Gut Ding will Eile haben! | Interview mit Nicolai Zeltinger

Wie zufrieden warst du mit dem Auswahlwochenende in Wetzlar?

Der Trainerstab war sehr zufrieden mit der Sichtung. Wir beobachten selbstredend das ganz Jahr unsere potentziellen Kandidaten. Trotzdem ist es für uns wichtig, zu sehen, wie vorbereitet die Athleten zum Camp kommen. Neben den athletischen und mentalen Voraussetzungen, achten wir darauf, wie sich die Spieler in der Drucksituation verhalten und performen. Das individuelle Niveau ist gestiegen, und wir können feststellen, dass wir auf dem Aufbauen können, was wir in den letzten Jahren erarbeiten haben. Der Umgang der Athleten untereinander war vorbildhaft für diese große Konkurrenzsituation.

Nicolai Zeltinger (rechts) mit Ralf Neumann im Einsatz für den RSV Lahn-Dill

Nicolai Zeltinger (rechts) mit Ralf Neumann im Einsatz für den RSV Lahn-Dill

 

Mit Marcus Kietzer, Jan Sadler und Aliaksandr Halouski stehen drei Neulinge im erweiterten Kader. Was zeichnet die drei Akteure aus bzw. welchen Impuls können sie dem Team geben?

Aleks ist ein ganz außergewöhnlicher Spieler. Ein große Bereicherung für den deutschen Basketball und ein vorbildhafter Athlet. Marcus Kietzer hat sich während der Saison in Jena deutlich weiter entwickelt und große Verantwortung übernommen. In seinem zweiten Anlauf hat er nun den Sprung ins Team geschafft und wird uns in zwei Lineups interessante Alternativen bieten. Mit Jan Sadler haben wir einen weiteren Junioren-Weltmeister ins Team aufgenommen. Er konnte sich in einem harten Konkurrenzumfeld der Drei-Punkte-Spieler durchsetzen.

 

Was ist eigentlich der Stand in Sachen Einbürgerung Halouski?

Die Einbürgerung ist in trockenen Tüchern. Uns liegt die schriftliche Einbürgerungszusicherung vor.

 

Was antwortest du Einbürgerungsgegnern, die lieber ein einheimisches Talent im Nationalteam sehen würden?

Aleks  hat bis zu seiner Verletzung Fußgängerbasketball mit der Perspektive auf eine Profikarriere gespielt. Der Traum schien geplatzt. Er hat in Minsk Rollstuhlbasketball kennen gelernt, aber in Weißrussland gibt es keine Liga. Josef Jaglowski hat ihn getroffen und vom deutschen Ligasystem erzählt. Diese Chance wollte er ergreifen und hat beim RSB Team  Thüringen angefangen zu spielen. Er hat sehr schnell Deutsch gelernt und sich bestens integriert. Er sieht seine langfristige Lebenszukunft in Deutschland. Ich würde als Bundestrainer nicht meinen Job korrekt machen, wenn ich auf ihn verzichten würde.

 

Sebastian Magenheim steht kurz vor dem Sprung zurück ins Nationalteam. Was hat er anders bzw. gebessert gemacht als letzte Saison?

Sebastian hat weiter sehr hart an sich gearbeitet und einen hervorragenden Eindruck beim Selection Camp hinterlassen. Er versteht sich sehr gut mit seinem Vereinskollegen Halouski und gibt der Mannschaft sehr viel Power.

 

Was sagst du deinen Kritikern, die von einer zu großen “Lahn-Dill-Lastigkeit” im Nationalmannschaftskader sprechen resp. du Spieler mitnimmst, die bei dir als Vereinstrainer nicht oder nur kurz zum Einsatz kommen?

Es gibt Menschen, die Bezeichnen den RSV Lahn-Dill als den FC Bayern München des Rollstuhlbasektballs. Als 1.FC Köln-Fan sieht man dies natürlich sehr ambivalent. Dass die Mannschaft, die in den letzten zehn Jahren neun Mal deutscher Meister war und in einem 13er Kader, nur 3 „Imports“ hat, auch viele gute deutsche Spieler stellt, ist für mich nicht verwunderlich. Die Entwicklung von Thomas Böhme, der sich zu Beginn auch erst noch seine Minuten erarbeiten musste, bestätigt die Entwicklung unserer deutschen Spieler.

 

Wer sind für dich die größten Favoriten in Worchster?

Großbritannien, die Türkei und Spanien sind vom Papier her die Favoriten. In dem hervorragenden europäischem Wettbewerb sehe ich allerdings drei weitere Teams, denen ich eine Überraschung durchaus zutraue. Darunter ist auch Deutschland.

 

Was muss passieren, dass Deutschland wieder zur absoluten Weltspitze im Rolli-Basketball gehört?

Nun, da gibt es drei Punkte, die wir im Fokus haben.

 

Dass wir mit den Top-Nationen mitspielen können zeigen wir phasenweise. Allerdings fehlt uns die nötige Konstanz, diese Leistung abzurufen. Dass wir das jüngste Team bei der letztjährigen WM gestellt haben, soll nicht als Ausrede gelten. Aber man darf dies berücksichtigen und anerkennen, dass wir für die Zukunft gut aufgestellt sind.

 

Zweitens müssen wir unseren großen Fokus auf den Nachwuchsbereich legen und Ausbauen. Peter Richarz und Benny Ryklin machen eine ganz wertvolle Arbeit mit der U22 und der U19. Daneben haben wir das Junior Elite Camp initiiert und transferieren internationales Know how von Übersee an unsere Nachwuchsathleten und Trainer. Im Bereich der Lehrkommission wirke ich mit, um Wissen zu teilen und es möglichst vielen Kollegen zugänglich zu machen.

 

Drittens bereitet es uns Schwierigkeiten, wenn beispielsweise drei unserer vier Vierpunkte-Spieler voll berufstätig sind. Dirk Passiwan und Dirk Köhler sind wichtige Säulen der Nationalmannschaft, aber nach einer Bundesligasaison mit einem 40-Stunden Job ausgelaugt. Hier ist es wichtig, dass wir im Rahmen der Dualen Karriere zukünftig Athleten in gesicherten Verhältnisse begleiten, so dass sie während Ihrer Karriere alle Trainingsmaßnahmen absolvieren können und nach Ihrer Karriere keine beruflichen Nachteile erfahren weil sie für Deutschland gespielt haben.

 

Da wir kurzfristig Lösungen finden wollen, arbeiten wir dieses Jahr mit einer Sportpsychologin zusammen. Ich bin überzeugt, dass wir viele Dinge richtig machen. Insbesondere in der Verteidigung zeigen wir große Konstanz. Ich fühle mich verantwortlich, dafür zu sorgen, dass wir auch nach drei vergebenen Angriffen die Selbstsicherheit behalten.

 

Zu guter Letzt: Wie sieht der weitere Fahrplan in Sachen EM und Kader aus?

Wir werden über den Sommer 13 Maßnahmen durchführen. Am 5.Juni spielen wir in Hamburg. Am 6. Juni in Wulfen (NRW). Am 4./5. Juli spielen wir ein Länderspiel in Gießen. Beim Super World Cup in Frankfurt vom 10.-12.Juli präsentieren wir uns mit zwei internationalen TopTeams. Dazu planen wir Camps und Länderspiele in Israel, der Türkei und Großbritannien.

Interview: Martin Schenk | Foto: Jenniver Röczey

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