Rollendes Porträt: Mojtaba Kamali – Alles für den Traum von Los Angeles

Seit sechs Jahren spielt Mojtaba Kamali in Deutschland, mit den Rhine River Rhinos gelang dem Iraner zuletzt eine historisch erfolgreiche Saison. Aber nicht nur das, zu Beginn des Jahres wurde er auch erstmals zu einem Lehrgang der deutschen Nationalmannschaft eingeladen, nachdem er einen Nationenwechsel vollzogen hatte. Der große Traum: Los Angeles 2028 mit dem deutschen Team.

Es war eine denkwürdige Saison für die Rhine River Rhinos aus Wiesbaden: Man verpasste gegen den Rekordmeister RSV Lahn-Dill nur knapp das Playoff-Finale um die deutsche Meisterschaft, im Pokal kam man so weit wie noch nie zuvor und schließlich krönte das Team seine erfolgreiche Saison mit dem ersten internationalen Titel der Vereinsgeschichte, dem Gewinn des EuroCup2. Eben ganz nach dem Klubmotto „You can’t stop a running Rhino“.

Neben Spielertrainer Michael Paye und Nico Dreimüller, die als Offensivduo dem Spiel ihren Stempel aufdrückten, hatte auch Mojtaba Kamali einen erheblichen Anteil am Erfolg der Rhine River Rhinos. „Das ist eine große Geschichte für Wiesbaden, dass wir den EuroCup2 gewonnen und am Finaleinzug um den Meistertitel und Pokal nur knapp gescheitert sind“, so der 26-Jährige im Gespräch mit Rollt. „Es war eine echt geile Saison für uns.“

Schon früh von zuhause weg

Seit 2022 spielt der Iraner bereits für die Rhinos, diese Saison war bislang seine erfolgsreichste in Wiesbaden. Hinter Paye sowie Dreimüller erzielte er die meisten Punkte für das Team, durchschnittlich 13.5 pro Spiel, die Rebound-Statistik führt er vereinsintern sogar an. Mit 9.0 Rebounds pro Spiel gehört er in dieser Saison zu den besten Reboundern der Rollstuhlbasketball-Bundesliga. Bevor Kamali an den Rhein wechselte, spielte er für drei Jahre in Hamburg bei den BG Baskets. Dorthin lockte ihn 2019 Landsmann und BG-Trainer Alireza Ahmadi, der ihn entdeckte, als Kamali noch für den türkischen Zweitligisten B.B. Ankaraspor unter Vertrag stand. Schnell etablierte sich der damalige U23-Nationalspieler des Irans als Leistungsträger, in seiner zweiten Saison entwickelte sich Kamali sogar zum zweitbesten Scorer der Bundesliga.

Seinen Anfang nahm Kamalis Rollstuhlbasketball-Karriere im iranischen Shiraz, wo er schon auf Klublevel spielte, als er gerade einmal 13 Jahre alt war. Nur wenige Jahre später, mit 17, verließ er seine Heimat Richtung Türkei. Die ersten Monate ohne Familie und Freunde seien hart gewesen, erinnert sich Kamali. „Das war schwierig damals, aber ich habe mich bewusst für diesen Weg entschieden. Einfach, weil ich den Sport so sehr liebe. Am Ende musste ich Geduld und Vertrauen haben, dass das alles so klappt.“


Mojtaba Kamali und Rhinos-Manager Mirko Korder – Foto: Ana Sasse


Per Zufall zum Rollstuhlbasketball

Und bisher läuft es richtig gut für den Center. Während seiner Zeit in Hamburg wurde Kamali erstmals in die Nationalmannschaft des Irans berufen, nachdem er für die U23-Auswahl bereits an der Weltmeisterschaft 2017 teilnahm und dort den achten Platz belegte. Der Höhepunkt? Die Nominierung für die paralympischen Spiele 2021 in Tokio. Für ihn ein Traum, der in Erfüllung ging. Rasch erspielte er sich einen Platz in der Starting Five – so auch im Gruppenspiel gegen Deutschland, welches der Iran nur knapp verlor. Schließlich holte Kamali mit seinem Team den neunten Platz.

Ein schneller Aufstieg für den damals noch jungen Rollstuhlbasketballer, dabei kam er eher per Zufall zum Sport. Kamali war neun Jahre alt, als er seiner Mutter beim Einkauf helfen sollte. Auf dem Weg zum Laden ging seine Prothese kaputt, so dass er jemanden um Hilfe bitten musste. Dieser jemand lud ihn dann ein, Rollstuhlbasketball auszuprobieren. „Ich habe vorher nur ganz normal Fußball gespielt“, so Kamali. „Ich bin dann also zum Training gegangen und das hat mir so sehr gefallen, dass ich weitergemacht habe.“ Zwar sei Rollstuhlbasketball im Iran beliebt – die Nationalmannschaft der Männer nahm schon mehrfach an Paralympics und Weltmeisterschaften teil – aber eine große Karriere sei dort dennoch nicht möglich. „Man kann das nicht mit der Bundesliga in Deutschland oder mit anderen Ländern vergleichen“, sagt Kamali. „Es gibt einfach kaum Sponsoren im Iran.“

