Drei Medaillen und den Klassenerhalt im Blick: Parkettgeflüster mit Marina Mohnen

Seit dem 11. Lebensjahr spielt das orangene Leder für sie eine große Rolle. 23 Jahre und über 220 Länderspiele für das Team Germany später, steht allerdings eine herbe Enttäuschung. „Seit 2005 haben wir zum ersten Mal ein wichtiges Spiel bei einer EM verloren“ – man merkt es Marina Mohnen an, die knappe Pleite im Finale der Eurobasketball 2013 gegen die Niederlande ist noch nicht verdaut. Zu frisch ist auch rund zwei Monate später noch die Erinnerung, der Stachel sitzt tief.

Keine Frage, das Duell „Holland vs. Deutschland“ ist im Rollstuhlbasketball der Damen mehr als Arjen Robben gegen die schwächelnde deutsche Hintermannschaft um Per Mertesacker. Bereits in den vergangenen Jahren waren die Spiele stets hart umkämpft, doch regelmäßig mit gutem Ausgang für die ING-DiBa-Korbjägerinnen von Bundestrainer Holger Glinicki. Anders am 07. Juli in der Frankfurter Eissporthalle: 0.5 Sekunde zeigte die Spieluhr an, als Annika Zeyen zur tragischen Heldin avancierte und nur einen Freiwurf verwandelte und damit Gold für die Niederlande besiegelte. Auch eine bärenstarke Marina Mohnen, die schlanke 28 Punkte vor 3.000 Zuschauern markierte, genügte nicht. Die bundesweite Presse sollte später von einer „vollzogenen Wachablösung“ sprechen, der Gastgeber aus Deutschland erstmals vom regionalen Nachbarn geschlagen.

Mohnen bei den Paralympics in London

Mohnen bei den Paralympics in London

Zwei Monate später sitzt Marina Mohnen entspannt in Hürth bei einer isotonischen Hopfen-Malz-Schorle und genießt den späten Sommer. Trotz der bitteren Pleite. In anderen Sportarten auf internationalem Niveau kaum vorstellbar, im Rollstuhlbasketball Alltag: Es wird im wahrsten Sinne des Wortes durchgerollt. In den letzten drei Jahren blieb kaum Zeit für Urlaub, kaum Platz für Freizeit, Familie oder Freunde. Durch die frühe Terminierung der Europameisterschaft in diesem Jahr bleibt der Nationalspielerin bis zum RBBL-Rundenstart erstmals Zeit zum Durchschnaufen. Stichwort Urlaub: Der gebürtigen Bitburgerin steht in diesem Zusammenhang allerdings nur ein halber Beschwerdepunkt zu, wie ich finde. Schließlich war sie zur rechten Zeit am rechten Ort. Mohnens Arbeitgeber ist die Bundesakademie für Öffentliche Verwaltung, angegliedert an das Bundesinnenministerium. Der Kader-Athletin steht pro Jahr Sonderurlaub zur Verfügung, satte 40 Tage waren das beispielsweise im Paralympics-Jahr 2012. Eine tolle Sache, wie Marina Mohnen findet und ihren Arbeitgeber als lobendes Beispiel herausstellt.

Zur rechten Zeit am rechten Ort ist aber auch im sportlichen Sinne eine geflügelte Phrase. Schließlich war der Weg zum Rollstuhlbasketball auch dem Zufall geschuldet, dass es kurz nach ihrer schweren Knieverletzung in ihrer Heimatstadt Bitburg ein eigenes Rollstuhlbasketball-Team gab. Für die 34-jährige, die es im Fußgänger-Basketball bis zur 2. Bundesliga beim Post-SV-Trier geschafft hat, eine logische Konsequenz. „Aufhören kam für mich nie in Frage, also hab ich eigentlich direkt im Rollstuhl weiter gemacht“, blickt Mohnen zurück. Über Koblenz und Bonn führt der Weg schließlich zu den RBC Köln 99ers in die Bundesliga. Unter Cheftrainer Martin Otto geht die Bitburgerin in ihre achte Spielzeit und blickt im Parkettgeschichten-Gespräch auf die kommende, vielleicht stärkste, RBBL aller Zeiten.

