Kommentar: Warum Zeltingers Nominierung stimmig, der Kampf um den zwölften Spot aber zu hinterfragen ist

 

Letzte Woche habe ich mich, die Zuschauer konnten es sehen, länger mit dem Herren-Bundestrainer unterhalten. Nicolai Zeltinger gab sich im Interview mit mir wie immer: ruhig, besonnen, unaufgeregt, freundlich und diplomatisch. Charaktereigenschaften, die ich am deutschen Cheftrainer schätze. Dritte, wie auch ich, haben es immer leicht über andere oder in diesem Fall, über den Headcoach des Team Germany zu urteilen. Kritisiert werden, liebe Rollstuhlbasketball-Freunde, bei Mitmenschen meist die Dinge, die dem Kritisierenden selbst abgehen.

Zeltinger könnte ruhig mal mit der Faust auf den Tisch hauen, denke ich mir ab und an. Schließlich ist er der Boss – und was der Chef sagt, ist Gesetz im Laden. Nun ist Nicolai aber nicht der Charakter, der in einem Interview, wie sein Nachfolger an der Lahn, poltert oder einfach mal einen Satz raushaut wie: „Basti Magenheim ist nicht im Kader, weil ich es für richtig halte und perspektivisch mit anderen Spielern plane. Punkt. Ende der Diskussion.“ oder „Magenheim ist nicht im Team, da er es letztes Jahr vorzog, nicht an der EM teilzunehmen“. Nein, das ist nicht Zeltinger – und die Beispiele von mir sind frei gewählt. Wer sagt denn, dass das Team besser spielen würde, wenn der Nationaltrainer andere Verhaltensweisen an den Tag legen würde? Oder wer kann die Garantie geben, dass ein anderer Spieler besser ins Mannschaftsgefüge passen würde? Keiner. Wer sich noch an Rollt. #16 und meinen Beitrag zur EM auf Teneriffa erinnert, wird wissen, dass mich damals schon die Frage umtrieb, auf wen Zeltinger zurückgreifen wird, wenn er den Kader für Hamburg nominiert? Sind es mitunter die Erfahrenen, die ihm aus „privaten, beruflichen und gesundheitlichen“ Gründen für die EM 2017 abgesagt haben und möglicherweise im August an der Alster besser performen? Oder die durchaus jungen und neuen Athleten, die sich für das deutsche Trikot den Hintern aufreißen? Zeltinger hat die zweite Variante gewählt und bei der Personalie Bienek/Jantz eine Ausnahme gemacht.

Der Kampf um den zwölften Spot

Ist der vermeintliche Zweikampf zwischen Bienek und Jantz Kalkül? War es ein Denkzettel für den Bulls-Mann? Oder Diplomatie, um das Gesicht gegenüber allen zu wahren? Nein. Im Interview sprach der Ex-RSV-Coach davon, dass er das Zusammenspiel Bieneks mit den anderen sehen und testen will. Nun, dies mag seine Berechtigung haben. Da ich kein Trainer bin (ja ich weiß, dass das meine Lieblingsfloskel ist), vermag ich nicht zu beurteilen, ob sich durch das Bienek’sche Mitwirken im Training neue Erkenntnisse ergeben. Ich persönlich sehe das nicht wirklich – mag mich auch täuschen. André weiß wie man „Horns“ oder all die anderen Systeme fährt und rollt. Seine Spielweise und sein leidenschaftlicher Charakter sind ebenfalls bekannt. Schön zu sehen war dies übrigens im Pokal-Halbfinale, als er fünf oder sechs Fahrkarten am Stück produziert, aber davon unbenommen immer noch wie ein Duracell-Äffchen und Energizer über den Court rollte, brüllte und die Faust ballte. Ein wahrer Sportler und Kämpfer eben. Was ich Bienek hoch anrechne, ist, dass er die EM letztes Jahr aus „gesundheitlichen Gründen“ abgesagt hat. Keiner kennt seinen Körper und die eigene Verfassung besser, als der Sportler selbst. Nur ein fitter Athlet kann die volle Leistung abrufen. Wenn Körper und Geist eine Auszeit brauchen, dann ist das so. Ich übertreibe jetzt bewusst: Der Fan möge sich bitte vorstellen, ein André Bienek hätte sich ein „Burn-out“ eingefangen, weil ihm der Spagat zwischen Training, Privatleben, Leistungssport und Nationalmannschaft nicht gelungen wäre? Was wäre dann? Wie gesagt, ich überspitze bewusst, denn weder Trainer noch Vereinsmanager können final entscheiden, ob ein Sportler zu 100% fit ist.

Kämpfen bis zum Umfallen

Ich für meinen Teil freue mich auf die kommenden Wochen und Monate, bin ich mir doch sicher, dass die Jungs (wie auch die Damen) und der Trainerstab Vollgas geben werden. Dieser Eindruck wird mir auch durch die vielen Gespräche und Interviews mit den Spielern vermittelt. Da rollen Kerle und „Mädels“ übers Feld, die wollen. Nichts wäre peinlicher für alle Beteiligten, wenn das eigene Team sang- und klanglos untergehen würde. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass alle eines vor eigenem Publikum tun werden: Kämpfen bis zum Umfallen. Welcher Spieler möchte sich schon zum Gespött der ganzen Nation machen oder seinen Namen unter einer Negativschlagzeile lesen? Kein Aas, es sei denn er hat leicht masochistische Vorlieben oder möchte den „suboptimalem“ EM-Auftakt 2013 in Frankfurt wiederholen, was ich mir beim besten Willen nicht wirklich vorstellen kann. Vor genanntem Hintergrund kann das Credo nur lauten:

Auf geht’s, Team Germany, kämpfen und siegen!

Text: Martin Schenk | Foto: Steffie Wunderl

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