Robyn Love & Laurie Williams: „Wir sind alle Athletinnen mit einem gemeinsamen Ziel – da sollte die sexuelle Orientierung keine Rolle spielen.“

Die britischen Rollstuhlbasketballerinnen Robyn Love und Laurie Williams sind zwei Frohnaturen, die über beide Ohren strahlen, wenn sie über ihre Liebe zueinander sprechen. Die beiden haben sich gefunden – bereit, Seite an Seite den Rest ihres Lebens miteinander zu verbringen.

Ihre Geschichte beginnt noch bevor sich die beiden je gesehen oder gesprochen haben. Sie beginnt nämlich dann, als Robyn Love die paralympischen Sommerspiele 2012 im Fernsehen verfolgt und dort zum ersten Mal ein Rollstuhlbasketballspiel sieht. Was sie aber nicht weiß, ist, dass ihre heutige Verlobte Laurie Williams an diesem Tag ihr paralympisches Debüt hat und Love ihr dabei zusieht. „Ich dachte mir nur: Das sieht interessant aus, das will ich probieren!“, erzählt Love lachend.

Im November 2013 schließt sich Robyn Love dem Lothian Phoenix Club an. Weil sie mit einer Arthrogrypose geboren wurde – einer seltenen Erkrankung, bei der die Muskeln ihres rechten Beins verkürzt sind – wird sie als 3,5-Punkte-Spielerin klassifiziert. Die geborene Schottin hat großes Talent und besucht schon ein Jahr später ein Trainingslager der Nationalmannschaft. Im Dezember 2014 nimmt sie an deren Christmas Camp Teil und teilt sich dort ausgerechnet mit der 2,5-Punkte-Spielerin Laurie Williams das Zimmer: „Das Camp war ziemlich anstrengend, wir haben jeden Tag mehrmals trainiert und Laurie und ich haben uns rund um die Uhr gesehen“, erzählt Love. Dadurch lernen die beiden sich näher kennen und beginnen, sich zu daten.

Im Februar 2015 werden Love und Williams ein Paar.

„Ich war noch neu im Nationalteam und deshalb nervös, wie die anderen reagieren würden. Für die Mannschaft war das aber überhaupt kein Problem, dass Laurie und ich ein Paar sind“, sagt Love. „Der Rollstuhlbasketball ist auch gleichzeitig unser Beruf und wir verhalten uns dort sehr professionell. Im Team fällt es nicht auf, dass wir beide ein Paar sind“, ergänzt Williams. An fünf Tagen pro Woche trainieren die beiden zusammen mit der Mannschaft. Diese Disziplin verlangt beiden Spielerinnen viel ab: „Aber wir motivieren uns gegenseitig ziemlich gut. Wir haben unterschiedliche Stärken und Schwächen im Spiel – damit können wir uns ergänzen und gegenseitig dabei helfen, uns weiterzuentwickeln“, sagt Laurie Williams. „Was aber nicht heißt, dass wir uns nicht auch mal auf die Nerven gehen!“, fügt sie lachend hinzu.

2016 meistern die beiden gemeinsam im britischen Team die Paralympics in Rio. Für Love sind es die ersten Spiele, für Williams die zweiten. „Wir haben viel darüber gesprochen, was wir während dieser Zeit voneinander erwarten. Da waren teilweise auch schwierige Gespräche dabei, aber wenn man will, dass man als Paar und als Team funktioniert, dann ist Kommunikation der ausschlaggebende Punkt. Und ich bin dankbar, dass wir diese besondere Erinnerung miteinander teilen können“, erzählt Love. „Es tat auch gut zu wissen, dass wir uns gerade in dieser Zeit aufeinander verlassen können und uns gegenseitig pushen“, meint Williams ergänzend.

Den Rollstuhlbasketball beschreibt das Paar als extrem tolerante Community.

Laurie & Robyn

„Als ich mit dem Rollstuhlbasketball begonnen habe, gab es in meiner Mannschaft viele homosexuelle Spielerinnen. Ich habe mich sofort wohlgefühlt, weil ich mich nicht verstecken musste und Vorbilder in meinem Sport hatte“, teilt Robyn Love ihre Erfahrung. Ihre Verlobte Williams bestätigt: „Innerhalb des britischen Rollstuhlbasketballs gibt es eine große Repräsentation der LGBTQ-Community. Wir sind alle Athletinnen mit einem gemeinsamen Ziel – da sollte die sexuelle Orientierung keine Rolle spielen.“ Doch sind sich die beiden auch einig, dass die Toleranz nicht auf jeden Sport zutrifft. Sie erzählen von einem britischen Fußballer, dessen öffentliches Coming-Out von der Gesellschaft sehr negativ aufgefasst wurde. „Das ist eine Schande“, sagt Love. Sie betont, wie wichtig Organisationen seien, die sich für die Rechte Homosexueller einsetzen: „Je mehr Menschen zu dem stehen, was sie sind, desto mehr fängt die Gesellschaft damit an, Homosexualität zu akzeptieren. Und die Menschen brauchen Vorbilder, zu denen sie aufschauen können. Auch wenn es keine leichte Aufgabe ist, dieses Vorbild zu sein.“

