Frau Mohnen ist lieb, nett, ehrgeizig und hilfsbereit. Was sich liest wie der Beginn eines Rosamunde-Pilcher-Romans bzw. die Stellenanzeige für eine Servicekraft, ist in Wirklichkeit die Beschreibung der Team-Germany-Kapitänin durch ihre Teamkolleginnen. Aber die 275-fache Nationalspielerin kann auch anders. Zum Beispiel ungemütlich sein – wie sie es mitunter gegenüber ihren Gegenspielerinnen ist.
Unangenehm, penetrant und teilweise verbissen muss die 36-Jährige auch sein, schließlich hat die gebürtige Bitburgerin international so ziemlich alles gewonnen, was es außerhalb Deutschlands zu gewinnen gibt. Ob paralympisches Gold 2012 in London, Silber 2008 in Peking oder die viermalige Krönung zum Europameister. Während andere weibliche Wesen Schuhbekleidung sammeln und den Zalando-Lieferanten mit Jubelschreine empfangen, heimst die 1,78-m-Dame Medaillen und Pokal en masse ein. Dabei ist die neue Akteurin der Mainhatten Skywheelers stets bodenständig, nahbar und geerdet geblieben. Charaktereigenschaften, die sich auch an ihren Besuchen beim Junioren-Länderpokal in Bonn und Stuttgart festmachen lassen. Statt zu Hause auf der Couch zu chillen, lässt es sich Mohnen nicht nehmen, den Nachwuchs zuzuschauen und das eine oder andere Gespräch mit den Stars und Sternchen von morgen zu führen. Das einzige, was sie nachträglich in Rage treibt bzw. ärgert, sind die verlorenen Weltmeisterschaftsendspiele 2014 gegen Kanada und 2010 gegen die USA. „Beide Finalpartien“, so die Kapitänin, „hätten wir nicht verlieren müssen. Wir haben jeweils ein fantastisches Turnier gespielt. Nur leider haben wir in den entscheidenden Matches unser volles Leistungsvermögen nicht abgerufen.“ Sich länger zu grämen, ist nicht wirklich ihr „Ding“, gibt sie doch auf und neben dem Platz stets ihr Bestes, was auch die Frankfurterin Heike Friedrich bestätigt: „Marina ist einer der besten Spielerinnen der Welt. Sie ist immer präsent, konstant und eine absolute Führungsspielerin on- und off-court. Verantwortung übernehmen ist für sie kein Fremdwort. Ich mag auch ihre direkt Art.“ Ihre Konstanz und Treue lässt sich auch an ihrem über 10-jährigen Engagement bei den RBC Köln 99ers ableiten, deren Geschichte stark mit dem Namen Mohnen verwoben ist. Der geschichtsträchtigen Verbunden- und Vergangenheit zum Trotz, wechselte die dynamische Marina in der Off-Season nach Frankfurt, um dort dem orangenen Leder hinterherzujagen. Ein Vorteil hat dieser Trikottausch allemal, muss die smarte Ex-Kölnerin doch zukünftig nicht mehr allzu weit zu ihrer ebenfalls Rolli-Basketball spielenden Schwester Sonja fahren, die in Darmstadt übers Parkett rollt – wenn sie nicht gerade den einen oder anderen Spieler beobachtet und klassifiziert.
Während ihr Schwesterherz in die Fußstapfen der Bitburgerin trat, ist Mama Mohnen seit 15 Jahren als treuer RBB-Fan und Scouterin an der Seitenlinie dabei, wenn immer es möglich ist. Sowohl bei den beiden Paralympics in Peking und London, als auch bei der WM in Toronto saß sie auf den Zuschauerrängen. Auch ihre Backkünste sind in der Bundesliga bereits legendär. Zusätzlich werden – zumindest virtuell – jede Menge Daumen für das Team Germany und Marina verteilt, wenn auf den Facebook-Seiten dieser Welt über die 36-Jährige berichtet wird
Der facettenreiche Begriff „Inklusion“
Eine besondere Meinung hat die treffsichere 4,5-Punkte-Spielerin übrigens zum Thema Inklusion; findet sie „den Begriff doch sehr facettenreich“. Neben den großen Diskussionsthemen Schule, Betreuung und Sport, wäre es für die Paralympicssiegerin auch wichtig, die kleine Bausteine anzugehen bzw. umzusetzen, wie z. B. die Sicherstellung, dass Behinderte überhaupt einen Zugang zu allen „Begegnungsstätten“ erhalten. Stichwort Barrierefreiheit. Dabei spielt die Nationalspielerin insbesondere auf die „Barrierefreiheit im Kopf“ bzw. die vorhanden „Denkblockaden“ an, wenn über Inklusion gesprochen wird. Ihre Ansätze und Ideen wird die Center-Spielerin übrigens ab dem 1. August selbst verfolgen, tritt sie doch im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport (Referat Sport für Menschen mit Behinderung, Inklusion) einen Job an, der sich exakt mit diesen Fragen beschäftigt.
Aber auch auf dem Court hat die Chefin des Team Germany ihren eigenen Kopf, will sie doch immer gewinnen und gibt 100%. Rollt es mal nicht so, kann Madame Mohnen auch motzig werden, um ihren Ärger Luft zu verschaffen. Ein Dampfablassen, das ihr hilft, sich auf das zu konzentrieren, was sie auszeichnet: ihren todsicheren Wurf von der Baseline und Mitteldistanz, den sie, so wird gemunkelt, selbst dann trifft, wenn ihr die Augen verbunden werden und sie vorher ein paar Mal um die eigene Achse gedreht wird.
Das sagt der Bundestrainer, Holger Glinicki, über seine Kapitänin: „Ich arbeite seit über zwölf mit Marina Jahren in der Nationalmannschaft zusammen. In dieser Zeit hat Marina sich zur absoluten Führungsspielerin entwickelt. Sie geht immer vorweg, sagt ihre Meinung und engagiert sich vorbildlich für das Team. Ihre Stärke ist ihr Distanzwurf. Ferner kann sie sehr gut das Spiel lesen. Ich konnte mich bisher immer darauf verlassen, dass die Kapitänin in den wichtigen Spielen ihre beste Leistung bringt.“
Text: Martin Schenk