Am Wochenende stehen die ersten drei Titelentscheidungen im europäischen Vereinsrollstuhlbasketball an. Die IWBF Europe lädt zu den Finalrunden im André-Vergauwen-Cup, Willi-Brinkmann-Cup und Challenge-Cup. Und insgesamt vier deutsche Teams sind im Rennen umd die Europapokale. Die Köln 99ers greifen in Saragossa nach dem Willi-Brinkmann-Cup, während der amtierende Brinkmann-Cup-Sieger BG Baskets Hamburg, die Goldmann Dolphins Trier und RBBL-Absteiger Roller Bulls St. Vith ebenfalls in Spanien in Getafe um den André-Vergauwen-Cup spielen.
Die Chancen, dass nach den Erfolgen der BG Baskets Hamburg und dem Oettinger RSB Team Thüringen im Jahr 2014 erneut mindestens ein Europapokal nach Deutschland geht, stehend gar nicht schlecht. Unter den Teilnehmern der André-Vergauwen-Cup-Endrunde in Getafe sind die BG Baskets Hamburg sicherlich eines der stärksten Teams. Nach zwei Titelentscheidungen, bei denen der RSV Lahn-Dill den Nordlichtern das Edelmetall aus den Händen zerrte, kann den BG Baskets zumindest das in Spanien nicht passieren. Und die Mannschaft ist mit den beiden Scharfschützen Hiroaki Kozai und Mustafa Korkmaz auf den Außenpositionen ebenso Champions-Cup-würdig besetzt wie mit Reo Fujimoto auf der Center- und Annika Zeyen auf der Flügelposition. Von Robin Poggenwisch, der eigentlich ein guter Werfer und taktisch cleverer Spieler ist, brauchen die Hamburger allerdings mehr Input: Der gebürtige Wiesbadener mit dem niederländischen Pass stellt sein Tempo und seine Klasse am Ball oft ein wenig zu sehr in den Dienst der Mannschaft.
Unter den deutschen Teams sind die Goldmann Dolphins Trier sicherlich der zweite starke Herausforderer. Die Gleichung ist eigentlicht recht einfach: Dirk oder Dirk + X reichen nicht. Aber mit Dirk + X + Y wird es brandgefährlich für die Gegner, und wenn dann noch ein “Z-Faktor” ins Spiel kommt, hat Trier gute Chancen. Allerdings stellt sich die Fragen, der das X, Y und Z in der Gleichung werden soll: Diana Dadzite und Nachwuchs-Center Florian Ewertz sind international nicht spielberechtigt, Janet McLachlan plagte sich in der Endphase der Runde mit Blessuren. Dirk Passiwan braucht in Getafe auch durchgehend Top-Leistungen von Spielmacher Chad Jassmann, Flügelspieler Karlis Podnieks und Center Marc van de Kuilen – unmöglich ist das nicht, aber das Kaliber der Gegner wird die Mosel-Delfine stärker fordern als in der Vorrunde, zumal die Gruppenphase mit den Hamburg, Besiktas Istanbul und Hyères HC drei Gegner auf Champions-Cup-Niveau bereithält.
Für die Rollers Bulls St. Vith war das Los etwas gnädiger, doch mit den Gastgebern CID Casa Murcia aus Getafe und dem CS Meaux bekommen es die Eifler mit zwei starken und erfahrenen Teams der europäischen Spitzenklasse zu tun. Für Lorenzo Boterberg und Co. dürfte es denkbar eng werden, das Halbfinale zu erreichen. Andererseits haben die Rollers Bulls nach der abgelaufenen Runde nichts zu verlieren – der Endrundeneinzug ist ein Riesenerfolg für die Mannschaft aus dem deutsch-belgischen Grenzgebiet, und angesichts des Abstiegs und den zu erwartenden Spielerwechseln könnte es die letzte Vorstellung der Bullen auf dem internationalen Parkett für einige Zeit werden.
Nummer vier im Club der “Eurofighter” sind die Köln 99ers, die in der Liga die Rollers Bulls in den Keller schickten, im Europapokal aber mit drei Vorrundensiegen und einer Niederlage die “schlechteste” Bilanz aller deutschen Teams aufwiesen. Platz zwei in der Vorrundengruppe bedeutete, dass statt Köln nun Gradisca nach Getafe reisen darf, während die Domstädter einige Kilometer weiter in Saragossa um den Willi-Brinkmann-Cup spielen. Dort hat die Mannschaft von Trainer Martin Otto schwere Lose gezogen. Gastgeber CAI Deporte Adaptado Zaragoza und das französische Traditionsteam Toulouse IC dürften die größten Halbfinalambitionen haben – vielleicht gelingt den 99ers aber ein Erfolg gegen einen der beiden Gegner, dann könnte – einen Erfolg gegen Ilan Ramat Gan aus Israel vorausgesetzt – das Halbfinale winken. Aus der zweiten Gruppe kommen dann aber mit BSR Valladolid und Le Cannet zwei weitere starke Teams. Die Pilatus Dragons aus der Schweiz und Padavo Millennium Basket dürften eher die Kölner Kragenweite sein, doch diese Paarungen wird es wohl eher in der Platzierungsrunde geben.
Man kann sich mit Tipps ja nur blamieren, aber ich wage es trotzdem mal: Wir sehen Hamburg erneut im Finale, und in Anbetracht des sehr wahrscheinlich bevorstehenden Umbruchs in Trier wird die Mannschaft alles geben, noch einmal zu glänzen: Dirk Passiwan wird sicher irgendeinen Pokal nach Hause schleifen als Topscorer, MVP oder All-Star, doch auch für die Teamkolleginnen und -kollegen wird es Medaillen geben. Köln und St. Vith werden vermutlich das Halbfinale verpassen – aber eine europäische Finalrunde ist für den Absteiger und den Beinahe-Absteiger der RBBL-Saison sicherlich schon ein toller Erfolg nach einer Runde, die sich beide Teams sicher besser vorgestellt hatten.
Text: Daniel Stange