Würdiger Meister, würdiger Gegner, würdiger Rahmen

Es hat sportlich einfach alles gepasst in dieser Spielzeit für den Triple-Champion aus dem Landkreis Sömmerda. Die Equipe von Trainer Michael Engel gewann den DRS-Pokal, die Champions League und nun gestern die Back-to-Back-Meisterschaft gegen den Serienmeister von der Lahn. Über dreißig Spiele ungeschlagen, das Fehlen wichtiger Leistungsträger während der Saison kompensiert und, die Community möge mir die Worte verzeihen, die Scott’sche Cinderella-Comeback-Story als emotionale Erfolgs-Kirsche auf der Elxlebener Kaffee-Sahne obendrauf.

Die nun eingefahrene Ernte ist das Ergebnis eines langen Prozesses, harter Arbeit und dem Glaube, gemeinsam etwas auf die Beine stellen zu können. Die Engelhaften haben die Liga dominiert, den RSV Lahn-Dill sechsmal hintereinander bezwungen und, wie gestern in der gut gefüllten Riethsporthalle, Charakter und Wille gezeigt. Das zeichnet Gewinner aus: Champions kommen zurück, stecken nicht auf, lassen sich von Nackenschlägen und Rückständen nicht aus dem Konzept bringen und springen füreinander in die Presche, wenn es beim Mitspieler nicht läuft. Dieses Mindset aller Akteure, wie auch die schnelle Spielweise der Bulls, haben wie die sprichwörtlichen Zahnräder ineinander gegriffen. „Es wird eine Zeit lang dauern, dieses Triple zu realisieren“, hauchte es mir ein sichtlich euphorisierter André Bienek gestern Abend ins Mirkrofon. Diese Zeit darf er sich, wie auch die anderen RSBler, gerne nehmen. Sie haben es sich mehr als verdient.

Echte Größe zeigte in der Stunde der Niederlage auch der Gegner aus Wetzlar. Wie bereits im Pokalendspiel in München, hatte das Kollektiv von der Lahn die Thüringer am Rande einer Niederlage. Böhme & Co. stellten unter Beweis, warum ein Serienmeister nie abzuschreiben ist. Dass es gestern – wie auch an der Isar – nicht gereicht hat, wird Janet McLachlan zusammen mit Gü Mayer aufarbeiten und besprechen. Sicher waren die Spieler und Verantwortlichen am gestrigen Abend nicht glücklich. Sie waren aber auch eines nicht: zu Tode betrübt. Der Erfolg der Thüringer wurde akzeptiert – und vor allem respektiert. Der RSV wird weiter hart arbeiten und alles dafür geben, die Bulls vom Thron zu stoßen. Die Fans dürfen sich auf weitere spannenden Match-ups in den kommenden Monaten und Jahren freuen. Gesten, die für mich selbstredend sind und den Stil, die gute Kinderstube und den Sportsgeist der RSV-Verantwortlichen zum Ausdruck brachten, war das persönliche, von einigen unbemerkte, persönliche Händedrücken aller Bulls-Akteure durch Andreas Joneck und Nicolai Zeltinger. Wahrer Charakter zeigt sich eben auch in der Stunde der Niederlage.

Apropos „Fans“: Die Livestream-Diskussion werde ich an dieser Stelle nicht aufgreifen. Sie wird Teil der kommenden Rollt.-Ausgabe sein. Punkt.

Der Rahmen in Erfurt war stark und stimmig. Ob nun 800 oder 1.000 Fans sei mal dahingestellt. Die Zuschauer gaben dem Sport, den Teams, dem Endspiel und den Athleten einen würdigen Rahmen. Wer nicht vor Ort war, hat sportlich und stimmungstechnisch etwas verpasst. Wenn nur eine Handvoll neue, den Sport multiplizierende Zuschauer in der Halle waren, hat sich der immense Aufwand für die Thüringer und Rollstuhlbaketball-Deutschland gelohnt.

Ein Wort noch zu den Jungs und Mädels, die einen wichtigen Beitrag zur „Rollstuhlbasketball-Produktqualität“ beitragen: die Unparteiischen. Sowohl letzte Woche in Mittelhessen als auch gestern in Erfurt haben die Männer in grau einen unaufgeregten, unprätentiösen und – in meinen Augen – exzellenten Job gemacht. Die Refs waren „linientreu“, unsichtbar und einer Deutschen Meisterschaft würdig. Gute Arbeit, aber auch Qualitätslücken wie (andere Baustelle) im Champions League Halbfinale zwischen Albacete und Madrid, dürfen und müssen sachlich thematisiert werden.

Mir bleibt nur noch, dem verdienten Deutschen Meister und Triple-Champion zu gratulieren, dem Finalgegner meinen Respekt zu zollen und allen Helfern, Ehrenamtlern, Partner und Beteiligten zu danken und zu sagen: Würdiger Meister, würdiger Gegner, würdiger Rahmen.

Text: Martin Schenk | Foto: Steffie Wunderl

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