem Team Germany liegt jetzt eine Zeitlang zurück. Wie beurteilst du die Situation von damals mit 1,5 Jahren Abstand?
Wenn ich zurückblicke, bin ich natürlich immer noch ein wenig enttäuscht, wie seinerzeit alles gelaufen ist. Ich wäre gerne mit nach Tokio gefahren, um die Mannschaft zu unterstützen.
Aber?
Aber ich weiß natürlich auch, dass die Pandemie eine besondere Belastungssituation für die Mannschaft gewesen ist und dass dann manchmal schnell Entscheidungen getroffen werden, die man in anderen Situationen so vielleicht nicht getroffen hätte. In dieser besonderen Situation wurde einfach versucht das Beste für das Team rauszuholen – damit ein Team vorankommt, müssen halt manchmal einzelne Menschen auf der Strecke bleiben.
Wie sah es in dir in den folgenden Wochen aus?
Ich habe mit der Situation schnell meinen Frieden geschlossen. Die Zusammenarbeit mit der Mannschaft hat mich sehr geprägt. Ich nehme sehr viel Positives aus meiner Zeit mit dem Team Germany mit, und ich bin dankbar über jeden Menschen, den ich während dieser Zeit kennenlernen durfte.
Inwiefern haben dich als Mensch, die Geschehnisse des Jahres 2021 geprägt?
Ich habe gelernt, dass aus jeder Situation immer etwas Gutes entsteht. Manche Wege erscheinen einem manchmal wie eine Sackgasse, aber es gibt immer positive Erlebnisse, die man mitnehmen kann. Ich habe nach dem Ausscheiden gemerkt, wie viel Zeit ich dafür aufgeopfert habe.
Gab es noch etwas?
Ja. Als weiteren wertvollen Punkt habe ich für mich mitgenommen, wie außerordentlich wichtig Kommunikation ist und wie man mit seinen Mitmenschen kommuniziert. Für meinen weiteren Lebensweg versuche ich stets freundlich und konkret mit meiner Umwelt umzugehen. Klappt aber natürlich nicht immer (grinst).
Inwieweit verfolgst du den Rollstuhlbasketball und das Team Germany noch?
Ich verfolge den Rollstuhlbasketball und auch das Team Germany leider kaum noch. Manchmal werde ich von Svenja Mayer oder von Kate Lang zu einem Spiel eingeladen. Dies versuche ich dann einzurichten. Seit 2021 war ich aber auch nur bei zwei Spielen. Einmal bei den Rhine River Rhinos und einmal beim Nations Cup in Köln.
“Zeit ist ein wertvolles Geschenk”
Anderes Thema: Was macht eine Claude Weynandt so richtig glücklich?
Zum Beispiel ein selbst gekochtes Essen von und mit Freunden. Auch hier spielt der Faktor „Zeit“ eine sehr wichtige Rolle. Zeit ist ein wertvolles Geschenk, das man sich und anderen Menschen schenken kann, wie bei einem Essen mit einer Freundesgruppe, mit der anschließende Zeit verbracht wird, um zu plaudern und das Leben ein wenig auf die leichte Schulter nehmen.
Abschlussfrage: Wenn ich dir drei Wünsche erfüllen könnte, um dein Umfeld, dich persönlich oder auch die ganze Welt in deinem Sinne zu verbessern, was würdest du mir ins Ohr flüstern.
Ich würde mir wünschen, dass wir Menschen einen liebevollen Umgang miteinander pflegen. Verständnis für andere Meinungen, Gefühle, Trauer, Freude, Müdigkeit, Entscheidungen, etc. “We rise by lifting others“. – Wir entwickeln uns weiter, wenn wir andere auf unserem Weg mitnehmen.
Zweitens …
… würde ich mir wünschen, dass Misogynie in Zukunft keine Rolle mehr spielt (Anm. d. Red.: Misogynie = Frauen entgegengebrachte Verachtung, Geringschätzung; Frauenfeindlichkeit). Gerechtigkeit und Gleichberechtigung sind mir ein großes Anliegen, und zwar auf persönlicher und auch auf weltlicher Ebene.
Und als Letztes …
… würde ich mir wünschen, dass Konflikte, wie z. B. der Krieg in der Ukraine und die Proteste im Iran, gar nicht erst zustande kommen oder dass Sie im Sinne des Friedens gelöst werden.
Claude, vielen Dank für deine Zeit.
Interview: Martin Schenk | Foto: privat