Dass die spanische Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft zur internationalen Crème de la Crème gehört, stellte sie jüngst bei der EM im polnischen Walbrzych unter Beweis, als sie sich erst im Finale dem Team GB geschlagene geben musste. Worauf der spanische Headcoach Óscar Trigo Diez den Fokus legt, wer die Glue Guys im Team sind und welche persönlichen Rituale der Trainer pflegt, hat uns der Familienvater im Interview verraten.
Wie hast du und die Mannschaft die Zeit nach der WM in Hamburg verbracht?
“Wir haben die WM ganz normal beendet – danach hatte uns der Alltag wieder. In Spanien ist es nicht leicht, eine Art offizieller Teil des professionellen Rollstuhlbasketball zu sein. Für mich persönlich bedeutet es, das Rollstuhlbasketball-Training mit meinem Beruf als Sportlehrer an einem Gymnasium zu verbinden.“
Worauf lag der Fokus eurer Trainingsarbeit mit der Nationalmannschaft? Kannst Du das kurz beschreiben?
„Wir haben uns mit der Intention auf die EM vorbereitet, die Nationalmannschaft auf ein höheres Level zu heben und die Wettbewerbsfähigkeit auf das Niveau zu bringen, das wir u. a. bei der letzten Europameisterschaft gezeigt haben. Wir haben uns darauf konzentriert, das Gefühl zurückzugewinnen und zu entwickeln, sich als eine Einheit bzw. Mannschaft zu fühlen. Den Spielern, die hier und da Schwierigkeiten hatten, haben wir Selbstvertrauen gegeben, sich der Konkurrenz zu stellen. Die Arbeit der letzten Saison war die Basis, um die Leistungsfähigkeit im spielerischen und taktischen Bereich zu potenzieren. Wir wollten in die EM-Saison mit den besten Voraussetzungen starten, um die Chancen für die Paralympics-Qualifikation zu erhöhen.“
Wie siehst du die Entwicklung der jungen spanischen Nachwuchsspieler, die auch schon in Hamburg dabei waren? Vor allem vor dem Hintergrund, dass immer mehr ausländische Topstars in der spanischen Liga verpflichtet werden.
„Wir haben einige junge Talente in der Nationalmannschaft, das ist Fakt. Ganz deutlich hat dies auch die EM-Bronzemedaille der U22-Natio 2018 in Italien gezeigt. Als Auswahltrainer der Nationalmannschaft ist es die Aufgabe, junge Spieler so zu fördern, dass sie ihren Wert erkennen und so in die Dynamik der Senioren-Teams einbezogen werden können. Dass Pablo Lavandeira, Ignatio Ortega und Oscar Onrubia in der Nationalmannschaft dabei sind, und wie sie sich in Hamburg präsentiert haben, hat uns geholfen, das Niveau des Trainings für diese Saison enorm zu steigern.“
Wie siehst du die Stärken der Mannschaft? Wo gibt es Potenzial nach oben?
„Die Stärke der Mannschaft liegt ohne Frage in ihrem Zusammenhalt. Zu erreichen, dass alle wie einer denken und wir über die Verteidigung wachsen, ist auf die DNA aller zurückzuführen. Das ist etwas, was wir bei der WM in Hamburg im Match gegen Japan erreicht haben. Diese Saison hat das Team seine positive Dynamik verbessert, mit der wir die Weltmeisterschaft beendet haben, und dies hat uns als Team wachsen lassen.“
Was ist bzw. war der größte Vorteil deines Teams gegenüber den anderen EM Teilnehmern? Was macht die Truppe einzigartig?
„Unsere körperliche Stärke und Physis lassen uns auf hohem Niveau verteidigen. Wenn wir Spaß an der Verteidigung haben, gelingt uns ein schneller Übergang zu einem offensiven Spiel, das von einer gewissen Dynamik geprägt ist.“
Gibt es jemanden in deinem Team, der seine Mitspieler nach einem Misserfolg wieder aufbauen kann? Wer ist der Motivator, Glue Guy und Anpeitscher?
„In jedem Team gibt es natürlich Anführer. Bei uns sind das Asier Garcia und Daniel Stix, die das Stimmungsbarometer der Mannschaft bilden. Auch die Eingliederung eines Oscar Onrubia hat sich als Segen erwiesen. Er bringt frischen Wind ins Team.“
Hast du ein Vorbild, das dich inspiriert hat Trainer zu werden?
