Wir schreiben den 16. Dezember des Jahres 2015, eine (vermeintliche) Schocknachricht lässt die Rollstuhlbasketball-Welt (vermeintlich) erzittern: Das Internet-Portal 5vier.de vermeldet das drohende Aus der Doneck Dolphins Trier.
Nach Zwickau und Kaiserslautern erneut ein finanzieller Knock-out im Behindertensport? Von einer Etatlücke in Höhe von 15.000 – 20.000 Euro ist die Rede. Sowohl Manager Otmar Passiwan, als auch Pressesprecher Bastian Lütge bestätigen in o.g. Meldung, dass sogar der laufende Spielbetrieb Schaden nehmen könne (Zitat: „Ja es stimmt. Wenn keine zusätzlichen Gelder in die Kassen kommen, müssen wir ernsthaft überlegen, ob wir den Verein weiter aufrechterhalten können oder sogar den Spielbetrieb im Januar einstellen müssen.“).
Eine Nachricht in der tiefen Grauzone der Öffentlichkeitsarbeit
Die Nachricht der finanziell angeschlagenen Trier, bis dato Überraschungsteam der Liga und dank MVP-Kandidat Dirk Passiwan klar auf Playoff-Kurs, lässt uns in der Rollt.-Redaktion noch am selben Abend aufhorchen und tätig werden. Das Netflix-Programm wird für kurze Telefonate, erste Interview-Fragen Richtung Trier und den WhatsApp-Austausch mit bekannten Gesichtern der Szene, unterbrochen. Das Ergebnis dieser Gespräche ist jedoch kein Schockzustand, sondern ein lautes und gelangweiltes Gähnen, das sich in nahezu jedem einzelnen Dialog widerspiegelt. Man könnte die Reaktionen aller Nicht-Trierer Beteiligten wohl einfach mit den Sätzen „Ach, mal wieder einer dieser Hilferufe aus Trier“ oder „Nichts Neues, alles schon mal da gewesen“ zusammenfassen.
Und auch die Betroffenen selbst reagieren irgendwie seltsam: Im Rollt.-Interview legt Manager Otmar Passiwan die Dinge plötzlich doch etwas anders dar, als zunächst angenommen und über das Internet-Portal 5vier.de in die Welt gesendet. Auch die Kollegen von Rolling Planet sprechen von „gewagten Schlagzeilen“.
Unterm Strich bleibt uns der Mund offen stehen. Warum?
Wer von euch kennt die Geschichte vom Hirtenjungen, der laut „Wolf“ ruft, obwohl gar kein Fleischfresser in der Nähe ist? Die Geschichte erinnert uns aktuell stark an die Situation in Trier.
Eine Etatlücke bei einem ehrenamtlich geführten Verein hat sich aufgetan, die sehr schmerzlich ist. Keine Frage. Allerdings sprechen wir von einem Delta, das der Verein nach eigenen Angaben jedoch auffangen kann bzw. durch bereits getroffene Entscheidungen (Nicht-Teilnahme Europapokal) aufgefangen hat. Warum also dieser Aufschrei an der Mosel? Wollten die Verantwortlichen klappern, weil es zum Handwerk gehört? War es ein Aufschrei nach Aufmerksamkeit? Oder ein Verzweiflungsschrei? Die Bitte nach Spenden? Eine spitze Bemerkung Richtung Trierer Stadtpolitik?
Definitiv kein Ruf ums nackte Überleben!
Was es für uns jedoch nach Sondierung der Faktenlage definitiv nicht war: ein Ruf ums nackte Überleben. So misslich und nachvollziehbar die Lage im Südwesten der Republik auch sein mag, einen solchen Ruf hätte es nicht gebraucht. Schlimmer noch, was passiert, wenn der Ruf zum Bumerang wird? Wie mögen sich die aktuellen Sponsoren und Partner vorkommen, die seit Jahren die Dolphins unterstützen? Sie erfahren aus der Presse, dass der Klub und dessen Engagement auf der Kippe stehen. Oder wurden die Partner vielleicht vorab informiert? Möglichweise nicht, denn auch die Liga sowie die demokratisch organisierten Teams wurden nicht informiert. Sah man dazu doch laut Manager Otmar Passiwan keine Veranlassung (Zitat: …“wir sehen auch keine Veranlassung, hierüber im Vorfeld offensiv Vereine und die Ligaleitung zu informieren…“).
Vielmehr wird im Interview seitens des Trierer Verantwortlichen nachgetreten und alte Wunden (Klassifizierung Diana Dadzite) erneut aufgerissen (Zitat: „…von dieser Seite oder gar dem Verband hier eventuelle Hilfen zu erwarten, kann man getrost vergessen, das war noch nie der Fall gewesen.“). Ein mit aller Wucht ausgeführter öffentlicher Schlag ins Gesicht der RBBL-AG um den Vorsitzenden Thomas Henkel und Geschäftsführerin Tanja Feddersen sowie ein Schlag ins Gesicht der demokratisch gleichberechtigten Vereinsvertreter der anderen Klubs. Wobei – die finden die gewagten Trierer Schlagzeilen pünktlich zu Weihnachten einfach nur zum Gähnen…
Sorry, liebe Trierer. Erstens ist das respektlos, hat nichts mit sportlicher Fairness zu tun und zweitens kann es dann auch nicht so schlimm, wie von euch in den Medien platziert, um die eigenen Finanzen stehen.
