Sandra Schmid ist Mentaltrainerin des Team Austria. In Ihrer Funktion hat sie die Männer um Kapitän Matthias Wastian auf ihrem Trip ins polnische Walbrzych begleitet. Wir haben mit der Familienmama über das letzte Spiel gegen Russland, das Fehlen wichtiger Leistungsträger und die Erkenntnisgewinne der österreichischen Nationalmannschaft nach der EM gesprochen.
Sandra, wie wichtig war – trotz feststehendem Abstieg in die B-Klasse – der letzte Sieg des Team Austria gegen Russland?
„Sehr wichtig. Dieser Schwung ist sehr wichtig für das Selbstbewusstsein und der persönlichen Motivation.“
Im Kader haben mit Mehmet Hayirli und Andreas Kraft zwei ganz wichtige und tragende Säulen der Aufsteigermannschaft gefehlt. Wie hat das Team dieses Fehlen mental weggesteckt?
„Es war zu Beginn bei einigen Spielern ein großes Thema. Wenn plötzlich das „Auffangnetz“ weg ist und du dich im freien Fall befindest. Dies birgt meist einen Zustand von: Unsicherheit, Angst oder Gedanken: Das schaffen wir eh nicht – oder sonstige Zweifel. An diesen Themen haben wir gearbeitet. Und es wurde daraus eine Riesenchance – somit konnten einige Spieler lernen, mit Freude Verantwortung zu übernehmen, und sie fanden dadurch mehr und mehr zu ihrer Bestleistung.“
Und wie hat der Trainerstab bzw. du dieses Fehlen thematisiert?
„Wir haben nicht viel Fokus darauf gelegt. Wenn es stimmt, dass es keine Zufälle gibt – dann hatte es genauso sein sollen.“
Soll heißen?
„Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Und – wie es sich gezeigt hat, hat sich das Team während der EM deutlich gesteigert.“
Ich habe jüngst den dreifachen Ringerweltmeister Frank Stäbler interviewt, der mit Christian Bischoff als Mentaltrainer zusammenarbeitet. Frank sagte mir, dass seine Erwartungshaltung vor Beginn der Zusammenarbeit bei einer Leistungssteigerung von 2 – 3% lag. Danach waren es aber, um mit seinen Worten zu sprechen, 20%. Kannst du ähnliches bestätigen? Also dass ein richtiges Mindset die Leistung eines Sportlers oder Rollstuhlbasketballers um ein vielfaches steigern kann?
“Dem stimme ich absolut zu. Es gibt viele Studien, in denen belegt ist, dass unser Kopf maßgeblich für den Erfolg ist. Natürlich ist bei Einzelsportlern anders zu arbeiten, als bei Teamsportlern. Techniken und Systeme müssen trainiert werden. Denn schließlich ist es ja auch so, dass, wenn ich Skifahren lernen möchte, es nicht reicht, mir Ski zu kaufen, um dann zu erwarten, dass ich morgen die Streif hinunter fahren werde.”
Hast du noch weitere Beispiele?
“Ja, eines aus der Schulzeit. Viele beherrschten zu Hause den Stoff, den sie lernten. Und bei den Prüfungen resp. Tests war plötzlich alles weg. Das heißt, es steht und fällt sehr viel mit unserem inneren Zustand bzw. dem Flow.”
Wenn ich jetzt rein nach den Ergebnissen des Team Austria gehe, müsste deine Job bei der EM ja vornehmlich darin bestanden haben, “mentale Aufbauarbeit” zu leisten. Da mache ich es mir bestimmt zu einfach, oder?
„Na ja – wenn es so einfach wäre (grinst). Es war sicherlich während der EM ein Punkt. Nicht nur bei den Spielern by the way. Es ist ein Balanceakt, zu kalibrieren. Wahr zu nehmen, was geht in den einzelnen Personen für ein Prozess ab – aber auch gleichzeig in der gesamten Gruppe. Darauf zu reagieren und mit Einzelnen oder mit der gesamten Gruppe zu arbeiten ist wichtig. Da jeder eine andere innere Landkarte sein Eigen nennt, oder anders ausgedrückt, anders gestrickt ist, braucht jeder für sich individuell etwas anderes. Und gleichzeitig soll es ein Gesamtes werden. Eigentlich kann man es mit einem Orchester vergleichen, wenn jeder sein volles Potenzial lebt, sein Instrument mit Begeisterung, also im Flow spielt, dann wird ein geniales Ganzes daraus– sprich ein erfolgreiches Team. Mentaltraining ist aus meiner Sicht genauso wichtig wie das körperliche Training.“
Ich muss nochmal Frank Stäbler zitieren, der sagte, dass es für ihn keine Niederlagen gibt, sondern Niederlagen den Nutzen haben, dass er aus Ihnen wertvolle Erkenntnisse für die Zukunft “gewinnt”. Welche Erfahrungen haben die Jungs des Team Austria deiner Meinung nach aus der EM-Teilnahme in Polen gewonnen?
„Wenn du noch nie in der A-Gruppe gespielt hast, also keiner der Spieler bis dato die Erfahrung gemacht hat, wie sollen sie dann wissen, wie es ist? Ein Spieler sagte mir: Ich habe noch nie so viel Druck in einem Spiel von der gegnerischen Mannschaft erlebt. Also hat er und das Team erlebt, wie es in der A-Gruppe ist. Und so können wir uns auf allen Ebenen auf unser Comeback vorbereiten. Wir können erst dann darüber reden, wenn wir etwas erlebt haben.“
Aus der Pistole geschossen: Was ist die wichtigste Eigenschaft, um als Team resp. Rollstuhlbasketball-Mannschaft erfolgreich zu sein?
„Klarheit, gleichwertiges Miteinander und dein Unmöglichstes möglich machen.“
Gestatte mir ein “böse Abschlussfrage”: Warum ist Mentalcoaching für eine Gruppe weit mehr als barfüßig, Hand in Hand und Tschaka rufend ums Lagerfeuer zu tanzen?
„Um das Lagerfeuer zu tanzen finde ich auch sehr attraktiv – kann in der Gruppe auch einen Flow-Zustand auslösen. Nur ist damit nicht gelöst, wenn es zu Situationen wie Druck und Stress kommt. Oder andere nicht so wollen, wie ich es möchte bzw. es im Spiel zu Situationen kommt, die mich auf die Palme bringen. Der Boss sitzt im Gefühl – und die Gefühle werden von unseren Gedanken gesteuert. Es sind viele Basics, die bei den Spielern und Betreuern geschult werden müssen. Unser Unterbewusstes kennt das Nicht nicht. Wenn ich mir denke oder ich zu einem Spieler sage: Du darfst dir keinen Druck machen – streicht unser Gehirn das Wort „nicht“ und wir fokussieren unbewusst auf den Druck. Dies ist oft die Basisarbeit, die ich mit Sportlern beginne: Die Macht deiner Gedanken.“
Sandra, vielen Dank für deine Zeit – und, dass muss ich jetzt sagen: Möge die Macht der positiven Gedanken stest mit dir sein.
Mini-Steckbrief
Name: Sandra Schmid
Alter: 42
Geburtsort/Wohnort: Wilfersdorf (Österreich)
Familienstand: verheiratet, zwei Kids (4 & 10)
Lieblingsspruch: Dein Unmöglichstes – möglich machen
Beruf: Mentalcoach, Lehrtrainerin, Dipl. Mediatorin, Psychologische Beratung
Mehr Infos: Facebook: Institut Kutschera Weinviertel / www.Kutschera.org
Interview: Martin Schenk | Foto: Astrid Berger