Die Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft der Frauen ist “Paralympische Mannschaft des Jahres 2015”. Stellvertretend für das ganze Team nahm Marina Mohnen (Mainhatten Skwheelers) am vergangenen Samstag in Köln die Ehrung in Empfang. Pünktlich zu dieser Auszeichnung blickt Rollt. auf einen bewegenden Sommer zurück.
Die Schmach von Frankfurt ist getilgt. 2013 hatte sich Nachbarland Niederlande auf hessischem Boden auf den Thron des europäischen Damen-Rollstuhlbasketballs gesetzt und den Stachel tief ins Fleisch des Team Germany gebohrt. Fortan galt die Mannschaft um die beiden Stars Mariska Beijer und Inge Huitzing als nahezu unbesiegbar, der Glanz und Wille der deutschen Adlerträgerinnen schien verblasst. Im Vorfeld der Europameisterschaft dann noch der Schock durch die Turnierabsage von Mareike Miller, deren Knie nicht rechtzeitig für die Spiele fit werden sollte – oder wollte. Doch die vorhandene Unruhe und vermeintliche spielerische Un-Flexibilität durch den Ausfall der Leistungsträgerin am Brett sollte die Equipe von Cheftrainer Holger Glinicki nicht bremsen. Zwar hagelte es in der Vorbereitung hier und da auch deutliche Niederlagen und viele Experten fragten sich, ob die dünne Rotation der Leistungsträger halten wird – sie hielt.
Es fehlt schwer, bei einer Gold-Medaille nicht konsequent nur das Team zu loben und dieses in den Mittelpunkt zu stellen. Dennoch darf die Leistung von einem Quartett nicht unter den Tisch fallen: Gesche Schünemann (BG Baskets Hamburg) und Marina Mohnen (Mainhatten Skywheelers) haben das verjüngte Team auf ihren Schultern getragen und avancierten in jeder Partie zu den Topscorern. Stichwort Schulter – bedenkt man, dass die selbige von Marina Mohnen bereits zum Turnierbeginn maximal lädiert war und die Ex-Kölnerin quasi ständig unter Schmerzen spielte, wow! Völlig zurecht wurde die deutsche Kapitänin in das Allstar-Team der Europameisterschaft berufen. Eine Ehre, die übrigens auch Gesche Schünemann hätte zuteilwerden sollen. Wann bitte, liebe IWBF Europe, stellt der Europameister nur ein Mitglied im Allstar-Team und der Vize-Champion zwei?
Die in den Statistiken unauffälligeren, aber ebenso wichtigen, Leistungen legten Johanna Welin (RBB Iguanas München) und Annabel Breuer (RSV Lahn-Dill) aufs Parkett. Mit ihrer stets aggressiven Verteidigung waren sie ein Schlüssel zum Triumph der Glinicki-Girls. Natürlich darf auch der gelungene Generationenwechsel nicht unterschlagen werden. Die in Rollt. #8 bereits als „Perspektivgeschichte(n)“ vorgestellte Barbara Groß (Mainhatten Skywheelers) demonstrierte ebenso ihre Zukunft im Team Germany, wie Maya Lindholm aus Hamburg, Linda Dahle aus Hannover oder Laura Fürst aus München.
Apropos Glinicki. Der Hamburger bewies pünktlich zum Finale, das er ein echter Fuchs ist. Zunächst analog zu Deutschlands Kickern 1954 die klare Niederlage gegen den Favoriten in der Vorrunde – vermutlich hat ein Besuch von Hamburgs neuem Musical „Das Wunder von Bern“ die entscheidenden Impulse geliefert. Und dann drehte der Bundestrainer im packenden Finale gegen die Niederlande den Spieß um. Natürlich hatte das Team Germany ohne Mareike Miller weniger Flexibilität im Spiel unter den Brettern, natürlich hatte man sich gerade nur denkbar knapp gegen Gastgeber Großbritannien ins Finale geschossen – soweit bekannt. Aber warum dem Gegner nicht plötzlich auch ein bis dato unbekanntes Problem anhängen? Der taktische Schachzug in der Verteidigung ein Doppeln einzusetzen wird am Ende mit Gold belohnt. Ein Problem, dass den amtierenden Champion überrollte und die Wahrheit der Kabinenansprache zu Grunde legte: „Wir müssen nur einmal gegen sie gewinnen.“
Der Rest ist Gänsehaut und Konfetti.
Text: Sven Labenz / Fotos: Jürgen Berg