Liebe Rollstuhlbasketball-Freunde,

kennt ihr dieses Gefühl, wenn an einem Wochenende alles rund läuft, deine Mannschaft gewinnt, dein Lieblingsfußball-Klub ebenfalls erfolgreich ist, deine Familie gesund und glücklich ist und du mit dir, der Welt und allem im Reinen bist? Sich eine große innere Selbstzufriedenheit in dir ausbreitet? So ging es mir gestern. War ich doch mit meiner Frau seit langer Zeit mal wieder essen, um mich dann hin und wieder beim kurzen Blick aufs Handy zu ertappen, was die Vereine in Europa so treiben. Ja, ist ja gut, ich weiß, dass man(n) das nicht macht. Es war auch wirklich nur ganz kurz. Ich schwör’s. Wie dem auch sei. Als ich dann las, dass die Bulls aus Thüringen mal eben das Spitzenteam aus Istanbul in Grund und Boden gespielt hatten, nachdem bereits die Kölner, die Wiesbadener und auch der RSV einen tollen Auftritt hatten und die Baskets aus Hamburg bereits qualifiziert waren, schmeckte der Espresso an der Seite meiner Frau nach einem leckeren Essen doppelt so gut.

Was den sportlichen Teil betrifft, so muss der Fan einfach nur den Hut ziehen, was die deutschen Klubs am Freitag und Samstag (und heute) geleistet haben und leisten werden. Ich will auch gar nicht relativieren, um in typisch „deutscher Manier“ den Erfolg zu schmälern. Nein, ihr Leut, das war einfach geil. Lasst mich die zehn Erfolge (und zwei Niederlagen) doch lieber mal noch besser darstellen, als sie sich für den einen oder anderen Zweckpessimisten oder „Hater“ darstellen.

Da hätten wir die Kölner, die ohne „Big Man“ Huijc und dem Abstieg im Kopf in Frankreich dominierten und ihrem Coach Foden, der den Domstädtern auch in Liga zwei die Treue halten wird, eine Bierdusche gaben. Die Wiesbadener, die ohne zwei Paralympicssiegerinnen und „NB-Hopp“ den dritten Platz in Nottwil und die Teilnahme an der Euroleague 3 (Challenge Cup) ergatterten. Der RSV, für den eine Handvoll Fans extra nach Madrid reisen, um ihn dort siegen zu sehen. Und da wären die Bulls aus Thüringen, die Luszynski, Gürbulak & Co. an die Wand spielten und aufzeigten, was echter Teambasketball ist. Das löst beim hiesigen Fan doch einen echten „Endorphin-Schub“ aus. Hammer.

Und ich will ehrlich zu euch sein: Wenn dein Leben zum Großteil vom Rollstuhlbasketball bestimmt wird, dann bist du auch mal froh, wenn du nicht in der Halle sitzt, Texte schreibst, Interview führst und die Spieler mit Anfragen nach Statements nervst. Aber das Spiel der Bulls gegen Galatasaray musst ich mir gestern Abend noch in voller Länge reinziehen. Dies war mein medialer Digestif nach einem tollen Abend für den deutschen Rollstuhlbasketball. Ach ja, meine Frau lag übrigens schon im Bett, als ich mir – mit meinen Beinen auf dem Schreibtisch – die Bulls-Show reinzog, Jake Williams fünf Dreier in Folge „reinrotzte“, Alex Halouski mal wieder zur „Maschine“ mutierte und ein Michael Engel bei jeder Aktion seine Spieler beklatschte und aufmunterte, während der Kollege aus der Türkei mit dem Rücken zum Spielfeld stand und wild gestikulierend mit der Bank und Teilen des Publikums sprach.

Lasst mich einen kleinen Einschub machen, um für die kommende Rollt. und die Leistung der Lowpointer Werbung zu machen. Da ich ja zum Essen mit meiner Frau Gemahlin aufgebrochen bin, konnte ich das Wetzlar-Spiel nur zu Beginn verfolgen. Habt ihr gesehen, wie wertvoll und wichtig gute LowpointerInnen für ihr Team sind? In der Zeit, in der ich das Wetzlar-Spiel angeschaut habe, hat Annabel Breuer einen Offensiv- und einen Defensiv-Rebound gepflückt, verteidigt und ihrem Kollegen Kozai einen „Second chance point“ ermöglicht. Und dass ihr eine Jitske Visser in Cantu in nichts nachstand, soll nicht unerwähnt bleiben. Wie sich die Rolle der Lowpointer in den letzten zehn bis zwanzig Jahren entwickelt hat, werdet in Rollt. #18 lesen können, die pünktlich zum DRS Final-Four in Wetzlar erscheinen wird.