Vom Iran in die deutsche Nationalmannschaft

Der Auftritt bei den Paralympics in Tokio war sodann auch vorerst sein letzter für sein Heimatland. Denn vor rund vier Jahren bekam Kamali das Angebot, zum deutschen Verband zu wechseln. Dafür durfte er aber vier Jahre lang – so die offiziellen Regeln des Internationalen Rollstuhlbasketball-Dachverbands IWBF – kein Länderspiel für den Iran absolvieren. „Ich wurde gefragt, ob ich Interesse habe, da ich schon länger in Deutschland leben würde und noch so jung sei. Da habe ich mich dann für einen Nationenwechsel entschieden“, so der Iraner. „Mein Lebensmittelpunkt liegt hier und ich wollte mir mein Leben in Deutschland noch weiter aufbauen. Deshalb bin ich nicht zur iranischen Nationalmannschaft zurückgekehrt.“

Stattdessen sei nun sein großes Ziel und auch Traum, mit dem deutschen Team bei den paralympischen Spielen 2028 in Los Angeles dabei zu sein. Eine erste Hürde nahm Kamali dabei schon. Erst zu Beginn des Jahres wurde er von Michael Engel, zu dem Zeitpunkt nach seinem Rücktritt kommissarischer Bundestrainer der Männer, zum Auftaktlehrgang der Nationalmannschaft nach Kienbaum eingeladen. „Leider habe ich es nicht in den endgültigen Zwölf-Mann-Kader geschafft, aber ich gebe weiterhin mein Bestes, bald dazuzugehören.“

Alles für den großen Traum von Los Angeles

Um sich seinen Traum von den Paralympics in L.A. zu erfüllen, ordnet Kamali dem Sport alles unter. So beschreibt er sich selbst als harten Arbeiter, der für seine Karriere alles gibt. Danach gefragt, was er gerne einmal selbst über sich geschrieben sehen möchte, antwortet er genau dies. „Ja, dass ich einfach viel arbeite. Und dass ich immer weiter mache, auch wenn das Training eigentlich schon vorbei ist.“ Aus diesem Grund sei es auch kaum möglich, neben dem Sport eine Ausbildung zu machen. Diese würde viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen. „Eigentlich wollte ich eine Ausbildung als Zahnarztassistent anfangen, aber das passt nicht mit den Trainingszeiten zusammen“, meint Kamali.

Fünf Stunden würden die Rhine River Rhinos täglich trainieren, da bleibe für eine 40-Stunden-Woche nicht viel Zeit. „Ich habe dann auch keine Kraft mehr, um im Training 100 Prozent zu geben.“ Deshalb suche er sich nun in der Saisonpause einen Teilzeitjob. Das würde ihm auch erlauben, zu seiner Familie in den Iran zu reisen, die alle weiterhin dort leben. Sowieso spiele seine Familie eine große Rolle, aus ihr ziehe er seine Motivation. „Mein Vater hat mir auf meinem Weg immer vertraut und mir gesagt, wie stolz er auf mich sei“, erzählt Kamali gerührt. „Und dass ich immer weiter machen soll.“

Das Karriereende in sehr ferner Weite

Kamali möchte auch zeigen, dass ein Leben als Rollstuhlbasketball-Profi möglich ist – sowohl, wenn er zum Beispiel bei den Paralympics im iranischen TV zu sehen ist, als auch auf der sozialen Mediaplattform Instagram, wo er regelmäßig inspirierende Sprüche oder sportliche Reels postet. „Ich will zeigen, dass unser Sport wie der Fußgängerbasketball auch interessant ist“, so Kamali, der nach dem frühen Weggang aus der Heimat nun seinen Traum lebt. „Dank des Sports kann ich mir meine Wohnung, mein Auto leisten. Und ich spiele in einer der besten Ligen der Welt. Das liebe ich sehr.“

Ein Karriereende ist also nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil: Kamali will spielen, bis er mindestens 48 Jahre alt ist. Auf die Frage, weshalb er gerade das Alter im Kopf hat, muss er lachen. Und nennt seinen Wiesbadener Trainer Michael Paye als Vorbild. „Er ist jetzt 44 Jahre alt und immer noch Profi. Genauso wie LeBron James. Ich schaue viel die NBA. Er ist 41 und immer noch topfit. Das will ich auch schaffen.“

Mit Wiesbaden noch viel vor

Doch zunächst einmal konzentriert sich Kamali auf die Rhine River Rhinos, für die er auch in der nächsten Saison an den Start gehen wird. Auch wenn nun mit Paye deren Trainer zum Konkurrenten nach Wetzlar wechselt, sieht der Iraner die Zukunft positiv. „Unser Assistenztrainer bleibt und er leistet ebenfalls eine großartige Arbeit“, ist Kamali überzeugt. „Außerdem haben wir ein gutes Team, also vielleicht schaffen wir es nächstes Jahr ins Finale vom Pokal oder den Playoffs.“ Sollte das der Fall sein, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis Kamali auch für die deutsche Nationalmannschaft auf dem Court steht.

Text: Katarina Schubert, erschienen in Rollt.-Ausgabe #41 (Juli 2025) | Fotos: Ana Sasse

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