Interview mit André Hopp | „Ich war Spieler, ich war Kapitän und ich war Punktelieferant“

Im ausführlichen Rollt.-Interview spricht der Neu-Wiesbadener über die Ratschläge seines Vaters, die Hauptgründe für den neuerlichen Angriff in der 1. RBBL sowie die Konkurrenz und den Kampf unter dem Rhinos-Korb.

André, wie kam der Kontakt zu deinem neuen Klub, den Rhinos aus Wiesbaden zustande?

Durch Mirko Korder, den ich noch aus Heidelberg kenne. Er ist auch mal für die Chocolates übers Feld gerollt. An unserem letzten Heimspiel hat er mich im Scherz gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, für Wiesbaden aufzulaufen.

Und was hast du geantwortet?

Er soll mir zwei Wochen Zeit zum Überlegen geben. Da ich erst einmal nichts vom Basketball hören und sehen wollte. Mit meiner Antwort hatte er nicht gerechnet. Er war perplex, da er die Frage nicht ernst gemeint hatte und dachte, dass ich Heidelberg niemals den Rücken kehren würde.

Was du aber getan hast?

Ja, das stimmt. Ich habe auch sehr lange gegrübelt und mir auch entsprechende Bedenkzeit eingeräumt. Mit meiner Freundin hab ich viel gesprochen. Sie zieht extra nach Heidelberg, um dort zu spielen. Natürlich hab ich auch mit meinem Vater geredet. Letztlich haben mich aber alle unterstützt und in meiner Entscheidung bestärkt.

Was waren die Hauptgründe für den Wechsel?

Wiesbaden ist von meinem Wohnort gut zu erreichen. Ferner wollte ich nochmal erste Liga spielen, und der Konkurrenzkampf auf meiner Position ist groß, so dass ich für meine Einsatzzeit kämpfen und gut trainieren muss.

Du hast also die Komfortzone verlassen?

Na ja, ich hatte am Neckar keine wirkliche Konkurrenz. Und als Scorer stand ich immer im Mittelpunkt.

Also stets in der Verantwortung?

Ja, das stimmt. Ich war Spieler, ich war Kapitän und ich war Punktelieferant. Andere hätte meiner Meinung nach durchaus auch in diese Rolle schlüpfen können. Mir hat teilweise die Entlastung gefehlt.

Die du jetzt in Wiesbaden bekommst?

Klar, mit einer Janet McLachlan, einem David Amend und einem Matze Güntner hast du Leute, die den Ball bringen können. Allein Matze ist schon ein Vieh. Ich freu mich riesig, mich endlich richtig duellieren zu können.

Also suchst du auch den Wettkampf und gehst diesem nicht aus dem Weg?

Auf jeden Fall, sonst wäre ich nicht gewechselt.

Und wie sieht dein Vater den Wechsel?

Er sieht das locker, hat ihn befürwortet und sagte, dass er mir aktuell keine Konkurrenz bieten kann. Und vielleicht tut es auch mal gut, den Verein sowie den Trainer zu wechseln und eine neue Sichtweise zu bekommen. Es ist doch so, dass ich in Wiesbaden nicht „der“ Leistungsträger bin, sondern einer von vielen Leistungsträgern. Ich bin dort auch nicht mehr der Leitwolf und Kapitän.

Was hat dich noch von Wiesbaden überzeugt?

Ich finde den eingeschlagenen Weg gut. Es wird, wo möglich, auf deutsche Spieler gesetzt. Ganz auf Ausländer kannst du nicht verzichten, da du einen konkurrenzfähigen Kader für die 1. RBBL benötigst.

Apropos konkurrenzfähig. Was rechnest du dir mit den Rhinos für die nächste Spielzeit aus?

Die Playoffs.

Das ist ganz schön ambitioniert.

Aber mit dem vorhandenen Spielermaterial durchaus machbar.

Hast du darüber schon mit Cliff Fisher gesprochen?