Bevor wir zu den Stimmen aus der RBBL kommen, möchte ich nochmal unterstreichen, was das Wochenende für den deutschen Rollstuhlbasketball bedeutet. Die Manager der Vereine haben es geschafft, gute Teams zusammenzustellen und die nötigen finanziellen Mittel für das „Abenteuer Europa“ aufzutreiben. Die Ergebnisse zeigen, was erreicht werden kann, wenn sich mit Herzblut, Leidenschaft und Kraft für den eigenen Verein eingesetzt wird. Özbicerler, Leßmann, Joneck, Korder & Co. sind die Triebfedern des Erfolgs. Sie sind die „Ermöglicher“ & „Wegbereiter“, die sich auch mal in den Transporter setzen, um Sportrollstühle über 1.000 Kilometer an den Spielort zu fahren. Vor Ihnen zieh ich, wie natürlich auch vor den Spielern auf dem Court, meinen Hut. Dass gleich zwei Klubs in Hamburg um die europäische Krone spielen, ist ein absolut hammergeiles Geschenk, liebe Rollstuhlbasketball-Freude. Kommt an die Waterkant! Werdet zu Multiplikatoren des Rollstuhlbasketballs. Füllt die Halle, statt auf eurem Sofa Platz zu nehmen. Vor der WM im eigenen Land ist der Champions Cup das Maß der Dinge, um die Topstars hautnah zu erleben, die deutschen Vertreter anzufeuern und euren Bekanntenkreis in puncto „wheelchair basketball“ anzufixen. Hach, ist das geil. Der Kampf um die Deutsche Meisterschaft steht noch bevor, das Pokalfinale in Wetzlar, der Champions Cup und die WM in Hamburg, Länderspiele auf deutschem Boden, der Juniorenländerpokal in Bonn, die Deutsche Meisterschaft der Damen in Ulm, das Top4 der Junioren usw. Rollstuhlbasketball-Herz was willst du mehr …

Stimmen zum europäischen Wochenende

Dirk Passiwan (DONECK Dolphins Trier): Die Ergebnisse des RSV und der Bulls sind für mich keine Überraschung. Beide gehören zu den absoluten Topteams in Europa. Die Bulls haben gegen Galatasaray eine Galavorstellung hingelegt. Ich denke, das zeigt, wo die beste Liga in Europa beheimatet ist.“

Benny Ryklin (RBB München Iguanas): „Der RSV Lahn-Dill hat für mich die Pflicht erfüllt. Thüringen hat in einer weitaus stärkeren Gruppe richtig einen rausgehauen. Sie haben gezeigt, wie gut und technisch weit die deutsche Liga im Vergleich zur europäischen Konkurrenz ist. Und sie haben uns vor Augen geführt, dass weitaus mehr Mannschaften in höheren Setzungen antreten sollten. In Deutschland wird taktisch weitaus cleverer agiert, das haben mir die Spiele am Wochenende gezeigt.

Mirko Korder (Rhine River Rhinos): „Thüringen ist eine echte Hausnummer und die Bestätigung dafür, dass wir es in Deutschland mit der stärksten Liga der Welt zu tun haben. Dies zeigen die Ergebnisse des Wochenendes sehr gut. Hamburg war bereits qualifiziert. Das RSB-Team beherrscht Galatasaray, der RSV gewinnt souverän und Köln dominiert ebenso die Euroleague 2. Und wir als Rhinos haben trotz geschwächter Formation, drei Spieler verletzt und mit André Hopp ein NB-Spieler an Bord, relativ erfolgreich in der Euroleague 1 teilgenommen.

Sedat Özbicerler (RBC Köln 99ers): „Wir sind mega stolz auf unser Team, welches sich von allen Unwegsamkeiten der letzten Monate nicht beeindrucken ließ und sich mit einer großartigen Leistung präsentiert hat. Die Finalteilnahme haben sich die Jungs und Mädels mehr als verdient!“

Lutz Leßmann (RSB Thuringia Bulls): „Ich habe heute das beste Rollstuhlbasketballspiel einer Mannschaft gesehen. Die ganz Großen der Zunft, wie Luszynski, Gürbulak, Hawkins & Co. waren bzw. wurden aus dem Spiel genommen, einfach unglaublich. Wir sind ein Team. Und dies sind nicht nur leere Worte. Wir haben noch einiges vor und Michael Engel gibt den Ton an. Siege sind der Lohn der Arbeit, und wir arbeiten sehr hart dafür.“

Joe Bestwick (Hannover United): „Es ist großartig zu sehen, dass sich die deutschen Mannschaften so gut geschlagen gaben. Das freut mich insbesondere für meine alten Klubs. Der RSV waren auf den Punkt fit, was Vorteile für den Start in die Play-offs mit sich bringt. Und Köln hat, nach einer enttäuschenden RBBL-Spielzeit, wahren Charakter gezeigt und sich für die Finalrunde qualifiziert. Für Wiesbaden war es, ohne André Hopp, durchaus schwieriger, wobei sich Matthias Güntner das Wochenende über stark präsentiert hat. Der empathische Sieg der Bulls über Galatasaray war ein hervorragendes Beispiel dafür, wie stark die deutsche Liga ist. Ich kann es kaum abwarten, was sich in Sachen Champions League Finale tut, liegt ein rein deutsches Finale durchaus im Bereich des Möglichen.“

Thorsten Schmid (SABRES Ulm): „Es ist natürlich phänomenal, dass wieder zwei deutsche Teams das Final Four erreicht haben. Thüringen hat mit dem deutlichen Sieg gegen Galatasaray die Favoritenrolle mit brachialer Gewalt an sich gerissen. Lahn-Dill tat sich gefühlt etwas schwerer, doch durch die enorme Erfahrung in diesem Wettbewerb ist ihnen alles zuzutrauen. Leider konnte ich die Spiele noch nicht sehen, aber ich freue mich für beide Mannschaften und sende Wetzlar und Elxleben meine Glückwünsche.“

Text: Martin Schenk | Foto: Steffie Wunderl

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