Alles im Leben dreht sich um Emotionen. Diese innere Gefühlswelt in Worte zu packen, insbesondere nach einzigartigen sportlichen Erfolgen, ist kein leichtes Unterfangen. Deswegen leben Nachrichten und auch die Sportwelt von packenden Bildern. Festgehaltene Augenblicke, die selbstredend sind und für sich alleinstehen. Denn: Bilder sagen mehr als Tausend Worte. Sie bringen all das zum Ausdruck, für das Athleten hart und leidenschaftlich trainieren; Menschen ihrem inneren Ruf folgen, den Schweinehund besiegen und den extra Meter gehen bzw. rollen.

Betrachtet sich der Sportfan die Bilder aus Birmingham (USA) nach dem Gewinn der Bronzemedaille durch das deutsche Lowpoint-Team, wird dem Betrachter bewusst, für was Christian Riedel, Britta Krippke & Co. die letzten Jahre trainiert haben. Es war dieser eine Augenblick am Vormittag des 17. Juli 2022, der all den Schweiß, die Lebenszeit und Energie kanalisierte und ganz Rollstuhlrugby-Deutschland zeigte, was ein Team im Stande ist zu leisten, wenn sich alle einem gemeinsamen Ziel unterordnen. Man mag zur Spiritualität und der Quantenphysik stehen wie man will, sprich diese doch davon, dass alles mit allem verbunden ist. Aber: Dieser Erfolg hat viele Väter und Mütter. Ob die Vereinsarbeit in den Klubs vor Ort, die Pressearbeit, das Staff, die Lehrgänge der Nationalmannschaft in Großwallstadt; all die Eltern, die ihr Kind ins Training fahren, die vielen Ehrenamtler, der Fachbereich, die Sponsoren und viele Menschen und Institutionen mehr. Diese internationale Medaille ist ein Erfolg der ganzen Rugby-Familie. Natürlich ist es primär der Dame und den Herren auf dem Parkett, wie auch dem Coach und dem Staff an der Seitenlinie zu verdanken, dass der deutsche Rollstuhlrugby eine ordentliche Duftmarke auf der internationalen Rugby-Landkarte hinterlassen hat. Es ist aber letztlich die Summe der Teile, die sich zu einem fabelhaften „Sieger-Puzzle“ zusammenfügten und die deutsche Equipe hauchdünn an den Top-Nationen wie Großbritannien, immerhin Paralympicssieger 2020, und dem amtierenden Weltmeister Japan „scheitern“ ließ.

Einmalige Vorlage für die Sportart

Auf diesem Erfolg und sportlichem Fundament lässt sich aufbauen; steht der junge Nachwuchs doch mit Mascha Mosel, Josco Wilke, Florian Bongard, Justus Heinrich und weiteren dynamischen Sportlern in den Rugby-Startlöchern. Dieser Schwung kann und muss für die anstehende Weltmeisterschaft im dänischen Vejle (8. Oktober – 17. Oktober) mitgenommen werden. Aber nicht nur sportlich kann der Rückenwind der World Games zur „Fahrtaufnahme“ und Beschleunigung genutzt werden, sondern auch medial und in puncto Außendarstellung. Der 1. Vorsitzende des Fachbereichs, Stefan Ebert, brachte es vor dem USA-Trip auf den Punkt, in dem er sagte, dass es viele Behindertensportler gibt, die in anderen Para-Sportarten nur mitschwimmen, im Rugby jedoch, eine gesunde intrinsische Motivation und Trainingsfleiß vorausgesetzt, zu kleine Stars reifen könnten. Diese „schlafenden Talente“ können – durch einen entsprechenden Weckruf – mit dem Sport in Berührung und für ihn begeistert werden. Dazu bedarf es einer kontinuierlichen Sichtbarkeit, prägender Erlebnisse wie dem Bernd-Best-Turnier und (Alt-)Stars wie Thomas Schuwje, Christian Riedel oder Weltklasse-Spieler wie Marco Herbst, die die Youngsters an die Hand nehmen und sie als Mensch und Sportler (be-)stärken. Wie immer im Leben, liegt alles bei einem selbst – so auch an der gesamten Rollstuhlrugby-Familie. Einer tollen und verschworenen „Clique“, der mit der Bronzemedaille eine einmalige Vorlage geliefert wurde, um „ihrem“ Sport einen ordentlichen Schub zu geben, auf das Verbindende zu schauen und für den Sport und alle Beteiligten ordentlich und spektakulär zu punkten. Worauf noch warten – auf geht’s!


 

Britta Krippke während des Lehrgangs mit der Rollstuhlrugby-Nationalmannschaft in Großwallstadt Ende August 2022 – Foto: Max Priess


Drei Stimmen zum 3. Platz

 

Wie würdest du das Gefühl beschreiben, das in dir nach Spielende aufkam?

Britta Krippke: „Eine Mischung aus Glück, Erleichterung und „Jaaaaa, geil!“, das Spiel ist aus.“

Niklas Braschoß: „Also das Gefühl war unbeschreiblich. Es war eine Mischung aus Freude, Stolz und Befreiung des Drucks, der von mir abfiel.“

Thomas Schuwje: „Eine riesige Erleichterung, dass wir das Spiel gerockt und die Bronzemedaille geholt haben.

 

Und was waren deine ersten Gedanken?

