Die diesjährigen Europapokal-Wettbewerbe sind definitiv eine der stärksten Vorstellungen deutscher Teams seit Langem, wenn nicht aller Zeiten. Champions-Cup und André-Vergauwen-Cup gehen nach Deutschland, dazu einmal Bronze und zahlreiche Allstar-Ehren. Fraglos wird der Erfolg dieser Saison Maßstäbe setzen und hat gezeigt, dass die RBBL durch ihre Qualitätsdichte momentan die stärkste Liga Europas ist.
Man kann diskutieren, welcher Europapokal-Triumph die größere Überraschung war. Für mich sind es die Goldmann Dolphins Trier. Was die Mannschaft um Dirk Passiwan mit einem Sieben-Personen-Kader im André-Vergauwen-Cup bewegt hat, ist für mich auch heute noch unfassbar – und das Finalergebnis ist aberwitzig. Trier mag quasi keine Wechseloptionen gehabt haben, aber der Kern des Teams hat sein maximales Potenzial abgerufen und riesigen Willen gezeigt, die gemeinsame Zeit zu krönen. Es zeichnet sich ab, dass die Moselstädter einem Umbruch entgegen gehen – umso schöner, dass es ein Happy-End gab.
Auch mit dem sechsten Champions-Cup-Triumph des RSV Lahn-Dill war nicht unbedingt zu rechnen. Die Gruppenphase mit Galatasaray, Santa Lucia und Cantù war gut und gerne die stärkste Vorrundengruppe der letzten Jahre, quasi ein europäisches Final-Four. Das unfassbare 80:50 über Istanbul war der Grundstein dafür, dass auch die Niederlage gegen Santa Lucia ohne Folgen blieb und der fünffache Champion aus der Türkei in einem Dreiervergleich Opfer seiner Korbdfferenz wurde und nur in die Trostrunde einzog.
In der zweiten Gruppe hatte das Oettinger RSB Team Thüringen leichtere Gegner und musste zudem eine Niederlage gegen den späteren Finalisten CD Ilunion aus Madrid einstecken. Das Halbfinale gegen den RSV Lahn-Dill war dann aber eine Galavorstellung des deutschen Rollstuhlbasketballs, die Teemu Partanen mit einem Hakenwurf von der Mittellinie um fünf Minuten verlängerte. Am Ende musste das RSB Team der hohen Foulbelastung Tribut zollen, und der RSV Lahn-Dill marschierte einem Finale gegen CD Ilunion entgegen, das seinesgleichen suchte. Über weite Strecken vernichtete die Defensive der Hessen jede Chance der Madrilenen, und der RSV Lahn-Dill eroberte den Thron als Rekordsieger im wichtigsten europäischen Vereinswettbewerb.
Für die Thüringer Champions-Cup-Debütanten reichte es am Ende nur für Rang vier – die abgezockten Routiniers von Santa Lucia waren (noch) eine Hausnummer zu groß. Auch wenn die Mannschaft von Trainer Josef Jaglowski nun mit leeren Händen aus der Saison geht, lässt sich nicht verkennen, dass sich das RSB-Team national wie international aktuell der größte Herausforderer des RSV Lahn-Dill etabliert hat. Das manifestiert sich auch in der Allstar-Wahl – mit Mikey Paye, Steve Serio, Alexander Halouski und Raimunds Beginskis haben es gleich vier RBBL-Akteure in die Turnierauswahl geschafft.
Als starken Saison-Abschluss können auch die Köln 99ers ihre Europapokalreise verbuchen – bei der Finalrunde mussten die Domstädter auf Marina Mohnen verzichten und hatten damit auch nur begrenzte Wechseloptionen. Der dritte Platz im Willi-Brinkmann-Cup ist ein tolles Ergebnis für den Beinahe-Absteiger und bestätigt, dass das schlechte Abschneiden in der RBBL hauptsächlich ein Problem der Hinrunde war und die 99ers im Jahr 2015 ein Team sind, das sich vor keinem Gegner verstecken muss.
Weniger glücklich verlief der André-Vergauwen-Cup für die BG Baskets Hamburg. Die Hoffnungen, wie im Vorjahr einen europäischen Pokal mit nach Hause zu nehmen, waren schon früh im Turnier so zerbeult wie der Sportrollstuhl von Center Reo Fujimoto nach der Anreise. Von der Auftaktniederlage gegen den deutschen Konkurrenten aus Trier erholten sich die Nordlichter nicht mehr, die Trostrunde ist sicherlich nicht das Ziel der BG Baskets gewesen, aber unter den gegebenen Umständen war wohl für Holger Glinicki nicht mehr drin. Das gilt ebenso für die Rollers Bulls, die als Neuntplatzierter der RBBL-Saison schon mit dem Einzug in die Finalrunde einen großen Erfolg verbucht hatten und der europäischen Konkurrenz kaum etwas entgegen zu setzen hatten.
Text: Daniel Stange