Doch genau das versuchen Love und Williams auf Instagram: „Wenn es auch nur einer einzigen Person hilft, dass ich auf Social Media mein authentisches Selbst offenbare, dann habe ich damit schon einiges erreicht!“, ist sich Robyn Love sicher. Für Laurie Williams ist die Repräsentation ausschlaggebend: „Früher gab es vielleicht eine einzige Person im Umfeld, die auch lesbisch war. Aber das hat sich mittlerweile geändert, denn das Internet ist ein wundervoller Ort, um Leute zu finden, mit denen man sich identifizieren kann.“ Sie erzählen, dass Social Media auch beim Coming-Out eine große Stütze ist. Auf Instagram und Facebook gebe es zahlreiche LGBTQ-Gruppen, denen man beitreten kann, um neue Kontakte zu knüpfen. „Die LGBTQ-Community empfängt jedes neue Mitglied mit offenen Armen. Sie ist so voller Stolz, Liebe und Menschen, die dich in ihrem Kreis aufnehmen und dir das Gefühl geben, dass du ein Teil von ihnen bist. Sie sind dein sicheres Umfeld, in dem du einfach genauso sein kannst, wie du bist – ohne Angst davor haben zu müssen, abgelehnt zu werden“, schwärmt Williams.

Das Paar ist sich einig, dass der Prozess des Coming-Outs ganz individuell geschieht und es dabei weder ein Richtig noch ein Falsch gibt. „Sich zu outen kann etwas ganz Wundervolles sein. Und jeder sollte dabei selbst entscheiden dürfen, wann er bereit dafür ist“, sagt Laurie Williams. Sie ist 20 Jahre alt als sie sich outet: „Ich habe mir große Gedanken darüber gemacht, wie meine Familie reagieren würde. Für mich war das eine sehr emotionale Zeit. Aber sie haben genauso reagiert wie man es sich wünscht und das hat mir innerlich eine große Last genommen. Ich weiß noch, wie meine Mama zu mir meinte: Es macht keinen Unterschied, wen du liebst, solange du sein kannst, wer du wirklich bist.“ Love wartet mit ihrem Outing, bis sie eine feste Freundin hat: „Ich wollte nicht, dass irgendjemand sagt: Das ist nur eine Phase. Als ich meine Familie zusammengetrommelt habe, um es ihnen zu erzählen, waren meine Eltern eigentlich nur froh, dass ich nicht schwanger war. Und meine Jüngste von vier Schwestern meinte: Wenn du lesbisch sein willst, dann sei lesbisch, das ist doch okay.“ Die beiden raten jedem, sich mit seinem Outing nicht unter Druck zu setzen und sich selbst die Zeit zu geben, um sich anzunehmen und in der eigenen Haut wohlzufühlen.

Ein Heiratsantrag in der Stadt der Liebe vor dem Eiffelturm.

Die Paralympics und der gemeinsame Sport haben die beiden zusammengeschweißt. Love und Williams sind nicht nur im Basketball, sondern auch privat, ein unzertrennliches Team geworden. Nach fünfjähriger Beziehung macht Robyn ihrer Laurie im Februar 2020 den Heiratsantrag: Vor dem Eiffelturm in Paris – der Stadt der Liebe. „Wir waren davor noch mit der Mannschaft in Japan und von dort aus wollten wir dann direkt für Lauries Geburtstag nach Paris fliegen. Deshalb war es ziemlich schwierig für mich, den Antrag zu planen“, erinnert sich Love. Erschwert wurde ihr Plan durch eine Flugverzögerung von 13 Stunden: „Wir sind nach der Landung direkt nach Hause gefahren, haben alles umgepackt und saßen bereits eine Stunde später im Taxi zum Flughafen, um weiter nach Paris zu fliegen. Das war alles ziemlich stressig und wir waren beide sehr erschöpft. In Paris hatten wir aber zum Glück ein paar Tage Zeit zur Erholung, bevor ich Laurie den Antrag gemacht habe.“

Für den Antrag hat sich Love einen ganz besonderen Platz ausgesucht – mitten im Grünen, im Hintergrund den Eiffelturm. So turbulent die Anreise nach Paris auch war, haben die beiden in diesem Moment das große Glück, ungestört von Passanten oder Touristen zu sein. „Ich habe Laurie gefragt, ob wir nicht ein Bild auf dem Rasen machen können. Sie war wenig begeistert, weil das mit dem Rollstuhl auf dem Gras gar nicht so einfach ist, aber hat mir zuliebe mitgemacht. Also habe ich mein Handy auf ein kleines Stativ gestellt und so getan, als ob ich Bilder mache, aber eigentlich habe ich alles gefilmt. Dann bin ich vor ihr auf die Knie gegangen und sie hat Ja gesagt“, erzählt Love lächelnd. Laurie Williams gibt schmunzelnd zu, dass sie nicht mit dem Antrag gerechnet hat: „Robyn ist nicht unbedingte die Beste im Planen und Organisieren. Deshalb dachte ich eigentlich, dass ich diejenige sein werde, die den Antrag macht.“

In ihren Augen liegt ein verliebter Blick und beide strahlen über das ganze Gesicht. Es ist nicht zu übersehen, wie glücklich das Paar miteinander ist. Das Geheimnis der beiden? „Du musst dich gegenseitig akzeptieren, mit allen Ecken und Kanten. So wie Laurie weiß, dass ich nicht sonderlich gut organisiert bin – aber das bin eben ich, also akzeptiert sie das und unterstützt mich so gut sie kann. Ganz genau so, wie auch ich sie unterstütze“, verrät Robyn Love mit einem Lächeln. Liebevoll legt sie ihrer Verlobten den Arm um die Schulter. Die beiden lieben, wer sie sind, und sind sich sicher: Wahre Liebe kennt kein Geschlecht.

Text: Jana Rudolf | Fotos: privat

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