Inklusion, Gleichberechtigung, Internationalität und Dynamik. Was sich wie die Buzzwords eines Parteiprogramms zur nächsten Bundestagswahl lesen, sind Schlagwörter, für die der Rollstuhlbasketball hierzulande und international steht. Die explosive paralympische Sportart verwebt, wie keine andere Disziplin, politische und gesellschaftliche Themen mit dem sportlichen Wettkampf auf dem Parkett. Dabei ist der „Wheelchair Basketball“ alles, nur nicht langweilig. Diesem hochspannenden Mix, den Athleten sowie der Szene gibt das Indie-Magazin „Rollt.“ seit 2013 eine Stimme. Ein Gastbeitrag von Rollt.-Macher Martin Schenk.
Insbesondere Männer, die in einer Zeit groß geworden sind, in denen der Zivildienst noch eine lange und intensive Rolle spielte, müssen sich von ihrem Weltbild und vorhandenen Denkmustern verabschieden, wenn die Worte „Rollstuhl“ oder „Behinderte“ fallen. Dass Rollstuhlbasketball rein gar nichts mit “sabbernden und betreuungswürdigen Menschen” zu tun hat, wird spätestens dann klar, wenn der Ex-Zivi oder neutrale Zuschauer das erste Rollstuhlbasketballspiel seines Lebens sieht. Es kracht, es scheppert, Frauen duellieren sich mit Männern, Jugendliche heben mit ihrem Sportgerät ab, kippen um und bleiben wie der sprichwörtliche Maikäfer auf dem Rücken liegen. Zuschauer eskalieren und Spieler steigen nach der Partie wie wundergeheilt aus ihrem Rollstuhl aus, um mit ihrem Teamkameraden oder Gegenspieler das Match zu analysieren und Fans abzuklatschen. Der Sport ist wie der Kneipensport „Darts“ nahezu selbsterklärend, weicht er doch, bis auf ein, zwei Regelunterschiede, so gar nicht vom „normalen Basketball“, dem „Fußgängerbasketball“, ab. Was die englische Premier League oder die spanische Primera División für den Fußball ist, ist die deutsche Rollstuhlbasketball-Bundesliga (RBBL) für den Korbballsport auf Rädern: die beste Liga der Welt. Internationale Stars und deutsche Nachwuchstalente geben sich in der höchsten deutschen Spielklasse die Klinke in die Hand und verzücken, wie beim Ligaprimus RSV Lahn-Dill aus Wetzlar, auch schon mal bis zu 1.500 Zuschauer. Das dies nicht in allen Hallen der Fall ist, ist selbstredend, macht den Sport aber auch wieder sympathisch und familiär. Prügelnde Fans, medialer Overkill a lá Fußball, Eintrittspreise vergleichbar eines Kurzurlaubs oder Millionengehälter und in Villen wohnende Superstars wird der Zuschauer beim Rollstuhlbasketball nicht finden. Attribute, die eine der attraktivsten paralympischen Sportarten zu etwas Herzlichem und Besonderem machen. Nahbare und offene Spieler geben neuen Fans und insbesondere neugierigen Kindern gerne Auskunft, warum sie denn auf den Rollstuhl angewiesen sind bzw. wie sich ihr „rollendes Leben“ gestaltet. Der Sport und die Beteiligten der Szene reißen mehr „Denk-Behinderungen“ im Kopf ein bzw. tun mehr für die Inklusion, als manch ein sprücheklopfender Politiker oder die Behindertenbeauftragten in den Top-Firmen dieser Republik.
Rollstuhlbasketball und der paralympische Sport werden sich, nicht nur aufgrund des Verlustes der olympischen Übertragungsrechte der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, zu einer der kommenden Sportarten entwickeln. Knapp 6.000 € teure Sportrollstühle sowie die aktuell unterrepräsentierte mediale Präsenz werden den kontinuierlichen Aufstieg des Rollstuhlbasketballs nicht aufhalten. Die Korbjäger in ihren rasenden Stühlen werden sukzessive dort Zuschauer und Sponsoren abgreifen, wo der private und firmentechnische „Return on Investment“ sowie der „Kick back“ bestimmter Sportarten an die Gesellschaft abnimmt. Firmen und der Otto-Normal-Sportfan wollen Authentizität bzw. das echte Leben und keinen indoktrinierten und vorgetexteten Konformismus. Rollstuhlbasketball kommt in Fahrt, denn er vereint all das, was attraktiven Sport ausmacht: Glaubwürdigkeit, Spannung, Emotionen und Leistung. Dass auch noch wachsende gesellschaftliche Aspekte und Herausforderungen, wie das Thema Inklusion und Gleichberechtigung, mal ebenso gelebt werden, macht die Disziplin auf Rollen und Rädern zu etwas Einzigartigem und Besonderem. Wo andere noch diskutieren, ist die Sportart bereits gesellschaftlicher Motor und Katalysator, der durch die Rollstuhlbasketball-Weltmeisterschaft 2018 in Hamburg weiter wachsen wird. Es Rollt. an.
Text: Martin Schenk (Gastbeitrag für das Magazin THE ONE – finelifestyle & Golfmagazin)