Egal wie – selbst schuld mag in Trier natürlich keiner sein
Was uns doch etwas verwundern lässt: Der Verein sucht in keinem Satz die Schuld bei sich, sondern, schlimmer noch, in den Umständen. Keiner muss sich selbst an den Pranger stellen. Das verlangt niemand. Aber bezüglich der angeprangerten Sponsorenverluste trotz angeblicher Zusage, ein Satz a lá „Wir haben es versäumt die mündlichen Zusagen schriftlich zu fixieren“ oder „Wir werden daraus lernen und zukünftig nur noch schriftliche Zusagen akzeptieren“. Nichts. Auf den eigenen Präsenzen wird zu gleicher Zeit der 1000. Facebook-Fan gefeiert und nach der Meldung durch 5vier.de – übrigens Medienpartner der Trierer Rollstuhlbasketballer – lediglich die Bankverbindung für Spenden öffentlich gemacht.
Dass der eine oder andere kleine Sponsor die Dolphins während oder vor der Saison verlassen hat, um bei einem anderen Klub anzuheuern, sollte die Verantwortlichen an der Mosel doch vielmehr nachdenklich stimmen. Sind andere Vereine oder Sportarten im Gesamtpacket möglicherweise attraktiver? Hat man es versäumt, sich aufzuhübschen oder mit der Zeit zu gehen? Ist es wirklich so verwunderlich, dass ein ProA-Ligist mit langer Basketball-Tradition oder ein Handball-Team mehr Sponsoren und Zuschauer zieht?
Inklusion ist übrigens, wenn die „Behinderten-Schiene“ nicht gefahren wird!
Interessant auch, wie schon in der finanziellen Causa Kaiserslautern, dass in schlechten Zeiten die „Behinderten-Schiene“ gefahren wird. Zitat: „Wir als behinderte Menschen haben in unserem Leben stets gelernt, nie aufzugeben, und das wird auch jetzt der Fall sein!“. Das tun nicht-behinderte Menschen übrigens auch. Was ist das bitte für ein inklusiver Ansatz?
Schön, wenn dann im zweiten Schritt auch noch Kinder „vorgerollt“ werden – Zitat: „Auch die Kinder- und Jugendgruppen mit insgesamt fast 45 behinderten und nicht-behinderten Kindern müssten sich ein neues Hobby suchen, sollten die Trierer kein weiteres Geld bekommen.“ Oh je, die armen gehandicapten Kinder werden ihrer einzigen und sinnstiftenden Freizeitbeschäftigung beraubt. Und daran sind alleine die Stadtspitze und abgesprungenen Sponsoren schuld? Come on…
Es scheint, hier wird mal wieder der inklusive und verbindende Aspekt des Rollstuhlsports aus der Argumentationskiste hervorgekramt, da dieser auf die eine oder andere Tränendrüse in der Bevölkerung – insbesondere vor Weihnachten (gutes Timing!) – drücken mag. Sehr schade. Und genau das, was der Sport nicht verdient hat. Wir alle wissen um den inklusiven und verbindenden Charakter des Rollstuhlbasketballs. Dass behinderte Menschen es nicht immer leicht haben und der Sport in einer Ecke steht, den er nicht verdient, mag sein – das können wir nur schwer beurteilen. Aber welche Rolle spielt das bitteschön, wenn man professionellen Sport in Deutschlands höchster Spielklasse ausüben möchte und sich selbst stets zu den TOP-5 zählt?
Marketingabteilungen und Sponsoren entscheiden aufgrund von Fakten. Entspricht die Leistung der Gegenleistung? Bekomme ich einen Mehrwert, eine exzellente werbliche Leistung? Bringen wir es auf den Punkt: Wenn ich behinderten Jugendlichen etwas Gutes tun will, dann kann ich auch spenden oder werde zum Mäzen. Sponsoren haben in erster Linie ein rein wirtschaftliches Interesse, schließlich geht es um pro-aktiv eingesetzte Ressourcen des Unternehmens. Es entscheiden nicht primär der Bauch und das Herz, sondern der Kopf und der Return on Investment. Bleibt dieser aus, dann ziehen die Marketing Manager dieser Welt eben weiter. That´s life.
Wisst ihr, was absolut un-sexy ist?
Bevor uns zum Abschluss nun ein Sturm der Entrüstung erreicht und eure Halsvenen sich stauen, verweisen wir auf die Rollt.-Spielregeln für Leserbriefe. Und natürlich drücken wir den Doneck Dolphins Trier fest die Daumen, dass sich weitere Geldquellen auftun, um den Rollstuhlbasketball-Sport in Trier langfristig zu sichern, am Leben zu halten und weiter zu entwickeln.
Jedoch sollte das Dolphins-Management in Zukunft von einer Warnung vor dem bösen Wolf absehen, sonst kommt am Ende keiner mehr zum Helfen. Denn nichts, aber auch wirklich gar nichts, ist un-sexyer, als das ständige Betteln um Aufmerksamkeit und der stetige Aufschrei, man würde von allen nur benachteiligt.
Hinweis der Redaktion: Die Rollt.-Spielregeln für Leserbriefe
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