Rollt. #25 | Das rollende Porträt | Anna Teubner

Spielverständnis, Fingerspitzengefühl und Durchsetzungsvermögen

Mit diesen drei Worten beschreibt Anna Teubner die Kernkompetenzen einer Schiedsrichterin. Seit 2014 pfeift sie mit Herzblut und Leidenschaft den Rollstuhlbasketball und weiß: Wer als Schiedsrichter bestehen will, muss sich damit anfreunden, nicht Everybody´s Darling zu sein.

Anna Teubner war erst 15 Jahre alt, als sie zum ersten Mal am Rande des Basketballfelds stand, um ein Spiel zu pfeifen. Damals noch im Fußgängerbasketball. Sie spielte in der U18 und in der Landesliga und wollte ihren Trainerschein machen. Die Voraussetzung dafür war jedoch der Schiedsrichterschein. „Das war schon eine ziemlich harte und charakterbildende Schule. Man muss sich echt durchbeißen, wenn man Schiedsrichterin ist, und man muss damit klarkommen, dass man es nicht jedem auf dem Feld rechtmachen kann. Nach dem ersten Jahr wollte ich am liebsten aufhören“, erzählt sie. Doch Anna Teubner ist keine Frau, die sich so leicht unterkriegen lässt. Sie blieb dem Fußgängerbasketball als Spielerin und Schiedsrichterin treu.

In der Saison 2008/2009 hörte Teubner dann mit dem Fußgängerbasketball auf. Der Sport wurde zu zeitintensiv: Sie spielte in der 2. Bundesliga in Gotha und absolvierte nebenbei ein Studium in Leipzig, pendelte also dauerhaft zwischen Thüringen und Sachsen. Darüber hinaus hatte ihr Entschluss vor allem auch eine gesundheitliche Ursache: „Meine Ärztin hatte mir geraten, dass ich mit dem Basketball aufhören sollte, weil mein Knie kaputt war“, erzählt die heute 32-Jährige. Als sie 2010 wieder zum Sport zurückkehren wollte, suchte sie eine Alternative zum Basketball. Und weil ihre ehemalige Basketballtrainerin das Management des neu gegründeten Rollstuhlbasketballteams „Jena Caputs“ in Teubners Heimatstadt Jena übernommen hatte, kam Anna Teubner somit zum ersten Mal mit dem Rollstuhlbasketball in Kontakt. Sie begann, bei den Caputs zu spielen. „Das sah die ersten zwei Jahre wirklich nicht nach Basketball aus, was ich da getan habe. Ich glaube, meine Mitspieler haben sich liebevoll über mich lustig gemacht“, erzählt Teubner und lacht. „Der Ball ist immer knapp einen Meter vor dem Korb wieder runtergefallen, weil ich meine Kraft nicht mehr wie beim Fußgängerbasketball aus den Beinen, sondern plötzlich aus den Armen nehmen musste – und da hatte ich überhaupt keine Kraft. Nach jedem Training waren meine Hände eine einzige, offene Fläche“, erinnert sie sich.

Anna Teubner hatte die Möglichkeit, beide Arten des Basketballs kennenzulernen – besser gefallen hat ihr aber der Rollstuhlbasketball.

„Ich finde, da muss man einfach noch taktischer und teambezogener spielen als im Fußgängerbasketball“, erklärt die 32-Jährige. Der Rollstuhlsport hat Eindruck bei ihr hinterlassen: „Man trifft da auf vollkommen unterschiedliche Leute. Menschen, die durch den Sport wieder eine neue Motivation im Leben gefunden haben. Es ist egal, ob du Frau, Mann, Rollstuhlfahrer oder Fußgänger bist. Das finde ich absolut beeindruckend. Und es ist ein wahnsinnig herzliches Miteinander.“ Außerdem schätzt sie es, dass man sich durch die kleine Szene untereinander kennt und das Umfeld damit familiärer ist als beim Fußgängerbasketball. So kam es, dass sie bei einem Spiel von einem Bundesligaschiedsrichter angesprochen wurde. Er hatte mitbekommen, dass sie früher bei den Fußgängern gepfiffen hat und bat ihr an, nun auch im Rollstuhlbasketball zu pfeifen. Anna Teubner nahm die neue Herausforderung an und begann 2014, die Regionalliga zu pfeifen. Bereits 2015 stieg sie als Schiedsrichterin in die 2. Bundesliga auf und pfeift seit 2017 auch die 1. Liga.

Verglichen mit dem Fußgängerbasketball: Worin liegen beim Rollstuhlbasketball die größten Herausforderungen, wenn man ein Spiel pfeift?

„Ganz schwer zu beurteilen sind die Kontakte mit dem Stuhl. Man muss sich echt anstrengen, die Kontakte richtig zu beurteilen und dabei zu berücksichtigen, dass schon ein kleiner Kontakt eine große Auswirkung haben kann, selbst wenn es nicht danach aussieht“, erklärt Teubner. Ebenso bedeuten ein lautstarker Zusammenstoß oder ein Spieler, der aus dem Stuhl fällt, nicht gleich ein Foul: „Das zu verinnerlichen war für mich die größte Umstellung vom Fußgänger- auf den Rollstuhlbasketball“, gibt die 32-Jährige zu.

Hauptberuflich arbeitet sie bei der Unternehmensberatung der Deutschen Bahn. Dort kümmert sich Teubner um die IT ihrer Abteilung und pendelt zwischen Frankfurt und Berlin – ein zeitintensiver Job. Mit ein Grund dafür, weshalb sie ihre aktive Zeit als Rollstuhlbasketballspielerin beendete: „Die Entscheidung, meine Spielerkarriere zu beenden und mich auf mein Schiedsrichteramt zu konzentrieren, war auch eine Pragmatische: Um im Rollstuhlbasketball ohne Minimalbehinderung hochklassig spielen zu können, muss man wirklich richtig gut sein. Und das war ich einfach nicht. Beim Pfeifen habe ich bei mir deutlich mehr Potential gesehen“, gesteht sich Anna Teubner ehrlich ein. Das Pfeifen ist ihre Leidenschaft. Eigentlich wollte sie dieses Jahr ihre Prüfung zur internationalen Schiedsrichterin machen. „Die Prüfung besteht aus einem Fitnesstest, einem Regeltest und Prüfungsspielen. Die größte Schwierigkeit ist aber, dass ich dort in der Zwei-Mann-Technik pfeifen werde – die kenne ich zwar noch aus früheren Zeiten in der 2. Liga, aber seit ein paar Jahren pfeifen wir dort mit drei Schiedsrichtern“, sagt Teubner. Doch aufgrund der Corona-Pandemie findet die Prüfung vorerst nicht statt. Wann der Termin nachgeholt wird, ist noch unklar. „Es wäre schön, wenn Deutschland neben Bianca Schamberger mit mir noch eine zweite aktive weibliche Schiedsrichterin auf internationaler Ebene bekommen würde“, sagt Teubner.

Text: Jana Rudolf | Foto: Steffie Wunderl

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