Die Rollstuhlbasketball-EM der Männer steht kurz vor der Tür. Doch von einer echten Fan-Euphorie ist bis dato wenig zu spüren. Eher umgekehrt: So gibt es keine Ticketinformationen, kaum bzw. keine barrierefreien Übernachtungsmöglichkeiten in Wałbrzych und einen polnischen Verband, der überhaupt nicht auf Fan-Anfragen reagiert. Da hilft auch keine vor kurzem freigeschaltete EM-Homepage. Unschöne Erfahrungen, von denen uns der 34-jährige Sven Meissner aus Beeskow im Interview berichtet.
Sven, was sind deine Erfahrungen in Bezug auf die bevorstehende EM in Polen?
„Da es für mich nicht wirklich weit zu fahren ist, habe ich die ganze Zeit schon mit dem Gedanken gespielt, nach Wałbrzych zu fahren. Ich habe im März schon anfangen nach Hotels zu schauen. Musste dann aber feststellen, dass es in Wałbrzych selbst fast gar nichts gibt. Ich habe dann die Eigeninitiative ergriffen und auf Englisch und auf Polnisch, übersetzt vom Handy, den polnischen Rollstuhlbasketball-Verband angeschrieben. Einmal per E-Mail und, da ich auf Nummer sicher gehen wollte, auch per Facebook-Messenger. Für beide Nachrichten habe ich eine Lesebestätigung erhalten. Eine Antwort habe ich aber nie bekommen.“
Hast du nochmal nachgehakt?
„Ja, Ende Mai habe ich dann nochmal nachgefragt, ob sie mir nicht in irgendeiner Form helfen können. Und erneut kam nichts zurück.“
Und dann?
„Dann habe ich selbst rumtelefoniert, um Infos und ein Hotel zu finden. Gleichzeitig habe ich auch Hotels auf Englisch angeschrieben, aber auch da gab es keine Rückmeldung. Irgendwann habe ich dann mal eine Unterkunft gefunden, die aber nicht für die ganze Zeit der EM zur Verfügung steht.
Wo ist diese Unterkunft?
„Das Hotel ist 12 km vom Wettkampfort entfernt. Das funktioniert bei mir auch nur, da ich mobil bin und selber Auto fahren kann. Sonst würde das nicht hinhauen.“
Wenn du jetzt selbst nicht fahren könntest, hättest du auch ein Problem, oder?
„Genau, das würde dann nicht funktionieren. Es gibt ja auch keine Infos über Shuttle-Verkehre bzw. ist es einfach schwer, etwas über den öffentlichen Personennahverkehr herauszubekommen. Du kommst zwar von Frankfurt/Oder nach Warschau. Aber du kannst nicht schauen, ob einen Linienbus zur Halle fährt. Das habe ich, obwohl ich Internet-affin bin, nicht herausbekommen.“
Jetzt wissen wir ja beide, dass wir nicht über die Fußball-Champions-League plaudern. Dennoch: Was ist denn deine Mindestanforderung an solch eine Veranstaltung, die du als Fan hast?
„Da es sich um eine Europameisterschaft handelt, hätte ich schon erwartet, da der Veranstalter mit einem hohen Anteil an Rollstuhlfahrern rechnen muss, dass der Fan einfach mehr findet über barrierefreie Unterbringungsmöglichkeiten, die Anreise und vor allem Tickets. Ich habe auf den Facebook- und Internetseiten des polnischen Verbandes geschaut und nichts gefunden.“
Das heißt?
„Tja, ich geh einfach davon aus, dass wenn ich nach Wałbrzych fahre, dass ich mir vor Ort einen Tagesticket kaufen kann und auch in die Halle komme. Das ist zumindest meine Hoffnung. Aber wie gesagt, es gibt keinerlei Infos über Tickets. Das ist das Mindeste, was ich erwarte, dass solche Infos auffindbar sind.“
Lass mich festhalten: Du hast ein Hotel gebucht und fährst nach Polen, ohne zu wissen, ob du eine Eintrittskarte bekommst?
„Ja. Und wie ich bereits sagte, habe ich kein Hotel für den ganzen EM-Zeitraum bekommen, sondern nur von Donnerstag bis Sonntag. Und dies in einem Hotel, wo mir am Telefon gesagt wurde, dass das mit dem Rollstuhl schon irgendwie klappt. Also ich habe kein behindertengerechtes Zimmer.“
Was war deine Hoffnung?
„Ich hatte die Hoffnung, dass der polnische Verband in diese Richtung etwas kommuniziert. In Wałbrzych selbst gibt es ein IBIS-Hotel, das aber komplett ausgebucht ist. Ich nehme an, dass es das Teamhotel ist. Aber es gibt ja auch immer einige Fans, die zu einer EM kommen wollen. Aus diesem Grund habe ich mir ein bisschen mehr erhofft.“
Was stört dich am meisten als Fan?
„Dass ich die wichtigsten Infos nicht finde. Bei der WM in Hamburg, auch wenn ich das von der Größe her nicht vergleichen möchte, wusste ich, dass ich ohne Ticket nicht in die Halle komme. Ist das in Polen auch so? Das fehlt mir einfach als Fan. Ich hoffe einfach, dass ich Einlass in die Halle erhalte. Ich habe nichts gefunden, wo ich vorab Eintrittskarten kaufen kann. Hotel ist das eine, aber ich habe bisher nirgends eine Info gefunden, was Tickets betrifft. Das kann gut gehen, muss es aber nicht.“
Und was sagst du dazu, dass der Verband sich nicht gerührt hat? Dass du so gar keine Antwort bekommen hast?
„Das finde ich persönlich sehr schade. Aber ich weiß natürlich nicht, wie die Verbandsmühlen mahlen. Das kann ich nicht beurteilen. Vielleicht haben sie es auch nicht nötig auf eine einzelne E-Mail zu antworten. Ich kenne auch keine andere Anlaufstelle, die mir dazu Fragen hätten beantworten können. Auch eine Hallenadresse war bis vor kurzem nicht auffindbar.“
Du musstest dir alle Infos alleine zusammentragen
„So ging es mir, ja. Vielleicht bin ich auch einfach nicht über die richtige Seite gestolpert (lacht).“
Was wünschst du dir als Fan für die Zukunft, wenn es um solche Events geht?
„Die Veranstalter sollte sich schon ein bisschen bemühen und es den Fans erleichtern, eine solche Reise auf sich zu nehmen. Wie bereits erwähnt: Für mich ist das von der Anreise her nicht weit. Aber Interessierte, die einen viel weiteren Anreiseweg haben, überlegen es sich dreimal, ob sie solch einen Trip auf sich nehmen. Und da sollte von den Ausrichtern einfach mehr an allgemeinen und wichtigen Informationen kommen.“
Sven, vielen Dank für deine offenen Worte.
Interview: Martin Schenk | Foto: privat