Ana Cardoso hat die kolumbianische Männern-Nationalmannschaft zu den Paralympics nach Tokio geführt. Nach Platz sieben bei der Copa América in Cali im Jahr 2017, coachte die gebürtige Brasilianerin Rodney Hawkins & Co. zur – für viele überraschenden – Bronzemedaille bei den Parapan American Games 2019 in Lima. Mit 58:51 bezwang die kolumbianische Auswahl die Equipe aus Argentinien. Im Interview spricht die 47-Jährige über den Neuanfang nach der Copa América, ihr Wirken in der „Männerwelt“ und den Status quo des Rollstuhlbasketballs in Kolumbien.
Ana, nochmal Glückwunsch zur Qualifikation für Tokio 2020.
„Vielen Dank für die Glückwünsche, das weiß ich sehr zu schätzen“
Wie habt Ihr euch auf die Parapan American Games vorbereitet?
„Die Vorbereitungen liefen eigentlich seit der Copa América 2017. Dort standen mir Spieler wie Jhon Hernandez, Daniel Diaz und Rodney Hawkins noch nicht zur Verfügung. Ich musste also bei null anfangen.“
Und nach welchen Kriterien hast du dir die Spieler dann ausgesucht?
„Ich musste mir mein Team für einen Neuanfang zusammensuchen und habe seit 2018 nach Talenten im ganzen Land gesucht. Ich habe Ausschau nach Athleten gehalten, die diese Aufgabe ernst nehmen und die auch wirklich in der Nationalmannschaft spielen wollen, um meiner Arbeit auch einen richtigen und tieferen Sinn zu geben. Seit 2017 habe ich körperliche und technische Tests mit den Spielern durchgeführt, um dann in einem Trainingslager zu entscheiden, ob sie den Kriterien entsprechen. Es stand außer Frage, dass wir auch eine Verjüngung im Kader herbeiführen müssen.“
Konkret heißt das?
„Nun, ich habe zwei Spieler im Auge, die ich in die Vorbereitungen für Tokio einbeziehen werde und, je nach dem wie schnell sie sich entwickeln, werde ich sie auch entsprechend einbinden. Aber spätestens 2023 werden sie dann international spielen können.“
Seit wann hegst du so etwas wie den Traum an den Parapan American Games in Lima teilzunehmen?
„Ich habe diesen Traum, seit ich 2017 nach Kolumbien gekommen bin. Es gibt so viele Talente, dir wir Schritt für Schritt entwickeln müssen. Bei der Copa América 2017 wurden wir 7. Da wussten wir, dass es viel zu tun gibt. Uns war aber auch klar, dass wir es mit einem Plan und viel Arbeit schaffen würden. Das Ziel lautete: Die individuellen Leistungen zu verbessern und als Team zusammen zu wachsen.“
Was macht ihr, um den Rollstuhlbasketball in eurem Land bekannter zu machen?
„Die Bronzemedaille bei den Parapan American Games gibt uns eine Stück Aufmerksamkeit für unseren Sport in Kolumbien zurück. Ich werde weiterhin Trainingsprogramme für neue Spieler und Trainer anbieten und durchführen. Das gestaltet sich aber ein bisschen so wie die berühmte Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.“
Was noch?
„Wir werden die Besuche an Universitäten und in den Städten erhöhen, um die Bekanntheit zu steigern“
Wie steht es generell um den Rollstuhlbasketball in Kolumbien?
„In Kolumbien wurde dieses Jahr eine Art Sportministerium gegründet, das sich ausschließlich mit Rollstuhlbasketball beschäftigen soll. Dieses Ministerium hat sich vorher auch um viele andere Sportarten gekümmert. Es war schwierig, gute und auf hohem Niveau spielende Athleten zu fördern und zu bezahlen. Deswegen gehen viele gute Spieler auch ins Ausland. Ab 2021 soll dieses Ministerium nur noch für den Rollstuhlbasketball zuständig sein.“
Was wünschst du dir noch?
„Wir brauchen auf jeden Fall mehr internationale Freundschaftsspiele in unserem Land, um junge Spieler zu motivieren.“
Gibt es noch etwas, was du der Rollstuhlbasketball-Welt gerne sagen möchtest?
„Ich bin sehr stolz und freue mich über das Erreichte. Ich habe realisiert, dass sich mit der Paralympics-Qualifikation Türen öffnen und andere Optionen ergeben. Es war auch das erste Mal, dass ich an den Parapan American Games teilgenommen habe. Demzufolge wird es 2020 meine erste Teilnahme an den Paralympischen Spielen sein. In meinen 22 Jahren als Trainerin, die mitunter von dem einen oder anderen Kampf bzw. Hochs und Tiefs geprägt waren, war die Qualifikation für Tokio ein großer Triumph. Ein Erfolg, der zeigt, dass es sich lohnt, hart zu arbeiten, um seine Träume zu verwirklichen. Ich glaube auch, dass ich eine der ersten, wenn nicht sogar die erste weibliche Herren-Nationaltrainerin bin, der die Qualifikation gelungen ist. Das ist auch ein großer Kampf und Erfolg, der hoffentlich anderen Trainerinnen ein Stück weit als Vorbild dienen kann.“
Ana, das waren schöne Schlussworte. Vielen Dank für dein Zeit und weiterhin viel Erfolg.
Interview: Nicole Schultz & Martin Schenk | Übersetzung: Nicole Schultz | Foto: privat