BIG #107: Der große Wert einer einmaligen und leidenschaftlichen Story

Wenn ich euch als Verein einen Wunsch erfüllen könnte, welcher wäre das? In den meisten Fällen lautet die Antwort: Mehr Geld, mehr Asche, mehr Bimbes. Ein dickes Bankkonto scheint das Allheilmittel zu sein, um die vermeintlichen Probleme des Klubs zu lösen. Wird nachgehakt, wofür das Mehr an Budget denn verwendet werden soll, wird es in vielen Gesprächen erst mal ruhig.

Das Problem: Viele Klubs haben keinen strategischen Plan, auf den ein Zuwachs an liquiden Mitteln direkt einzahlen könnte. Dies ist übrigens auch die Herausforderung, vor der Lotto-Gewinner stehen. Nachweislich landen viele Neu-Millionäre nach einigen Jahren finanziell wieder dort, wo sie vor dem unverhofften Geldsegen standen. Das hat einen ganz einfachen Grund: Gewonnenes Geld hat für Menschen einen anderen emotionalen Wert als erarbeitetes Geld. Wenn ich euch 100 Euro schenke und ihr diese anschließend verliert, hat dies eine andere Auswirkung auf eure Gefühlswelt, als wenn euch selbst verdiente 100 Euro aus dem eigenen Portemonnaie abhandenkommen. Aber genug der Neuropsychologie. Zurück zum Sponsoring. Bevor irgendwelche altbackenen Sponsoringpyramiden gebaut und antiquierte Gold-, Silber- und Bronze-Partnerpakete definiert werden, muss zwingend ein (Finanz-)Plan bzw. eine Strategie her. Ich spreche nicht von detailliert ausgearbeiteten Excel-Sheets und dezidierten Mehrjahresplanungen, sondern einer gemeinsam definierten Marschroute, auf der sich der Klub in den kommenden Monaten und Jahren bewegen möchte. Wo wollen wir investieren? Wo wollen wir als Verein wachsen? Was ist uns wichtig? Wofür sollen Sponsoring-Gelder verwendet werden? Was ist unsere DNA und Wertewelt? Ich bin jetzt einfach mal so frech und behaupte, dass genau diese fehlenden Puzzleteile daran schuld sind, dass einige semiprofessionelle Basketballvereine sich finanziell überheben, sie oftmals den kurzfristigen sportlichen Triumph vor den langfristigen strukturellen Fortschritt setzen.

Einschub: Aus dem gelebten und definierten Wertekontext des Vereins (Warum engagieren wir uns überhaupt im Verein? Was treibt uns aus unserem tiefsten Inneren an?) erwachsen die fundamentale Einzigartigkeit, das bedeutungsvolle Differenzierungsmerkmal und die einmalige Geschichte des Klubs, die potenziellen Sponsoren anschließend partnerschaftlich und mit Begeisterung verkauft werden. Es gewinnt und begeistert der Klub die meisten und besten Sponsoren, der die größte Schmerzlinderungs-, Problemlösungs- und Luststeigerungskompetenz besitzt. Und dies hat nur bedingt mit Zuschauerzahlen in der Halle und am Bildschirm zu tun – und genauso wenig mit Social-Media-Followern und -Reichweite in der digitalen Welt. Nur mal nebenbei eingeworfen: Wenn die volle Halle doch so ein wichtiger (Sponsoring-)Faktor ist, warum haben die Geldgeber ihre Verträge wegen der Geisterspiele dann nicht außerordentlich gekündigt? Ganz genau, weil es um weit mehr geht als die verstaubte (LED-)Werbebande und die vergötterte Logopräsenz auf den Trikots. Es geht um eine gemeinsame Geschichte und Verbundenheit. Leider gibt es immer noch zu wenige Klubs in Deutschland, die den Wert einer einmaligen und leidenschaftlichen Story erkannt haben. Bei vielen Vereinen fallen dann, in belanglosen Hochglanz- und trivialen Sponsoring-Broschüren, so Worte wie Tradition, Kinder- und Jugendarbeit oder Wertevermittlung. Mein Lieblingsspruch in diesem Zusammenhang: „Wir holen die Kinder von der Straße.“ Das ist einförmig und ermüdend. So wie ihr beim Erwerb von Produkten eine 100-prozentige Qualität voraussetzt, so erwarten Geldgeber von euch, dass ihr eure Vereinsrolle in der Gesellschaft wahrnehmt, nämlich Kinder- und Jugendarbeit betreibt, Menschen dazu animiert, Sport zu treiben, und das Miteinander hierzulande stärkt.

Lasst mich auf die Themen „Schmerz“ und „Lust“ zurückkommen. Was glaubt ihr, wie sich ein potenzieller Sponsor fühlt, dem ihr eine Standardleistung, wie das Bronzepaket, die Partnerebene XYZ oder eine Werbebande per E-Mail anbietet? Was passiert bei ihm emotional? Er ist einer von vielen. Fühlt der Mensch sich wertgeschätzt? Eher weniger. Ich möchte nicht das Ende der Standards herbeireden, es wird immer Institutionen geben, bei denen sich die Sponsoren aus Verlustangst, alter Gewohnheit oder Statusgründen mit Werbe- und Kommunikationsware von der Stange begnügen. Dies wird aber immer seltener der Fall sein, da sowohl inhabergeführte Unternehmen wie auch Kapitalgesellschaften auf den Return on Investment (RoI) schauen. Dabei setzt der Sponsoring-RoI nicht nur auf harte Fakten und einen finanziellen Kickback, sondern insbesondere auf weiche Faktoren, die sich nicht berechnen und in ein Kennzahlen-Korsett pressen lassen. Dazu gehören Wertschätzung und Anerkennung, Sicherheit, soziale Gründe, Interesse an Neuem und Prestige. Wie im normalen Business, so auch im Sportmarketing und -sponsoring, muss ich mir für die Partnerbetreuung und -gewinnung Zeit nehmen, muss mich über die Vorlieben des potenziellen Geldgebers informieren. Wie tickt er, wo will sein Unternehmen hin, wo schmerzt es?

Lasst mich zum Ende des Textes noch ein paar Sponsoring-Wahrnehmungen meinerseits wiedergeben: Sponsoring-Engagements werden von den Stakeholdern der Unternehmen (Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten etc.) zunehmend hinterfragt. Warum gibt die Firma, der Boss oder Marketingleiter Geld für sein „Hobby“ oder Sportsponsoring aus, wenn auf der anderen Seite Dritte den Gürtel enger schnallen müssen. Gerade die kommende Generation – und damit die Kunden von morgen – achtet darauf, ob Unternehmen sich integer und ehrlich verhalten. Die Werbebande und die Logopräsenz liegen auf dem Sterbebett. Die Zeiten, in denen der Sponsoringgeber sich freudig und sabbernd die Hände gerieben hat, wenn er sein Logo im Fernsehen oder in der Halle sah, sind vorbei. Spitz statt breit, Klasse statt Masse. Den Entscheider interessiert immer weniger, ob möglichst viele Menschen oder „Kontakte“ die Werbebotschaft gesehen haben, sondern vielmehr, ob die Botschaft seine Zielgruppe und seine Wunschkunden emotional berührt hat.

Text: Martin Schenk – erschienen in BIG-Ausgabe #107 | Foto: Uli Gasper

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