Nein, darüber nicht. Ich war im Probetraining. Dort sagte er, dass er mich gerne haben möchte, ich ein guter Schütze bin, das Rollstuhlhandling sowie die Spielübersicht und Schnelligkeit besitze. Dinge, die das Team weiterbringen.

Du wirst aber nicht mehr so im Mittelpunkt stehen, wie in Heidelberg? Ist dir so etwas wichtig?

Das ist mir schnuppe. Ob ich zehn Punkte erziele oder mehr oder weniger. Hauptsache das Team gewinnt. Aus diesem Alter bin ich raus. Du stehst auch immer mit fünf Leuten auf dem Court und nie alleine. Wichtig sind die Lowpointer, wenn die ihre sechs bis achte Punkte machen, haben wir gute Chancen die Partien für uns zu entscheiden.

Der Neu-Wiesbadener André Hopp.

André Hopp.

Anderes Thema: der deutsche Nachwuchs. Wie siehst du dessen Entwicklung?

Ganz ehrlich? Der Nachwuchs kommt viel zu kurz.

Das heißt?

Den Jugendlichen muss die Option eingeräumt werden, sich zu beweisen. Das können sie aber nicht, wenn sie einen Ausländer vor die Nase gesetzt bekommen. Die Klubs müssen sich endlich trauen. Was nützt einem Youngster die Garbage-Time, wenn sein Verein mit 40 Punkten führt? Da ist doch überhaupt kein Druck mehr da. In einer engen Partie erkennst du doch erst, ob die Jungs und Mädels nervenstark sind. Der Nachwuchs darf auch Fehler machen und nicht gleich ausgewechselt werden, wenn er mal einen Turnover produziert.

Würdest du eine wie auch immer geartete Deutschquote befürworten?

Ach, das wird doch ständig in irgendwelchen Sitzung thematisiert, besprochen und am Ende nicht verabschiedet, weil immer ein Verein dabei ist, der dagegen ist. Generell fänd ich so etwas gut. Eventuell in Anlehnung an die Quotierung der NB-Spieler auf dem Feld. Für mich gehört so etwas aber auch zum Selbstverständnis eines Trainers. Es gibt so viele Klubs mit einer zweiten und dritten Mannschaft, die jede Menge Potenzial bieten.

Zuletzt kam auch die Frage auf, was einem Spieler in seiner sportlichen Entwicklung besser unterstützt: Training in einem Top-Team oder Spielzeit in der RBBL. Wie siehst du das?

Ich persönlich lerne mehr durch Spielzeit. Im Training kannst du Situationen nie so nachstellen, wie sie sich im Match ergeben. Dort kannst du auch nicht zum Gegner sagen: „Hey, mach mal langsam, wir wollen den Spielzug nochmal von vorne durchspielen“. Wenn du nicht spielst, dann kannst du dich auch nicht weiterentwickeln. Was nützt es dir, wenn du ständig trainierst, um dann 40 Minuten auf der Bank zu sitzen.

Was hat dir dein Vater eigentlich mitgegeben bzw. was hat dich besonders geprägt?

Er ist immer noch mein Mentor und mein Vorbild. Als Trainer hat er mich dort hingebracht, wo ich aktuell bin. Klar fehlen bei mir auch noch die Feinabstimmungen wie z. B. die Ruhe im Spiel.

Bist ja auch ein kleiner Heißsporn.

Das stimmt. Mein Vater sagt auch immer, dass ich zu emotional bin. Und Emotionen haben auf dem Court nur bedingt etwas zu suchen. Er hat ständig und viel mit mir gearbeitet.

Was aber nicht heißt, dass er einen Clon züchten bzw. ein Superstar aus dir machen wollte?

Niemals. Er hat mich nie mit anderen Spielern verglichen. Vielmehr hat er mir gesagt, dass ich meine eigene Klasse habe und ein eigener Spielertyp bin. Natürlich gab es auch sanften Druck, aber in Form von konkreten Aufgaben auf dem Court.

Lass uns das Thema wechseln. Fuchst es dich eigentlich, dass du aufgrund deiner Nicht-Behinderung nicht international spielen darfst?

