Ich bin kein Freund von Superlativen und Übertreibungen. In der Sportwelt ist viel zu oft die Rede von „Legenden“, „Giganten“ und „Kultfiguren“. Auch Trikots unters Hallendach zu hängen, empfinde ich persönlich als Glorifizierung und absolut affig. Denn: Es wird immer jemanden geben, der objektiv besser ist als Sportler:in XYZ.
Insbesondere im Teamsport sind Menschen, die über Tor- und Korberfolge zu einer gewissen Berühmtheit und Aufmerksamkeit gelangen, auf die Zuspiele, Assists und den Kampf ihrer Mannschaftskameraden angewiesen. Einer diese Menschen ist, wenn er nicht selbst einnetzt, André Bienek. Energizer, emotionaler Anpeitscher und „Kein-Blatt-vor-den-Mund-Nehmer“. Neben seinem unwiderstehlichen und berühmten Rainbow-Shot, ist es seine Ehrlich- und Direktheit, die André einzigartig machen. Er haut dir verbal auch mal auf die Fresse, wenn es sein muss. Wenn er keine Lust hat, Antworten nach dem Champions-Cup-Finale oder auf sinnbefreite Rollt.-Fragen zu geben, dann „spürt“ der oder die Dritte das. André zeigt echte Emotionen; er haut nebenbei auch mal einen Spruch raus. Das macht ihn nahbar, berührbar und authentisch. Und es macht(e) ihn vor allem zu einem hochrespektierten Spieler auf der internationalen Bühne. Ein Respekt, der sich nicht an Followern, Likes und Herzchen festmacht, sondern auf harter und ehrlicher Arbeit fußt. Es finden sich mit Sicherheit ein paar „Ruhgebiets-Arbeiterklasse-Gene“ im DNA-Strang des Mannes aus Castrop-Rauxel, die ihn die Ärmel hochkrempeln und den Extrameter rollen lassen. Mit ihm verliert das Team Germany einen großen Anpeitscher, der sich nicht zu schade ist und war, über seinen eigenen Freiwurf-Airball während der Paralympics zu lachen. Diese, neben anderen „Nebensächlichkeiten“, machen den 34-Jährigen so sympathisch und lausbübisch. Und sie machen ihn zu einem stillen Vorbild für viele Nachwuchspieler, die sich am 3,0-Punkte-Mann orientieren.
Ich denke, dass ich für viele Rollstuhlbasketball-Fans spreche, wenn ich sage: Danke, André! Danke für deinen Einsatz im Nationaldress.
Text: Martin Schenk | Foto: Uli Gasper