Waldorf und Statler von der Muppet Show können einpacken, wenn die Bulls-Livestream-Kommentatoren Max Dietrich und Justus Heinrich ihre Kopfhörer aufsetzen, jugendlich frisch Luft holen und die Rollstuhlbasketball-Welt mit Ihrer ehrlichen und emotionalen Wortakrobatik verzaubern.
Die beiden Jungbullen überzeugen ihre Zuschauer an den Bildschirmen durch ein gehörige Prise Echtheit, fundiertes Fachwissen und unbekümmerte Leichtigkeit. Unprätentiös liefert das Duo ab – und kommt an. Die Zuschauer zuhause spüren, dass der 20-jährige Max und der 21-jährige Justus voll dabei sind, ihre jungen Herzen einen Freudensprung vollziehen und sie 100% geben, wenn sie zum Mikrofon greifen, um die Partien ihrer Thuringia Bulls zu kommentieren. Dass ihr wallendes Blut dabei einen blauen RSB-Einschlag bekommt, wertet die Arbeit der beiden nicht ab. Im Gegenteil: Es wertet das Handwerk des Duos eher noch auf, da es authentisch ist. Statt sich wichtig zu nehmen, nehmen Sie den Sport, die Akteure und die Zuschauer*innen ernst. Dies wiegt mehr als fehlerlose, perfekte und auswendig gelernte Floskeln und Wortbeiträge, die eher die Wichtigkeit des Kommentators unterstreichen, denn die Wichtigkeit des Geschehens auf dem Court. Der neutrale Zuschauer kann sich nur wünschen, dass Max und Justus weiter an ihren Aufgaben wachsen, Neues wagen und ihrer Linie und ihrem Wesen treu bleiben.
Was die Kommentatoren von der Osterlange antreibt, welcher Namen zum persönlichen Zungenbruch führt und wie viel Zeit für die Vorbereitung ihres Jobs draufgeht, hat uns das Duo in einem kleinen, aber feinen Fragebogen bzw. Interview beantwortet:
Am Rollstuhlbasketball fasziniert mich am meisten?
Max: „Das ist schwierig zu beschreiben. Ich würde das Gefühl „Ballin“ nennen. Das ist eine Mischung aus Freiheit und Jazz. Im Film “Der perfekte Wurf ” mit Dirk Nowitzki wird gesagt: „Basketball is Jazz“. Für mich persönlich klingt ein „Swish“ wie Musik in meinen Ohren.“
Justus: „Die benötigte Koordination der Athleten sowie die Intensität und Spannung in Spielen wie am vergangenen Samstag im ersten Finalspiel der Bulls gegen den RSV Lahn-Dill. Es ist Wahnsinn, wenn man nach 40 Minuten Spielzeit nicht weiß, welche Mannschaft am Ende das Feld als Sieger verlassen wird. Diese Momente zeigen mir, wie einzigartig dieser Sport ist.“
Mein schönster Bulls-Moment bis dato?
Justus: „Das war der Moment kurz nach dem Gewinn des ersten Champions-Cup-Titels in Hamburg 2018. Die Gefühle und Emotionen beim gesamten Team waren überwältigend. Es war die Belohnung für die jahrelange harte Arbeit.“
Max: „Puh. Da gab es viele. Die Aufnahme in das zweite Team der Bulls und der erste Champions-League-Erfolg der Bulls sind wohl die emotionalsten Momente“.
Der für mich am schwierigsten auszusprechende Spielername in der RBBL?
Max: „Mojtaba Kamali“
Justus: „Für mich ist das Krzystof Kozaryna von den Baskets 96 Rahden.“
So viel Zeit geht für die Vorbereitung des Streams bei mir drauf?
Justus: „Den Stream bzw. den Vorbericht vorzubereiten dauert etwa einen ganzen Tag. Wir schauen uns zur Analyse die vorherigen Spiele beider Teams nochmal an und arbeiten Keyfacts sowie Spielszenen heraus.“
Max: „Ich denke da ehrlich gesagt nicht drüber nach, aber wahrscheinlich ist es, wenn man alles zusammenrechnet, ein 20-Stunden-Job. Und das parallel zu meiner Ausbildung.“
Mein Lieblingsspieler ist …, weil
Max: „Bei den Bulls ist das Kollektiv der Star. Nur deswegen, kann unser Klub so erfolgreich sein. Die emotionalste Bindung auch abseits des Basketballs habe ich zu André Bienek und Alex Halouski aufgrund unserer gemeinsamen Geschichten. Für mein Spiel orientiere ich mich viel an den Lowpointern der 1. Mannschaft, gerade an Jitske Visser. Sie ist für mich die Lowpointer-GOAT. Körperlich kann ich nur sagen: Natürlich schaue ich mir Bilder von Karlis Podnieks an.
Justus: „Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Es gibt mehrere Spieler, die ich auf dem Feld bemerkenswert finde. Aber wenn ich die persönliche Ebene mit einbeziehe, dann möchte ich André Bienek als meinen Lieblingsspieler nennen. Er ist nicht nur ein wirklich guter Trainer und hat großen Anteil an meiner sportlichen Entwicklung, sondern ich kann auch jederzeit auf seinen Rat zählen.“
Das verrückteste Spiel, das ich bis dato kommentiert habe war …, weil
Justus: „Das verrückteste Spiel, das ich bis dato kommentiert habe, war die Partie am Samstag zwischen den Bulls und dem RSV. Ich habe selten ein Spiel gesehen, welches so ausgeglichen war und auf Augenhöhe geführt wurde. Die Emotionen sind nahezu aus uns herausgeschossen.“
Max: “Das erste Finalspiel gegen den RSV Lahn-Dill 2021. Der Sieg für die Bulls nach Verlängerung. Was soll ich dazu noch sagen.“
An meinem Kommentatoren-Kollegen schätze ich am meisten …
Max: „Justus bleibt in den Momenten ruhig, in denen ich nicht ruhig bleiben kann. Außerdem entlastet er mich gerade bei der Spielvorbereitung. Justus ist in vielerlei Hinsicht wie ein Bruder für mich.“
Justus: „An meinem Kommentatoren-Kollegen schätze ich am meisten seine emotionalen Ausbrüche. Die sind legendär. Außerdem ist es bemerkenswert, welche Expertise er besitzt. Er ist quasi ein wandelndes Rollstuhlbasketball-Lexikon.“
Um den Rollstuhlbasketball noch populärer zu machen, müsste
Justus: „…das Medieninteresse noch größer werden. Der Sport hat verdient, dass er mehr Reichweite bekommt. Und ich bin mir sicher, dass sich immer mehr Leute für den Sport begeistern, sobald sie mal ein Spiel gesehen haben. An dieser Stelle möchte ich den MDR loben, der schon viele Berichte bringt und in dieser Saison sogar zwei Spiele im Livestream gezeigt hat.
Max: „… der Rollstuhlbasketball flächendeckend noch professionell werden. Das fängt bei den kleinen Sachen an, wie z. B. große Busse für die Teams. Die Athleten müssen die Möglichkeit haben, sich optimal auf Ihre Wettkämpfe vorzubereiten. Hier sind die Verbände gefordert. Und ja, um ganz ehrlich zu sein, es müsste mehr Geld in unseren Sport fließen. Die Sportförderung in Deutschland ist zu einseitig.“
Interview & Text: Martin Schenk | Foto: Franziska Möller