Eigentlich gar nicht. Ich hab mich nie darüber geärgert, da ich mich für den Sport entschieden habe und wusste, dass ich international nicht spielen darf. Natürlich wäre eine MB in dem einen oder anderen sportlichen Moment nicht schlecht, aber es ist auch schön nach dem Training einfach aus dem Stuhl zu steigen und sein Sportgerät ohne Hilfe ins Auto zu laden.

Hat dir der Sport eigentlich was zurück gegeben bzw. gelehrt?

Ja. Er schlägt Brücken. Es ist die einzige Sportart, in der Behinderte und Nicht-Behinderte zusammenspielen. Ferner spielen Frau und Männer gegen- und miteinander. Mit der Zeit entwickelst du auch eine ganz andere Sicht. Zwar bin ich durch meinen Vater mit dem Rollstuhl groß geworden, aber die Grenzen verschwimmen. Du nimmst die vermeintliche Behinderung nicht mehr wahr. Du siehst nur den Menschen bzw. den Sportler.

Zum Schluss nochmal zurück nach Wiesbaden. Was dürfen die Anhänger der Rhinos von dir erwarten, außer dass du mal emotional wirst?

Na super. Danke auch. Das ist jetzt so eine Selbsteinschätzungsfrage, da bin ich immer ganz schlecht drin.

Wir sind schon ganz Ohr.

Ich werde von der ersten bis zur letzten Minuten alles geben. Und in der Einsatzzeit, die ich bekomme, gebe ich alles.

Was dazu führt, dass Wiesbaden auf welchen Platz landen wird?

Dem vierten.

Ernsthaft?

Klar. In der Hinrunde kannst du die Gegner noch überraschen, da sie dich und dein Spiel noch nicht wirklich kennen. In der Rückrunde bist du hingegen kein unbeschriebenes Blatt mehr, da die anderen Teams sich auf dich einstellen. Wenn uns da aber der eine oder andere Coup gelingt, ist einiges möglich. Die kommende Saison wir richtig spannend.

Abschlussfrage: Was wird Mirko Korder nach der Spielzeit 2016/2017 über André Hopp sagen?

Diese Frage musst du Mirko schon selbst stellen, die kann ich nicht für ihn beantworten.

Klasse, vielen Dank für die schlagfertige Antwort und deine Zeit.

– – – – – – –

Marco Hopp über André Hopp | Wenn der Vater über den Sohne …

Seine Stärken auf dem Court

Er ist ein Leader mit Power; ausgestattet mit einer sehr guten Athletik. André kommuniziert, hat „eigentlich“ einen sehr guten Wurf, besitzt ein gutes taktisches Verständnis und geht weite, aber manchmal zu viele Wege. Er ist einer der trainingsfleißigsten Spieler, den ich kenne.

Daran muss er noch arbeiten

An der Wurfkonstanz, am Durchsetzungsvermögen, seiner Spielübersicht sowie seinen Emotionen. Und an seiner Gelassenheit – manchmal sind weniger Emotionen mehr.

Damit hat er mich als Kind zur Weißglut getrieben

Da gibt es nichts – oder ich habe es verdrängt. Er war aktiv, so wie andere Kinder auch. Und hin und wieder ein wenig überdreht. Doch wer war das nicht? Einzig sein schulischer Fleiß ließ zu wünschen übrig. Da kam ich schon das eine oder andere Mal an meinen persönlichen Grenzbereich. Das mit der Emsigkeit holte er, nachdem er seine Pubertät abgelegt hatte, nach.

Als die Anfrage aus Wiesbaden kam, habe ich ihm gesagt

Das ist deine Entscheidung. Ich unterstütze dich bei allem was du tust und bin für dich da, wenn du mich brauchst!

Stolz macht mich

Seine soziale Kompetenz, seine Neugier Neues zu erfahren und zu lernen. Sein stetiger Antrieb sich zu verbessern und das Maximale aus sich heraus zu holen. Ferner seine Zuverlässigkeit, seine Bodenständigkeit und seine kleinen Macken.

Interview & Text: Martin Schenk | Foto: Michael Witte

Leave a Reply