Fan-Interview mit Sven Meissner: “Holt der Rollstuhlbasketball dich noch ab?”

Sven Meissner ist – wie viele andere in der Community – Rollstuhlbasketball-Fan. Wenn er nicht gerade seinen riesigen Rasen mäht, an seinem Auto schraubt oder mit seiner Familie unterwegs ist, brennt Sven für die Spiele in der RBBL und die Partien der Nationalmannschaften. Seine Leidenschaft hat ihn nicht nur zu den Paralympics nach Tokio und zur EM in Madrid geführt, sondern auch zu vielen anderen Partien in Deutschland und der ganzen Welt. In letzter Zeit hat sich Svens Puls- und Herzschlag für den Sport jedoch ein Stückweit verlangsamt. Warum das so ist, hat uns der Familienvater im Fan-Interview erklärt.

 

“Holt der Rollstuhlbasketball dich noch ab? Mit dieser Frage hast du mich Mitte des Monats per Facebook-Nachricht überrascht. Anschließend haben wir fast eine Stunde über den Status-quo in der Community am Telefon philosophiert. Wie würdest du abschließend für dich diese Frage beantworten?

„Für mich als Fan dieser tollen Sportart ist das schwierig zu beantworten. Auf der einen Seite interessiere ich mich nach wie vor für die Spielstände und die Ergebnisse in der Liga. Auf der anderen Seite hat sich aber mein Konsumverhalten und meine Wahrnehmung verändert. Vor einigen Monaten habe ich mir noch gleichzeitig zwei Spiele im Stream anschaue. Das ist jetzt nicht mehr der Fall.“

 

Sondern?

„Nun, ich habe mich schon selbst dabei ertappt, dass ich ein Spiel in der Halbzeit einfach abschalte, weil mein Interesse nicht mehr so hoch ist. Ich kann das schwer beschreiben. Um aber auf deine Ausgangsfrage zurückzukommen: Nein, mich holt der Sport aktuell leider nicht mehr so wirklich ab.“

 

Lass uns versuchen, deiner Gefühlswelt ein bisschen auf die Spur zu kommen: Was sind für dich die größten Probleme, mit denen der Rollstuhlbasketball in deine Augen zu kämpfen hat?

„Ich sehe den Rollstuhlbasketball in seinem gewohnten Trott dahinplätschern. Die Vereine machen im Rahmen ihrer Möglichkeiten sicherlich das, was sie immer machen, nämlich den Klub als solchen und den Spielbetrieb aufrecht erhalten. Aber mir fehlen die Anstupser, die in mir als Fan das Interesse verstärken und einen positiven Impuls und Anreiz setzen.“

 

Wenn es bei dir als eingefleischtem Fan schon gewisser Impulse bedarf, wie siehst du es dann bei der Gewinnung neuer Fans für den Rollstuhlbasketball?

„Das ist die große Herausforderung. Ich sehe aktuell und in Zukunft ein Problem darin, neue Fans zu gewinnen. Oftmals ist es doch so, dass die Zuschauer in den Hallen Personen aus dem Vereinsumfeld oder nahe Angehörige sind. Ich sehe kaum neue Gesichter oder neu gewonnene Fans, die freudig sagen: „Hey, das ist ein geiler Sport. Ich hab davon gehört, gelesen und Ausschnitte gesehen und nun wollte ich es mir unbedingt mal live ansehen“. Ich habe selbst vor einigen Jahren im Raum Berlin die Telekom Schultour mitgemacht, kann mich aber nicht erinnern danach jemals einen der Schüler bei uns in der Halle gesehen zu haben.”

 

Gibt es weitere Punkte?

„Ja, zum Beispiel die Außendarstellung der Liga  bzw. der Ligen. Diese finde ich schwierig. Als Interessierter ist es echt schwer Infos an einer zentralen Stelle zu bekommen. Die Vereine schreiben meist ihre Spielberichte, aber wo finde ich etwas an einem Ort? Wo erfahre ich, wer die besten Spieler waren, wie sich die Resultate auf die Tabelle ausgewirkt haben etc. All das bekommen Interessierte natürlich mit ein wenig suchen raus. Aber als Neuling muss du schon wissen, wo du schauen und suchen muss.“

 

Das heißt für dich …

… dass sich mir die Frage stellt, ob das potenzielle „Neu-Fans“ überhaupt machen oder sofort das Handtuch schmeißen. Und gerade was die Ligen unterhalb der RBBL1 betrifft, wird es echt schwer, Infos zu finden.