„Seit ich denken kann, wollte ich Trainer werden. Das liegt wohl daran, dass ich in einer Schule groß geworden bin, an der Basketball die Sportart Nummer eins war. Die verschiedenen Trainer, die mich trainiert haben und mir ein Vorbild waren, halfen mir, mich zu entwickeln. Und sie haben die Entscheidung mit beeinflusst, dass mein späterer Beruf auf jeden Fall etwas mit Sporterziehung zu tun haben wird.“
Es gibt Trainer, die auf Rituale vor dem Spiel Wert legen. Wie sieht das bei dir aus?
„Ich versuche vor jedem Spiel laufen zu gehen. Das hilft mir, mich auf mich selbst zu konzentrieren und darüber nachzudenken, welche Ansätze und Konzepte ich für dieses spezielle Spiel anwenden möchte. Auch habe ich die Angewohnheit, dass ich immer dasselbe Shirt oder Hemd trage, und zwar von dem Spiel, welches wir zuvor gewonnen haben. Das geht bis zum Ende des Turniers. Und ja, natürlich wird es zwischendurch gewaschen (lacht).“
Alejandro Zarzuela hat in der letzten Rollt.-Ausgabe angemerkt, dass ihn einige Schiedrichterentscheidungen im Spiel gegen GB während der WM sehr geärgert haben, und dass das Spiel auch hätte anders ausgehen können. Wie hast Du dieses WM Spiel wahrgenommen?
„Ich versuche keine speziellen Schiedrichterentscheidungen für den Spielausgang verantwortlich zu machen. Ich verstehe, dass diese Entscheidungen ein Teil des Spiels sind. Auf die gleiche Weise kann sich ein Spieler bei einem Wurf täuschen, ein Trainer bei einem Spielerwechsel irren oder ein Schiedsrichter eine Fehlentscheidung treffen. Das Spiel gegen die Briten haben wir nicht wegen der Schiedrichterentscheidungen verloren, sondern aufgrund von vielen kleinen Details.“
Wenn du drei Wünsche frei hättest, was würdest du dir wünschen?
„Ich habe nur einen Wunsch, und zwar möchte ich meine Töchter glücklich aufwachsen sehen.“
Das dynamische und schnelle Spiel der Briten hat die letzten Monate geprägt. Ist das der Rollstuhlbasketball von heute? Wie siehst Du diese Entwicklung?
“Die Briten und ihr Spiel haben traditionell einen großen Anteil an der Entwicklung der Technik und Taktik bzw. bilden sie ein Vorbild im Rollstuhlbasketball. Sie sind sozusagen ein großer Stein im Rollstuhlbasketball-Fundament, der sie zu einem schwierigen und fast schon tödlichen Gegner werden lässt. Sie heben das Niveau so an, dass du 40 Minuten konzentriert spielen musst.“
Abschlussfrage: Wo siehst du den spanische Rollstuhlbasketball in drei bis fünf Jahren?
„Der Rollstuhlbasketball in Spanien erfreut sich sozusagen bester Gesundheit, was bedeutet, dass wir auf hohem Niveau weitermachen und weiterspielen werden, so dass wir uns auch zukünftig heiße Duelle mit anderen Nationalmannschaften liefern werden.“
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EM-Fazit von Spaniens Teammanager Raul Elia: „Die EM war genial. Wir haben lediglich eine Niederlage kassiert. Und diese auch noch im Finale, so dass das Silber eigentlich wie Gold geschmeckt hat. Unser erstes Ziel war das Ticket für Tokio zu lösen, das zweite Ziel war eine Medaille und das dritte Ziel möglichst Gold zu gewinnen. Zwei dieser drei Ziele haben wir erreicht. Nun werden wir uns ein bisschen erholen, denn bald geht es an die Planungen, um bestens vorbereitet zu den Paralympics nach Tokio zu fahren.“
Hinweis: Das Interview mit Òscar haben wir vor der EM geführt.
Interview : Martin Schenk & Nicole Schultz | Übersetzung: Nicole Schultz | Foto: Steffie Wunderl