Die britische Nationalmannschaft gilt aktuell als das beste Team der Welt. Die heimische Liga jedoch zieht kaum Spieler an. Kyle Marsh (30) spielt seit 2014 für Albacete in Spanien. Hauptberuflich. Ein Schritt, der ihn zu einem besseren Spieler machte. Aber auch zu einem anderen Menschen. 

 

Als Großbritannien 2018 bei der Weltmeisterschaft in Hamburg Gold gewinnt, fehlt Kyle Marsh auf dem Feld. Er ist fit, hatte fest mit seiner Nominierung gerechnet. Doch sein Trainer setzte auf andere Spieler. „Das war ein Schlag. Ich habe gemerkt: Das hier ist nicht für immer“, sagt Marsh. Etwa ein Jahr später wird er Vater. Seine Frau ist Spanierin. Hier ist nun sein Lebensmittelpunkt. Bei Albacete spielt Marsh als Profi, Geld kommt vom Verein und der britischen Nationalmannschaft. Marsh trainiert jeden Tag. Fitnessraum, Individualtraining, Teamübung – der Brite hat Basketball zu seinem Hauptberuf gemacht. Trotzdem schätzt er die freie Zeit, die er zuhause hat. „Die Familie ist das wichtigste“, sagt Marsh heute.

 

Über den Schwimmverein und Italien ins Nationalteam

So dachte er nicht immer. In Wolverhampton im Zentrum Englands geboren, steht Sport für ihn früh im Mittelpunkt. Als Schwimmer nimmt er erfolgreich an regionalen Meisterschaften teil. Sein Trainer betreut auch die Rollstuhlbasketballer. Marsh besucht das Training und merkt schnell, dass ihm diese Teamsportart noch mehr Spaß macht. Da ist er gerade elf Jahre alt. Mit dem Schwimmen muss er wenig später aufhören. „Das wäre ein finanziell nicht machbar gewesen. Meine Mutter hätte Probleme bekommen“, erzählt Marsh.

 

Doch der Brite merkt schnell, wie gut er ist. Mit 18 beendet er die Schule, spielt seitdem eigentlich nur noch Basketball. „Wenn du Basketball spielen willst, musst du dich verpflichten.“ Marshs belohnt sich. Er spielt in der regionalen Auswahl, wechselt nach Italien in eine bessere Liga, feiert 2013 sein Debüt in der Nationalmannschaft. Bei den Paralympics in Rio de Janeiro gehört er zum Team. Das bisherige Highlight seiner Karriere.

 

Marsh will schneller werden

Nun will Marsh auch zu den Spielen nach Tokio. Doch die verpasste WM stimmt ihn pessimistisch. „Ich denke eher negativ“, sagt Marsh. Dabei weiß er um seine Stärken: Ein sehr guter Werfer ist er, besonders Dreier liegen ihm. Verbessern muss er sich vor allem in Sachen Geschwindigkeit auf dem Feld. Also: Krafttraining und Training mit Stuhl statt werfen und dribbeln. Das macht nicht nur Spaß, doch es muss sein, erklärt Marsh. „Das Spiel ist in den letzten drei, vier Jahren so schnell geworden. Da falle ich zurück.“ Ein Faktor ist dabei auch seine Behinderung. Seine Beine sind unterhalb der Knie amputiert, auch die Bewegung seiner Hände eingeschränkt. Sich schnell über das Feld zu bewegen, ist so eine große Herausforderung.

 

Sollte es doch für die Paralympics reichen, ist sein Ziel klar. „Wir müssen mit der Idee dorthin fahren, Gold zu holen.“ Doch der 30-Jährige beschäftigt sich gerade vor allem intensiv mit der Zeit nach der aktiven Karriere. Nach der Schule gab es nur noch Basketball, einen echten Plan hat er nicht. Dass er einen braucht, weiß er nun. Basketball bedeutet für ihn viel. Aber es ist nicht alles im Leben.

 

Kyle Marsh Profil

Geburtsdatum: 21.03.1990 (30 Jahre)

Heimatstadt: Wolverhampton, West Midlands

Begonnen zu spielen: 2001

GB Senior-Debüt: 2013 European Championships – Frankfurt, Germany

Klassifizierung: 2.0

Behinderung: Amputation unterhalb des Knies und Behinderung der Hände

Aktueller Club: BSR AMIAB Albacete, ESP (2014-heute)

Ehemalige Clubs:

  • RGK Sporting Club Wolverhampton Rhinos, GBR (2001-12)
  • ASD Santo Stefano Sport, ITA (2012-14)

Karrierehighlights:

  • 2013 European Championships – Frankfurt, Germany – Gold (GB)
  • 2015 European Championships – Worcester, GB – Gold (GB)
  • 2016 Paralympic Games – Rio de Janeiro, Brazil – Bronze (GB)
  • 2017 European Championships – Tenerife, Spain – Silver (GB)
  • 2018 Division de Honour Champions – Gold and MVP (BSR AMIAB Albacete)
  • 2019 European Championships – Walbrzych, Poland – Gold (GB)

 

Text: Julian Hilgers | Foto: Steffie Wunderl

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