 

Lass uns mal die Perspektive wechseln: Was läuft gut in Rollstuhlbasketball-Deutschland?

„Gut läuft auf jeden Fall, dass man sich inzwischen jedes Spiel der RBBL1 im Stream anschauen kann –  und teilweise ja auch Spiele der 2. Liga. Viele Teams und Vereine halten über Ihre Social-Media-Kanäle die Leute auf dem Laufenden –  zumindest mit Spielergebnissen.“

 

Du kommst viel herum. Bist nach Japan zu den Paralympics gereist und warst sogar in Madrid bei der EM letztes Jahr. Was sagen andere Fans, mit denen du im Austausch bist?

„Das ist unterschiedlich. Aber ich höre von einigen, dass sie nicht mehr mit 100%-iger Begeisterung dabei sind, wie sie es früher einmal waren. Ich habe z. B. von einem Anhänger gehört, dass ihm die richtigen Typen fehlen. Männer oder Frauen, die polarisieren. Menschen, über die sich ein Fan – egal ob in der Halle oder im Stream – so richtig aufregen kann. Echte Charaktere, für die ich mich auf den Weg in die Halle mache. Oftmals wirken Spiele wie ein Klassen- oder Familientreffen. Eine nette Runde unter Bekannten. Ich habe schon von Dritten gehört, und ich sehe es selbst auch so, dass da die richtigen Emotionen fehlen. Ich denke, da sind uns andere Nationen voraus. Sport im allgemeinen lebt ja auch von Emotionen.“

 

Apropos Emotionen: Wie nimmst du den Zweikampf zwischen Elxleben und Wetzlar sowie den übrigen Duellen in der RBBL wahr?

„Die Spiele zwischen Elxleben und Wetzlar sind immer etwas Besonderes, und ich glaube, da sind alle Fans gespannt, wie es ausgeht. Ich denke jedoch, dass um dieses Duell längst nicht mehr so ein Wirbel und Aufsehen gemacht wird, wie es in den letzten Jahren war.“

 

Wie meinst du das?

„Wenn ich zurückdenke war im Vorfeld stets die Rede vom Gipfeltreffen, und die Teams wurden vorher unter die Lupe genommen. Es wurden Interviews geführt, und nach meinem Empfinden wurde einfach mehr darüber berichtet. Sonst gibt es für mich keine besonderen Duelle in der RBBL. Die Teams spielen im Ligabetrieb gegeneinander, aber eine besondere Rivalität oder einen wohlschmeckenden Aperitif, der mir Hunger auf die Duelle macht, kann ich zurzeit nicht erkennen.“

 

Lass uns zum Schluss unseres Gesprächs beim Thema bleiben: Was muss dringend angepackt werden, dass der Sport für dich noch Anziehungskraft besitzt?

„Der Sport muss mehr in die Öffentlichkeit gerückt werden, um weitere Fans, Anhänger und Begeisterte zu gewinnen. Vielleicht müssen in diesem Bereich neue Wege gefunden werden, auch wenn es für mich – als neutraler Dritter – einfacher gesagt als getan ist.“

 

Was noch?

„Die Klubs müssen transparenter werden. Wieso erfahre ich als Fan nicht, wenn ein Nationalspieler und wichtige Stütze des Vereins,  im Ligabetrieb bei zwei, drei Spielen nicht dabei ist? Das kann doch nicht so schwer sein, einen Facebook-Post rauszuhauen. Oftmals fehlen mir einfache Infos. Da könnte mehr von den Vereinen, aber auch vom Verband kommen.

 

Und zu guter Letzt?

„Es könnte noch mehr über die unteren Ligen berichtet werden. Wo gibt es die Talente, die eventuell das Zeug zum Star haben? Youngsters, die der Fan auf dem Radar haben sollte, weil wir mit ihnen mitfiebern und ihre Entwicklung verfolgen wollen.“

 

Sven, vielen Dank für deine Ausführungen.

 

Interview: Martin Schenk | Foto: privat

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