In beschaulichen Landkreis Sömmerda wissen die Verantwortlichen, Fans und Spieler, das Gras nicht schneller wächst, indem man daran zieht. Konsequent, selbstreflektierend und optimistisch blicken die Herrschaften aus Thüringen nicht nur aufs Final-Four, sondern insbesondere in die sportliche und strukturelle Zukunft.
Der Elxlebener Macher Lutz Leßmann bleibt sich und seinem Naturell treu. Ruhig und gelassen blickt er dem Final-Four in Hamburg entgegen. „Wir müssen lediglich einen Korb mehr erzielen als Wetzlar, um sie zu schlagen“, so ein gut gelaunter Leßmann, auf die Frage, was passieren muss, um den Serienmeister zu besiegen. Doch ganz so einfach wird dies nicht werden, schiebt er doch gleich weitere Erfolgsfaktoren nach: „Wir arbeiten jede Woche sehr hart und entwickeln uns stetig weiter.“ Recht hat der Manager, dem die 64:65-Saison-Auftaktniederlage bei den Mainhatten Skywheelers immer noch ein Rätsel bleibt. Rätsel hin, Rätsel her, legten die Thüringer doch – bis auf den 36:55-Misserfolg in Wetzlar – eine saubere Saison hin und demonstrierten vor allem bei ihrem 91:63-Auswärtserfolg in Trier, was es heißt, als funktionierendes Kollektiv zu agieren.
Halouski der beste Center der Liga
Während Punktegarant Halouski den Großteil seiner Zeit auf der Bank verbrachte, sorgte das restliche Team für jede Menge Wellen. Der Center ist es auch, an dem die renommierte Konkurrenz hierzulande starkes Interesse zeigt und Abwerbeversuche startete, was bei Leßmann aber nur einen Schulterzucken hervorruft: „Aleks ist ein geerdeter und treuer Typ, der weiß, was wir an ihm und er an uns hat. Er wird auch in Zukunft für uns spielen.“ Aber nicht nur einen starken Center wird das RSB-Team benötigen, um die Mittelhessen ins Wanken zu bringen, sondern vor allem Leidenschaft. Jeder Spieler wird Verantwortung übernehmen müssen, was auch der Ex-Frankfurter Sebastian Magenheim untermauert: „Wir wollen gegen jedes Team, so auch gegen den RSV, mit Teamleistung und dynamischem Spiel bestehen. Die Verantwortung verteilt sich auf mehreren Schultern. Und nicht auf wenige Köpfe, wie zu Beginn der Saison.“ Worte, denen Magenheim & Co. beim knappen aber nicht unverdienten 63:61-Heimsieg gegen Wetzlar Taten folgen ließ. Selbst ein 13-Punkte-Rückstand konnte die Thüringer nicht stoppen. So versetzt der Glaube in die eigene Stärke nun mal Berge.
Unnötiges Understatement
Vor dem Heimspiel gegen Lahn-Dill stapelte Leßmann noch bewusst tief und sprach von der Uneinholbarkeit des FC Bayern München des Rollstuhlbasketballs. Ein Statement, das, nach einer gar nicht mal so überraschenden 61:63-Niederlage der Mittelhessen, ein Stück weit an Aussagekraft verlor. Klar ist, dass es sich immer ein bisschen komfortabler in der Außenseiterrolle leben lässt. Ist einem doch keiner wirklich böse, wenn der vermeintliche David gegen den Goliath verliert. Fakt ist jedoch, dass der Klub aus dem Landkreis Sömmerda in Sachen Struktur und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen immer mehr aufholt. Auch sportlich hat ganz Rollstuhlbasketball-Deutschland gesehen, dass die Jaglowski-Jungs das Potenzial besitzen, den vermeintlichen Riesen von der Lahn zu verletzen. Dass es nun schon im Halbfinale zu einem Art vorgezogenen Endspiel kommt, mögen die anderen Final-Four-Teilnehmer anders sehen.
Die Zahlen belegen jedoch, dass die BG Baskets und die Dolphins während der Saison zu unkonstant agierten. Die Thüringer hingegen lernten aus den gemachten Fehlern im Frankfurt-Spiel. Nicht nur das, der Mannschaft gelang es während der Saison, einen André Bienek ins Teamgefüge zu integrieren. Eine harmonische Eingliederung, die für eine gesunde Kameradschaft und das Hintenanstellen persönlicher Interessen spricht. Eigenschaften, die benötigt werden, um Titel zu gewinnen. So, wie es der Plan des RSB-Teams vorsieht. Zumindest dann, wenn das vorgezogene Endspiel gewonnen wird.
Fazit
Ein funktionierendes Uhrwerk, das auch dann tickt, wenn ein neues Teil (Bienek) hinzukommt oder es – wie zu Saisonbeginn – zu Rückschlägen kommt. Einzig die Angst vor der eigenen Courage kann den Leßmännern zum Verhängnis werden. Das letztjährige Final muss Motivation genug sein.
Text: Martin Schenk