Britta Krippke: „Unsere Taktik gegen Kanada ist erneut aufgegangen, wir haben die Nerven behalten und haben die Medaille mehr als verdient.“

Niklas Braschoß: „Nachdem ich das Finalspiel gesehen hatte, habe ich mich auch etwas geärgert, denn die Spiele gegen Japan und England hätten auch anders ausgehen können.“

 

Was bedeutet diese internationale Medaille für dich, das Team und die Sportart hierzulande?

Britta Krippke: Es ist ein großartiges Gefühl, dass wir mit den Lowpointern erfolgreich in Birmingham gespielt haben und den Top Teams dieser Welt auf Augenhöhe begegnet sind.“

Thomas Schuwje: „Sehr viel, da es eine internationale Medaille ist. Das Turnier hat denselben Stellenwert wie Olympia bzw. die Paralympics. Es macht ich stolz, mit diesem Team dabei gewesen zu sein.

Niklas Braschoß: „Mein erster Gedanken war, dass wir es echt geschafft und ein Stück deutsche Rollstuhlrugby-Geschichte geschrieben haben. Wir als Kollektiv bei den ersten World Games Bronze geholt haben. Obwohl niemand wirklich mit uns gerechnet hatte. Dieser Titel bzw. die Medaille bedeutet für mich sehr viel, denn es zeigt mir eindrücklich, dass es sich lohnt, hart für solche Momente zu arbeiten und zu trainieren. Ich denke, dass es auch eine Chance ist, den einen oder die andere hierzulande anzustupsen. Sie sich motivieren, noch mehr zu trainieren. Denn viele haben jetzt gesehen, dass Deutschland im Lowpoint-Bereich sehr weit oben mitspielt.“

 

Was waren deiner Meinung nach die drei Erfolgsgaranten für den Erfolg in Birmingham?

Britta Krippke: „Der Teamgeist, die Taktikeinstellung und der Spaß an unserem Sport. Dies waren für mich die Schlüssel zum Erfolg.“

Niklas Braschoß: „Ich denke, die Erfolgsgaranten waren die generelle Stimmung im Team, die taktischen Einstellungen durch Christian sowie der Ehrgeiz im Team. Wir haben von Anfang an, und zwar in jedem Spiel, jeden Gegner unser Spiel aufgezwungen. Es ist uns gelungen auch Teams wie England und Japan bis zum vierten Viertel zu ärgern.“

Thomas Schuwje: „Für mich waren es zwei wesentliche Faktoren, und zwar der Zusammenhalt der Mannschaft und die taktische Vorbereitung.“


Abflug zu den World Games nach Birmingham (USA) – Foto: privat


„Sie haben geliefert!“ – Nachgehakt bei Stefan Ebert (1. Vorsitzender | Fachbereich Rollstuhlrugby) 

 

Stefan, mit ein wenig Abstand: Welchen Stellenwert hat die „World Games Bronzemedaille“ für den Sport hierzulande und den Fachbereich Rollstuhlrugby? 

„Eine Medaille auf der Weltbühne ist für uns alle etwas sehr Besonderes. Für die Teammitglieder, gerade mit Blick auf das stark besetzte Turnier, sicherlich ein Highlight in ihrer Sportlerkarriere. Für uns als Fachbereich (FB) war es die Bestätigung, dass wir in Deutschland wirklich gute Lowpointer haben, und es ist großartig, dass die jahrelange Arbeit der vielen Engagierten, Helfer und Klubs auf diese Weise belohnt wird.“

 

Und wie kann diese genutzt werden, um den Athleten und dem Sport einen Schub zu geben? 

„Es spricht vieles dafür, dass die Berücksichtigung des „Lowpoint-Rugby“ im World-Games-Katalog keine Eintagsfliege war …“

 

Das heißt konkret?

„Wer talentierter Lowpointer ist und sich das Alter einiger teilnehmender Spieler ansieht, wird erkennen und sehen, wofür es sich lohnt, zu trainieren. Der FB wird für Lowpoint-Rugby testweise in der Breite ein, zwei Angebote schaffen. Was darüber hinaus möglich ist, werden wir sehen. Ich bin positiv gestimmt.“

 

Woran machst du den Erfolg des Teams fest? 

„Ganz klar an den Ergebnissen.“

 

Das musst du kurz erläutern.

Nun, die Schweizer, die 5. der World Games wurden, waren in Europa jahrelang unser Maßstab – sozusagen der Benchmark. Wir sind vor ihnen gelandet. Und nach dem Spiel der Japaner, die Silber holten und gegen die Briten deutlich mit 27:46 das Nachsehen in der Vorrunde hatten, hätte sich keiner gewundert, wenn auch unser Team gegen GB unter die Räder gekommen wäre. Dass die Briten gegen uns erst im 4. Viertel, auch dank des Spielplans, Oberwasser bekamen, zeigte, wie stark das Kollektiv war.“

 

Wenn du die Reise des Lowpoint-Teams in die USA in einem Satz beschreiben müsstest, dann würde dieser wie folgt lauten? 

„Sie haben geliefert.“

 

Was möchtest du dem Team und dem Staff gerne sagen?

Ein ganz großes Dankeschön! Ihr habt uns und unseren Sport erfolgreich und würdig vertreten.

 

Danke, Stefan.


Endklassement | World Games

  1. Großbritannien
  2. Japan
  3. Deutschland
  4. Kanada
  5. Schweiz
  6. USA

Ergebnisse

14.07 – Kanada 41:33

14.07 – Japan: 30:35

15.07 – USA: 59:15

16.07 – Schweiz: 41:23

16.07 – Großbritannien: 32:38

17.07 – Kanada: 44:30

 

Texte: Martin Schenk | Foto: Max Priess

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