„Nach dem sechsten Spieltag wissen wir eigentlich, wo wir stehen“, erklärt die 2. Vorsitzende ihres Vereins. Nach dem schweren Auftaktprogramm gegen die Teams aus Elxleben, Trier und Frankfurt kommt es zu den Duellen im Kampf um den Klassenerhalt. Schon jetzt wissen die Domstädter, dass es darauf ankommen wird, die beiden Aufsteiger aus Hannover und Heidelberg und nach Möglichkeit auch die Roller Bulls aus Belgien hinter sich zu lassen. „Wir sind eine sehr erfahrene Mannschaft, wissen allerdings auch genau, dass wir Amateursport betreiben und um den Abstieg spielen werden. Vor allem nach dem Wechsel von Thomas Becker nach Frankfurt“, schätzt die Rollstuhlbasketballerin die Situation für die Spielzeit 2013/14 wohl korrekt ein. Ein Schuster bleibt eben auch in Köln bei seinen Leisten.

Marina Mohnen als Teilnehmerin der Podiumsdiskussion in Frankfurt

Marina Mohnen als Teilnehmerin der Podiumsdiskussion in Frankfurt

Ob ein Standortwechsel für sie nicht in Frage komme will ich wissen, ob nicht der Anspruch da sei, um die Meisterschaft oder sogar international zu spielen. Die Antwort ist klar, Marina Mohnen will spielen. Sie will Leistungsträgerin sein, so wie beim Team Germany. Bei einer Mannschaft wie dem RSV Lahn-Dill oder den Mainhatten Skywheelers würde sie hinter der Männerfront in die zweite Reihe rücken – trotz dem Bonus für Frauen in der RBBL. „Um wirklich oben mit spielen zu können fehlt uns ein großer Sponsor. Zwar bemüht sich unser Manager Serdat Özbicerler wirklich sehr um Partner, aber in einer Metropole wie Köln ist Rollstuhlbasketball einfach klare Randsportart“, so Mohnen weiter. Nicht nur eingefleischten Korbjagd-Fans ist der verzweifelte Versuch, Kölner-Spitzensport auf dem Parkett zu etablieren, bekannt. Zu geprägt ist die Region von den Skandalen um den ehemaligen Deutschen Meister RheinEnergy Cologne oder die jährlichen Eskapaden der „Giganten“ aus Düsseldorf. An dieser Stelle kann man dem neuen Unterfangen von Ex-Nationalspieler Stephan Baeck nur alles Gute wünschen – vielleicht profitiert ja sogar der Rollstuhlbasketball vom Aufwind, der mehr als nur vom Neumarkt bis zum Rudolfsplatz zu spüren ist.

Doch für Marina Mohnen bleibt die rollende Jagd nach dem Spalding weiterhin nur ein heiß geliebter Amateursport. Drei-Mal pro Woche trainiert der RBC, während unseres Interviews wird via WhatsApp und Telefonat noch kurz geklärt, welche Spieler sich denn noch am Abend zur fröhlichen Sportstunde treffen werden. „Wir arbeiten alle in Vollzeit, wir sind also trotz unseres Pensums keine Profis, haben aber trotzdem unseren Spaß“, lacht Mohnen, die sich nicht nur auf das Kick-Off-Turnier ihres Vereins am 14./15.09. freut, sondern auch fest drei weitere Medaillen im Plan hat: Die Paralympics 2016 in Rio de Jainero sollen für die routinierte Nationalspielerin drin sein, davor stehen noch die WM und die EM an. Und schon jetzt ist klar, dass die Niederländerinnen der ärgste Konkurrent des Team Germany sein werden. Robben hin oder her, die „Wachablösung“ soll schließlich rückgängig gemacht werden.

 

Text & Interview: Sven Labenz // Fotos: Andreas Joneck

 

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